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Thema: Stärke und Schwäche im Ringen

  1. #1
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    Standard Stärke und Schwäche im Ringen

    Stärke und Schwäche im Fechten sind verständlich: In der Bindung habe ich mehr Kontrolle, wenn meine Stärke die Schwäche des Gegners berührt.
    Nun soll das aber auch fürs Ringen gelten, in allen Büchern von von Gunterrodt über Pascha bis Schmidt. Eigentlich klar: Wenn ich das Handgelenk des Gegners hebele, dann lieber mit Ellenbeuge oder Schulterregion als mit der eigenen Hand, weil ich so mehr Kraft habe.

    So weit so gut! Jedoch zeigen alle diese Autoren viele, vielleicht sogar hauptsächlich, Techniken, die diesen Regeln widersprechen. Wenn man sich ihre Lektionen an schaut, wird eben NICHT mit Stärke auf Schwäche gerungen sondern mit Schwäche auf Schwäche, Stärke auf Stärke, oder gar so, dass Schwäche auf Stärke kommt und man trotzdem gewinnt. Beispiele: Die ganzen Fussfeger (Fuss gegen Fuss, also Schwäche auf Schwäche) bei Schmidt und das Stuffing gegen Double Leg (Hand in den Nacken, also Schwäche auf Stärke), sowe das Hand verdrehen (Hand gegen Hand, also Schwäche auf Schwäche) bei Pascha.

    Was ist hier los? Wenn das Stärke-Schwäche-System das Grundprinzip ist (wie von Gunterrodt behauptet), warum verstossen dann so viele der gezeigten Techniken dagegen? Wenn es nicht das Grundprinzip ist, warum steht es bei Schmidt und Pascha fast kommentarlos an allererster Stelle im Ringkapitel?

  2. #2
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    Betrachte „Stärke“ und „Schwäche“ mal nicht nur bezogen auf Körperteile, bzw. Waffenteile

    Wenn ich das Prinzip „Yin & Yang“ aus unserem Bagua auf das historische Ringen und das Fechten lege, dann entspricht es 1:1 der „Stärke“ und „Schwäche“, so wie das „Indes“ unserem „Taiji“ entspricht...

  3. #3
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    Zitat Zitat von kanken Beitrag anzeigen
    Betrachte „Stärke“ und „Schwäche“ mal nicht nur bezogen auf Körperteile, bzw. Waffenteile

    Wenn ich das Prinzip „Yin & Yang“ aus unserem Bagua auf das historische Ringen und das Fechten lege, dann entspricht es 1:1 der „Stärke“ und „Schwäche“, so wie das „Indes“ unserem „Taiji“ entspricht...
    Klar, kann man machen. Nur steht das mit Stärke und Schwäche als Waffen- oder Körperteile explizit in den Büchern. Daher meine Verwirrung.

  4. #4
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    Zitat Zitat von Spud Bencer Beitrag anzeigen
    Nur steht das mit Stärke und Schwäche als Waffen- oder Körperteile explizit in den Büchern. Daher meine Verwirrung.
    Ist ja auch nicht falsch, aber halt nur EIN Aspekt. Ist es in den TCMA ja auch. Einiges an der Waffe (oder Körper) ist Yin, was anderes Yang. Ist halt immer relativ. Und dann gibt es halt noch den anderen Aspekt.
    Wie gesagt aus meiner Sicht sind sich HEMA und TCMA sehr, sehr ähnlich.

  5. #5
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    Zitat Zitat von kanken Beitrag anzeigen
    Wie gesagt aus meiner Sicht sind sich HEMA und TCMA sehr, sehr ähnlich.
    Eine sehr interessante Sichtweise über die es sich lohnt nachzudenken. Wobei die TCMA ja durchaus recht stark von den asiatischen Philosophien durchdringen ist. Könnte man zumindest meinen wenn sich deine sehr interessanten Texte hier im Forum durchliest.

    Ich würde nicht so weit gehen, und behaupten, dass es in den HEMA keine philosophischen Aspekte gibt, aber es ist wohl eher nicht bekannt. in unsere Gruppe haben wir jedenfalls keinen Philosophen in der Gruppe und auch sonst ist mir noch kein Text untergekommen, der mittelalterliche Denkmodelle mit den Inhalten der alten Manuskripte in Verbindung bringt..

    Was aber nicht heißt, dass es so was nicht gibt.

  6. #6
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    Sprache erzeugt in den TCMA Gefühle, bzw. die Sprache beschreibt die Gefühle.
    Der Kontext der Sprache ist in Europa ein anderer, aber sie erzeugt auch Gefühle. Wenn ich Fiore, Liechtenauer oder Ott lese geht es mit zumindest so...

  7. #7
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    Mit dem entsprechenden Background ganz sicher. Du bist aber dem Durchschnitts HEMA man um Welten voraus was dein Hintergrund Wissen was die Philosophien betrifft. Du kannst Parallelen zwischen dem Wissen was du aus deiner früheren Karate und jetzt aus deiner Bagua Ausbildung nutzen um bestimmte Parallelen zu erkennen. Hinweise in den alten HEMA Texten zu finden die nicht gleich offensichtlich sind. Was beindruckend ist.

    Ohne geübtes Auge und dem Hintergrundwissen ist das aber sehr schwer.

    Was mich wieder zur Frage bringt. Haben wir ja hier HEMA Leute die sich mit den philosophischen Hintergründen der alten Manuskripte beschäftigen? also quasi zwischen Zeilen lesen?

  8. #8
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    Das macht schon alles Sinn. Rein praktisch gesehen geht man da rein, wo er schwach/yin/leer ist und vermeidet seine Stärke/yang/Fülle.
    Beispiel: Der Gegner drückt mit einer Hand am Oberkörper, z.B. in Clinch. Nach vorne dagegendrückenkann ich nicht, das wäre Kraft gegen Kraft.
    Entweder ich komme jetzt von der Seite, zum Beispiel von innen über den Arm und mache nen Arm Crank, ungefähr so:


    Oder ich drücke nach vorne, aber so, dass mein Arm innen ist und seiner aussen, so dass er rein geometrisch weniger Kraft hat. Sein vorderer Fuss ist nun schwach/yin/leer und ich kann ihn fegen. Das wäre Schmidts erstes Ringerstück.

    Funktionieren tut das so, zumal Schmidt explizit ein Stück hat, um die "Stärke" des Gegners zu erforschen, indem man ihn drückt und zieht, und so merkt, wo er Widerstand gibt und wo nicht:

    Zitat Zitat von Johann Andreas Schmidt
    Das III. Capitul.
    Welches in 2. Figuren vorstellet / wie man oben des andern Schultern anfassen soll / wie man
    Finten machen könne / und wie man zugleich des andern Stärcke oder Forçe probiren und
    erkennen möge.
    Wann das I den K oben bey den zwey Schultern angefasst / so muβ K sich von innen loβ machen oder
    loβ schlagen / und I auch zugleich bey den Schultern ergreiffen / und immer / bald lincker bald rechter
    Seiten / schieben oder drucken / und auf solche Weise kan das K des I seine Stärcke erfahren / und ihm
    eine Finta machen /
    Aber ist das auch, was damals gemeint war? Es ergibt Sinn, es funktioniert, also ist es möglich. Ich bin mir aber nicht sicher.

  9. #9
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    Zitat Zitat von Spud Bencer Beitrag anzeigen
    Aber ist das auch, was damals gemeint war? Es ergibt Sinn, es funktioniert, also ist es möglich. Ich bin mir aber nicht sicher.
    Ob das in Europa so gemeint war wird dir NIEMAND sagen können, da die Tradition tot ist.

    Die TCMA ist jedoch lebendig und da weiß man wie es gemeint ist. Kämpfen ist Kämpfen, die Jungs in Europa werden auf die gleichen Ideen gekommen sein wie die in Asien. Die Ringstücke sind ja 1:1 so auch in den TCMA zu finden, was die Anwendungen angeht.

  10. #10
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    Zitat Zitat von kanken Beitrag anzeigen
    Ob das in Europa so gemeint war wird dir NIEMAND sagen können, da die Tradition tot ist.
    Vielleicht hat ja einer der HEMA-Cracks hier ne obskure Quelle, die alle Unklarheiten beseitigt

  11. #11
    ThiS Gast

    Standard

    Zitat Zitat von kanken Beitrag anzeigen
    Ob das in Europa so gemeint war wird dir NIEMAND sagen können, da die Tradition tot ist.

    Die TCMA ist jedoch lebendig und da weiß man wie es gemeint ist. Kämpfen ist Kämpfen, die Jungs in Europa werden auf die gleichen Ideen gekommen sein wie die in Asien. Die Ringstücke sind ja 1:1 so auch in den TCMA zu finden, was die Anwendungen angeht.
    Ich kann mich erinnern, dass wir uns vor Jahren schonmal mit Thomas gemeinsam über Döbringer unterhalten hatten und Paul dazu kam.
    Wir haben ihm dann quasi den speziellen Lehrsatz (ich meine es ging ums Abnehmen) übersetzt. Er dachte, es wäre aus einer anderen TCMA-Linie.
    Von daher würde ich die Wahrscheinlichkeit, allein schon aufgrund der Terminilogie (Sprechfenster, Fühlen, ...die Kunst des Ortes, ..kann sich dem Band nicht entziehen) als sehr hoch einordnen... Aber klar, sicher wissen werden wir's erst wenn die Zeitmaschine erfunden wurde

  12. #12
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    @ThiS: Das müssen wir im kommenden Jahr mal wiederholen und vertiefen.

    Die ganzen Fussfeger (Fuss gegen Fuss, also Schwäche auf Schwäche)
    Nun ja, der Fuß nimmt in diesem Fall ja i.d.R. "nur" die gegnerische, unbelastete Stütze weg. Tatsächlich arbeitet man dann doch i.d.R. mit dem starken Körpereinsatz "indirekt" gegen diese Schwachstelle. Also irgendwo schon auch hier "Schwäche" gegen "Stärke".
    Ich muss allerdings einräumen, dass ich mich mit dem waffenlosen historischen Ringen so gut wie gar nicht beschäftigt habe.

  13. #13
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    Ringen ist halt manchmal überraschend komplex Ich würde das Problem in unterschiedliche Aspekte aufdröseln:
    - Schwäche und Stärke mögen im Fechten in einer klassischen Situation durchaus ihre Gültigkeit haben, ABER es gibt auch hier Situationen, wo sie nur begrenzt greifen (ich denke da an den Griff in die Klinge zum Halbschwert, beim Langen Schwert wie beim Messer); dadurch ergibt sich ein Widerlager, über das ich Kraft anders übertragen kann.
    - Analog habe ich das auch im Ringen, wo ich praktisch immer (!) mit einem Widerlager zu arbeiten versuche - egal ob ich jetzt eine Hand am Handgelenk und eine Hand am Oberarm habe, eine Hand am Ellbogen oder Handgelenk und meinen Kopf unter seiner Achsel (Durchlaufen/duckunder) durch nach oben führe, mit beiden Händen nach rechts ziehe und den Fuss nach links wegfege oder eben mit den Händen an seine Kniekehlen fasse und den Kopf gegen das Brustbein ramme.
    - Dazu kommt die Sache mit den Gelenken (frei nach Dan Gable "Hit them where they bend"), die Stärke und Schwäche beeinflussen. Ich würde argumentieren, dass es z.B. bei der Hand nochmals Unterteilungen gibt (Handgelenk, Handfläche, Finger), Passchen zeigt sie auch beim Kopf (oben schwach, unten stark - deswegen macht man Snapdowns auch oberhalb des Haaransatzes), und wenn man die Quellen aus dem 15. Jahrhundert anschaut (Von Danzig etc), dann wird bevorzugt nicht die Hand gegriffen, sondern 1-x Finger. Wenn ich dann noch die Bewegungsrichtung der Gelenke miteinbeziehe, ergibt sich wiederum ein komplexeres Bild als beim vergleichsweise simplen Stärke-Schwäche-Konzept im Fechten.
    - Auch die Position diktiert Stärke und Schwäche: habe ich die Hände nahe am Körper, können meine Hände (aka Schwäche) locker 200 kg heben; habe ich die Arme waagrecht nach vorne ausgestreckt, sinds vielleicht noch 30. Daher zieht man z.B. bei der Armkontrolle den gegnerischen Arm auch (fast) immer zu sich.

    Der relevante Aspekt ist letztendlich: erlauben mir meine Position und meine Struktur (und, was wir hier nicht berücksichtigen wollen, meine Technikvorbereitung), die Stärke (= Körperschwerpunkt) effizient in Bewegungsrichtung hinter meinen Kontaktpunkt / mein Widerlager zu bringen? Wenn ja, habe ich die Stärke, wenn nein habe ich sie nicht und muss versuchen, mit Technik und Finten zu arbeiten, bis ich die Situation verbessern kann. Die simple Unterteilung der Körperteile in Stärke und Schwäche ist zwar nicht per se falsch, aber m.E. eben doch ein vereinfachtes Konzept, von dem ausgehend man die Details verstehen und korrekt umsetzen muss.

    Beste Grüsse
    Period.

  14. #14
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    @Period

    Danke für deinen Einblick in das Ringen! Das mit den verschiedenen Vektoren an den verschiedenen Punkten ist in den TCMA ganz genauso, allerdings „im Körper“ genauso wie „am Körper“.
    In den TCMA gibt es Methoden mit diesen Kontaktpunkten und der Wirkung der Kräfte an ihnen „harmonisch“ zu spielen, und das wird über die Spannungen im Körper gesteuert.

    Das ist extreeeem komplex, wenn man es physiologisch betrachtet, aber extrem einfach wenn man es philosophisch betrachtet. Die Bilder der Philosophie sind quasi das Betriebssystem was den Körper extrem komplex bewegen kann.

    Nach diesem Beitrag MÜSSEN wir uns unbedingt mal treffen, man könnte meinen du spricht von fortgeschrittener TCMA. Ziemlich cool

  15. #15
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    @ Kanken: Danke für die Blumen Soweit ich das sehe, dürften die ringerischen Aspekte im Bagua Zhang an diversen Orten präsent sein (Shuai-Jiao über Cheng Ting Hua etc.). Aber in den HEMA ist z.T. auch die Arbeit mit der Waffe sehr ring-lastig, angefangen beim Langen Schwert (auch wenn die heutigen Anwender mit ganz wenigen Ausnahmen meist versuchen, einen grossen Bogen ums Ringen zu machen ), natürlich Dolch, Mordaxt (beides Ringhilfen mit integriertem Dosenöffner für Plattenharnische) und in hohem Masse auch das Lange Messer (hier allerdings eher im zivilen Kontext und ungerüstet, was die Schnittmenge zu den TCMA evtl vergrössern könnte; falls noch nicht bekannt darf ich empfehelen, mal Lecküchner anzuschauen).
    Über ein Treffen würde ich mich nach wie vor freuen, ich habe auch vor, kommendes Jahr mal eigens bei euch vorbeizufahren - es hat sich zwar keine passende Tagung ergeben, aber im Frühjahr habe ich Forschungssemester und kann daher meine Zeit freier einteilen. Wenn es Dich mal nach Zürich oder so verschlagen sollte, einfach melden - ich hab ne Ringermatte im Gästezimmer

    Beste Grüsse
    Period.

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