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Thema: Hung Gar für Selbstverteidigung geeignet oder nicht "modern" genug?

  1. #1
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    Standard Hung Gar für Selbstverteidigung geeignet oder nicht "modern" genug?

    Hallo zusammen,

    Application-Videos auf Youtube lassen mich ein wenig an der Sinnhaftigkeit mancher Bewegungen im Hung Gar hinsichtlich der Selbstverteidigung zweifeln. Es scheint mir relativ schematisch und "starr" zu funktionieren. Ich weiß, dass ich den Vorwurf auch dem Karate machen kann, aber im Hung Gar fiel es mir noch etwas krasser auf, wenn z.B. der rechte Arm des Angreifers mit dem linken Arm von außen nach innen geblockt wird. Also muss man erstmal aus der "Schusslinie" raus, und wird nicht mal zeitsparend von innen nach außen sondern umgekehrt geblockt... ist das nicht extrem unrealistisch für einen echten Straßenkampf? Ich bin an dem Stil sehr interessiert, aber ich habe ein bisschen Angst, dass diese recht traditionellen Tier-Techniken eher was fürs Auge und nicht zum Überleben sind?!

    Wie seht ihr das, tue ich dem Hung Gar unrecht? Habe btw. einige Threads per Suchfunktion schon durchforstet, aber außer Jadetiger hat sich zu diesem Thema wohl niemand so wirklich zu Wort gemeldet, und der scheint momentan etwas anderes zu trainieren, wenn ich das richtig gelesen habe.

    Karate und vor allem WingChun scheinen mir ein wenig "sparsamer" in den Bewegungen zu sein, was meiner Meinung nach für einen realistischen Kampf doch vorteilhafter sein dürfte, aber vielleicht sehe ich das auch völlig falsch.
    Bin auf eure Meinungen gespannt!
    Geändert von Skyler (05-12-2019 um 21:25 Uhr)

  2. #2
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    Was machst du denn so? Trainierst du für den echten Straßenkampf? Du bist ganz neu hier, wär schon gut, deinen Hintergrund zu kennen.

  3. #3
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    Natürlich sind Kampfmethoden die in einem mittelalterlichen Land dazu entwickelt wurden sich gegen Diebe oder Räuber zu wehren "für die Selbstverteidigung geeignet". Das Problem ist, dass dafür nur die Art taugt wie das eigentlich gedacht war, und nicht wie sich das irgendwelche Fritzen zwischen 1900 und 2019 zusammengereimt haben. Da geht es weniger um "verwässert", sondern darum dass die Art wie man damit wirklich gekämpft hat zum Teil einfach gar nicht gelernt wurde. Mit viel Talent kann man das aus Formen ablesen, aber man muss sowas verstehen können.

    Wenn man sich das hier ansieht, hat derjenige es jedenfalls überhaupt nicht verstanden, weil das offensichtlich total nicht zum Timing im Boxen passt:
    https://www.youtube.com/watch?v=AhoP3U53FYI

    Sieht man sich die diversen Leute hier an, erkennt man bei einigen wenig, und bei manchen ungefähr wie das gemeint hätte sein können:
    https://www.youtube.com/watch?v=OC9qanumv0s

    Aber auch da ist das Niveau sehr unterschiedlich. Wenn Dinge im Sparring nicht funktionieren, liegt es manchmal daran, dass man nicht schnell genug ist, oder nicht gut genug antizipiert. Manchmal auch daran, dass es so wie man das "versucht" oder sogar erklärt bekommt eben nicht gemeint gewesen ist, damals vor 200 Jahren. Das "Blocken" von aussen nach innen ist kein Blocken sondern ein Fangen. Man greift das Handgelenk, was aber nur dann geht wenn der Schlagwinkel des Angriffs passt. Es muss auch Ellbogenblocks von innen geben, wenn es zu weite Kurven sind, oder man geht über kreuz von der gegenüberliegenden Seite an die Aktion. Das merkt man dann im Sparring. Wenn die "Fortgeschrittenen" auch keine Haken abwehren können, dann fehlt da irgendwas. Ein Top-Mann sollte das alles erklären oder demonstrieren können, nicht gegen eingefrorene Aktionen ala "mach mal so", sondern gegen ne normale 1-2 oder nen Haken.
    "Man kann Leuten nicht verbieten, ein ***** zu sein." (Descartes)

  4. #4
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    Zitat Zitat von Bücherwurm Beitrag anzeigen
    Was machst du denn so? Trainierst du für den echten Straßenkampf? Du bist ganz neu hier, wär schon gut, deinen Hintergrund zu kennen.
    Ich habe ein wenig Shotokan-Karate gemacht, und mich auch da schon bei einigen Techniken gefragt, ob sie nicht doch etwas zu experimentell sind. Im Gegensatz zu dem was ich bisher (!) als Laie (!) vom Hung Gar gesehen (!) habe, schien mir das aber dann irgendwie doch noch etwas "praktikabler" zu sein, weil insgesamt irgendwie geglättet und scheinbar bereinigt von "überflüssigen" Moves. So sieht es für mich aus, weil viele Anwendungen vom Hung Gar eben etwas kompliziert erscheinen. Ich kann mich komplett täuschen, und wie gesagt, der Stil interessiert mich sehr. Ich denke, was Klaus dazu sagt ist sehr interessant:

    @Klaus: Danke dir, das klingt auf jeden Fall plausibel. Dass der Außen nach innen-"Block" ein Fangen ist wusste ich zB gar nicht, ich dachte, das machen nur die Mantis-Leute. Ich vergleiche es nur eben etwas naiv - weil ich, s. o., nicht viel Erfahrung habe - mit einem System wie Wing Chun, das ja überhaupt auf dieses "wenn X dann Y"-Schema verzichtet, sondern sich eher "on the fly" irgendwie anpasst, ohne ein vorgegebenes Skript an Bewegungen. Nicht, dass ich wirklich glauben würde, dass Hung Gar SO derart stumpf ist (ich hoffe, es kommt nicht so rüber), aber ich frage mich z.B. dann doch wieder, wie man ernsthaft davon ausgehen kann, dieses "Fangen" würde irgendwie funktionieren, wo doch jeder Grüngurt-Karateka, und jeder Boxer sowieso, kapiert, dass man seinen Fauststoß wieder zurückzieht, und dann eben nicht viel mit Greifen usw. zu machen ist. Und wenn dann gefühlt 50% der bisher von mir gesichteten Applications auf dieser ziemlich stumpfe Methodik aufbauen, die für mich augenscheinlich (!) nicht klappen, dann weiß ich nicht, wie realistisch das gesamte System unterm Strich ist, bzw. bekomme zumindest etwas Skepsis - trotz allem Respekt, selbstverständlich. Vielleicht bin ich zu kritisch, wie verlaufen denn Übungsmethoden aus anderen Stilen, wie z.B. Bagua oder Xingyi, ist das immer nach so einem "Muster" angeordet? Ich möchte auf gar keinen Fall Hung Gar "bashen", nur gerade bei diesem Stil fällt mir eben dieses abgekaterte Skript am deutlichsten auf, aber das kann natürlich auch daran liegen, dass die entsprechenden Videos, die man auf YT zu sehen bekommt, schon älter sind, und das irgendwie der Zeitgeist war, es genau so und nicht anders zu demonstrieren. Oder in diesen Videos steckt noch viel mehr, was man so als Laie (wie ich es einer bin) gar nicht auf den ersten Blick kapiert.

    Nur ein paar Gedanken. Deine beiden Links sind aber sehr interessant, danke dir. Aber noch ein Wort zum "Top-Mann": Glaubst du denn (oder weißt du) ob es diese Leute in Deutschland realistischerweise gibt, oder ist das Hung Gar-Wissen und -Niveau dann doch so zweifelhaft, dass man sich lieber eine Kunst aussucht, die hierzulande etwas erforschter ist? Ich meine, ich kann es mir leider nicht leisten, ständig nach China zu fliegen, damit ich wirklich den totalen Sinn hinter jeder Aktion begreife
    Geändert von Skyler (06-12-2019 um 00:25 Uhr)

  5. #5
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    Zitat Zitat von Skyler Beitrag anzeigen
    wie verlaufen denn Übungsmethoden aus anderen Stilen, wie z.B. Bagua oder Xingyi, ist das immer nach so einem "Muster" angeordet?
    Erst lernt man die Anwendungssets, dann Pushen, dann kombiniert man beides und wird immer freier bis zum komplett freien Sparring.

  6. #6
    Gast Gast

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    ...
    Geändert von Gast (06-12-2019 um 05:52 Uhr) Grund: Alles schon gesagt, sogar von allen.

  7. #7
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    kurz:

    Es hängt vom Lehrer,Schule, dem Kämpfer........ ab, wie das System an moderne Zeiten,Szenarien... angepasst wird.

    Formenlaufen(Trockenschwimmen) macht die Kanton Ente nicht fett!




    Siehe Hung Kyun(Gar) Sparring,Freikampf:









    etc.


    Glückskeksweisheit 6:

    "So wie man trainiert - so kämpft man auch."

    Wir leben im 21 Jh. und nicht in der Ming,Qing... Dynastie , in denen der Focus auf den Waffenkampf und anderen Bereichen lag.

    Tradition und moderne Übungsmethoden,Anwendungen..... als Ergänzung!

    Dieses Motto gilt auch für andere Gong Fu Stile.
    Geändert von Huangshan (06-12-2019 um 11:29 Uhr)

  8. #8
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    Zitat Zitat von Skyler Beitrag anzeigen
    der rechte Arm des Angreifers mit dem linken Arm von außen nach innen geblockt wird. Also muss man erstmal aus der "Schusslinie" raus, und wird nicht mal zeitsparend von innen nach außen sondern umgekehrt geblockt...
    Mal justmy2Cent dazu.. machen wir auch so.
    a.) will ich wann immer möglich auf die Aussenseite um einen besseren Angriffsvektor zu haben und um aus seiner Kraftmitte rauszukommen
    b.) gehe ich immer davon auss dass er mit seiner 2. Hand noch eine Waffe haben kann/aus dem Gürtel etc. holt und dann möchte ich auch nicht innen sein.

    Ich weiss nun nicht, ob eins von beiden bei HG auch der Fall ist, aber das ist auch eine Möglichkeit..

    Jene Hung Gar die ich kennenlernen durfte sind ziemlich harte Brocken.. also ihre Trainigsmethoden können aus meiner Sicht nicht so verkehrt sein.

    VG,
    Phelan
    ------------------------------------------
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  9. #9
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    Zunächst mal bilden sich viele Hobbyspieler nur ein dass sie ihre Hände immer so schnell zurückziehen dass man die nie greifen könnte, weil das mit Handschuhen eh kaum klappt. Habe ich einem an sich sogar ziemlich guten Sportstudenten gezeigt, der wollte danach nicht mehr mit mir sparren. Und sein Jab war sowohl schnell als auch stark. WENN man das nicht bekommt, dann pariert man, ist halt Übungssache ein Gefühl dafür zu bekommen. Besser niemals was vornehmen, einfach instinktiv agieren, der Instinkt ist erstaunlich gut darin Aktionen zu lesen und die die nicht gut kommen auszunutzen. Bei besseren Leuten ist man dann erstmal länger mit Parieren beschäftigt, aber wenn man die Distanz verkürzt kann keiner mehr die Arme aus der Schusslinie bringen wenn er nicht konsequent weg geht. Und das tun halt gerade Hobbyspieler wenig. Üblicherweise geht man auch aus dem Parieren rein und "macht was", greifen, auf die Arme kloppen, treten. Da sind ja auch Meidbewegungen in der Form, die sind exakt dafür da. Rein, Kopf weg, kontern oder angreifen. Das Problem beim Sparren mit Boxern ist, die sind normalerweise wenn sie länger dabei sind ziemlich gut in dem was sie tun, weil sie genau das trainieren was sie tun wollen, und das konsequent und auf normalerweise ordentlichem oder gutem Niveau. Die "Kung-Fu"-Leute sparren dagegen oft völlig Banane, weil sie Mummenschanz exerzieren, und nicht wie Sportler. Oder sie sparren gar nicht, und üben auch nicht gegen echte Aktionen.

    Wichtig bei echten Auseinandersetzungen ist, der andere Typ hat zwei Hände und nicht eine. Wenn man die eine Hand greift oder pariert, kommt ggf. die andere auch geflogen. Das muss man dann ebenfalls parieren oder meiden, darum agieren eigentlich alle CMA-Stile die was drauf haben beidhändig im realen Modus. Sprich, die eine Hand pariert oder greift, die andere Hand, Unterarm oder Ellbogen sichert ab vor dem Kopf. Der Körper wird trainiert, Treffer abzukönnen, da muss man dann nicht schützen - wenn man soweit ist. Ausnahme nur, wo man den Angriff so von aussen zur Seite dreht dass die andere Hand von einem weg zeigt, das ist aber selten der Fall. Aber auch da geht man sofort rein und greift mit der freien Hand.

    Hier mal ein Beispiel wie jemand einen der besten Jabs im Schwergewicht konsequent pariert, und das erfolgreich:
    https://youtu.be/AVsDayVzpSw?t=59
    "Man kann Leuten nicht verbieten, ein ***** zu sein." (Descartes)

  10. #10
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    Zitat Zitat von Skyler Beitrag anzeigen
    wo doch jeder Grüngurt-Karateka, und jeder Boxer sowieso, kapiert, dass man seinen Fauststoß wieder zurückzieht, und dann eben nicht viel mit Greifen usw. zu machen ist.
    Kann man so nicht sagen. Das sind technisch-taktische Fragen. Wenn man gleich zurückzieht, verliert man viel Power, weil man nicht mit vollem Commitment reingehen kann. Das kann gewollt sein, grade im modernen Boxen, wo es Punktwertungen gibt und man notfalls auch nur mit hoher Trefferfrequenz ohne nennenswerte Schlagwirkung gewinnen kann.
    Wenn man sich Boxen um 1900 anschaut, dann ziehen die auch nicht zurück, weil sie den Gegner KO schlagen wollen, genauso bei moderneren Boxern wie Marciano, Dempsey, Foreman, Liston und wie sie alle heissen. Das selbe Prinzip hat man dann natürlich im Karate, Kung Fu usw., oder auch in Stilen ohne Punktwertungen wie Lethwei und bare knuckle boxing, wo man auch auf den schnellen KO abzielt.

    Wenn man voll reingeht, funktioniert das Greifen auch wieder.
    Es ist also einfach eine Frage, ob man maximal Schlagkraft oder lieber eine bessere Verteidigung will. Früher wollte jeder zu SV-Zwecken natürlich volle Schlagkraft, deswegen trainierte man als Verteidigung Paraden und Griffe.

  11. #11
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    Danke euch für die vielen Beiträge, die meine Irritationen etwas zerstreut haben! Ich hatte wohl einfach zu wenig Material von Hung Gar gesehen, und bin nun insgesamt doch deutlich interessierter und werde mich intensiver mit dem ganzen Thema beschäftigen.
    Ein weiteres Video, das mir auf YT begegnet ist, und mir sehr gut gefallen hat, möchte ich euch natürlich nicht vorenthalten:

    Hier werden die Anwendungen auch schon deutlich realitätsnaher und schneller durchgeführt als in den Videos, die ich gesichtet habe, bevor ich spontan hier mein Unwissen zur Schau gestellt habe

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