Zitat von
Mr.Fister
ja, prof. erb hält das urteil für grob fehlerhaft und sieht das ganze als notwehr an.
D.h. auch unter Kenntnis der Zusatzinformationen kann ein Rechtswissenschaftler im Fall Sven G. zu diesem Ergebnis kommen.
Dass man sich auch gegen normales Verprügeltwerden notfalls mit tödlicher Gewalt wehren darf, wenn man kein milderes Mittel hat, ist verständlicherweise ein unangenehmer Gedanke für Leute, die Schläge oder die Androhung von Schlägen, um eigene Vorstellungen/Ansprüche durchzusetzen als legitim ansehen
("Recht des Stärkeren").
Es kann dann auch dem Rechtsempfinden widersprechen, wenn sich jemand, der sich unangemessen, aber vielleicht für die Justiz schwer greifbar verhalten hat, mit der tödlicher Gewalt gegen handfeste erzieherische Maßnahmen wehren kann.
https://www.wn.de/Muensterland/36269...-Messerstichen
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Interessant angesichts der jüngsten Diskussion, in wie weit ein Vorverhalten, wie das ständige Tragen eines Messers, zu einer grundsätzliche Schmälerung des Notwehrrechts führen könne, ist dieser Abschnitt aus dem von Dir verlinkten Aufsatz:
Ein gleichermaßen sachgerechtes und griffiges, rechtsstaatlichen Anforderungen auch nur annährend genügendes Kriterium, nach dem man eine von der konkreten Tatsituation losgelöste notwehrrechtliche Unterscheidung zwischen "Guten", die sich einem Angriff stellen und ihn mit allen erforderlichen Mitteln ohne Eigengefährdung abwehren dürfen, und "Bösen", bei denen das nicht ohne weiteres der Fall ist, treffen könnte, gibt es nicht.
[...]
Wenn das Vorleben des Angeklagten bei der notwehrrechtlichen Behandlung dieses und anderer Fälle nach alledem noch eine Rolle spielen könnte, dann allenfalls in mittelbarer Form bei der tatsächlichen Bewertung des Sachverhalts. Eine frühere Auffälligkeit als Schläger ermöglicht nämlich u.U. Rückschlüsse auf die Fertigkeiten des Verteidigers, sich in entsprechenden Auseinandersetzungen zu behaupten, und kann insofern ein gewichtiges Indiz für die Annahme bilden, er hätte sich gegenüber einem bestimmten Angriff im Gegensatz zu einem nicht "kampferfahrenen" Angriffsopfer auch ohne (oder jedenfalls ohne überraschenden) lebensgefährlichen Waffeneinsatz mit hinreichender Erfolgsaussicht zur Wehr setzen können. Dafür bedarf es freilich eingehender Feststellungen, welcher Art die früheren Auseinandersetzungen waren und welche kämpferischen Fähigkeiten der spätere Notwehrtäter darin an den Tag gelegt oder erworben hat. Dass Vorstrafen wegen Körperverletzungsdelikten, bei denen er sich anscheinend an Schwächeren vergriffen hatte, hierfür jedenfalls nicht per se genügen, liegt auf der Hand;
Da kann natürlich das ständige Mitführen eines Messers, insbesondere, ohne das je zu benutzen, nicht dazu führen, dass einem "per se" unterstellt wird, dass man damit jemanden abmurksen will und daher entsprechende Situationen provoziert.
Umgekehrt kann man argumentieren, wenn jemand jahrelang ein Messer am Schlüsselbund hat, ohne damit jemals unangemessen umzugehen, er es wohl nicht zu solchen Zwecken mitführt.