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Julian Braun
Wenn ich nicht nachvollziehen/erleben kann, dass irgendein ominöser unterbewusster Wille meine Entscheidung schon vorentscheidet, kann ich mich ja immer noch frei fühlen in meiner Entscheidung, oder nicht?
ja natürlich, machen ja die meisten, auch ich..
Wenn man aber dann ein subjektives Gefühl schon als "freien Willen" definiert, kann man sich entsprechende Experimente und Überlegungen sparen.
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Julian Braun
Nun ja, die beiden hängen ja irgendwie zusammen. Denn das Libet-Experiment läuft ja unter Willensfreiheit, obwohl es ja eine Handlungssituation beschreibt.
Ja, der Wille oder das Wollen führt zu einer Handlung, sofern die Handlungsfreiheit nicht entsprechend eingeschränkt ist.
Wollen + Handlungsfreiheit => Handlung
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Julian Braun
Ich dachte ich will links wählen ("ich fühlte mich frei links zu wählen"), aber anscheinend war ich in meinem Handeln eben doch nicht so frei wie ich dachte.
In den Experimenten konnten die Probanden aus einer Anzahl von Handlungen eine auswählen und waren nicht durch äußere Bedinungen eingeschränkt, diese auszuführen.
Die hatten auch nicht das Gefühl, dass sie nicht tun konnten, was sie wollten (innerhalb der Vorgaben des Experiments).
Wenn sie dachten - in Deinem Beispiel - links zu wählen, haben die auch links gedrückt.
Wenn sie dachten, rechts zu wählen, haben die auch rechts gedrückt.
Sie meinten, bewusst zu wollen, was sie auch taten.
Und sie taten (konnten tun), was sie unbewusst wollten.
Sie waren also frei zu tun, was sie wollten.
Sie waren nicht frei, bewusst etwas anderes zu wollen, als sie unbewusst wollten.
Hirschhausen hat sich mal ungefähr folgendermaßen über gefühlten Willen, bzw. verbalen Ausdruck eines solchen geäußert:
Wenn man einen Raucher fragt, "warum rauchst Du?" was sagt er dann?
"weil's mir schmeckt".
Wer spricht da?
Die Großhirnrinde.
Warum die?
Weil die sprechen kann!
Früher hat man gedacht, die Großhirnrinde wäre die Regierung des Körpers.
Heute weiß man, die ist eher der Regierungssprecher.
Hat mit der Entscheidung nix zu tun, muss die aber nach außen vertreten.
Natürlich ist das zur Veranschaulichung grob verallgemeinert bis falsch, aber nehmen wir mal "Großhirnrinde" hier als Synonym für sprachlichen Ausdruck, bzw. bewusstes Erleben:
Dann bekommt der Regierungssprecher "Bewusstsein" im Libetexperiment von der Regierung die Entscheidung mitgeteilt "wir haben uns entschieden, den Knopf zu drücken".
und merkt sich, wie spät es ist, als er diese Entscheidung mitgeteilt bekommt.
Wenn er später gefragt wird, wann die Entscheidung gefallen ist, gibt er den an, zu dem ihm die Entscheidung mitgeteilt wurde.
Die Forscher stellen fest, dass im Regierungsgebäude schon einige Zeit vor diesem Zeitpunkt ein Aktivitätsanstieg zu bemerken war und führen das auf gerichtete Entscheidungsprozesse zurück.
Andere Forscher meinen, dass dieser Aktivitätsanstieg nur Schwankungen der üblichen Aktivität im geschäftigen Regierungsgebäude darstellen, wodurch beim Regierungsprecher der Eindruck entstand, es wäre eine Entscheidung gefallen und kurz darauf tatsächlich eine Handlung durchgeführt wurde.
Bei uns Menschen fühlt sich der Regierungssprecher meist nicht getrennt von der Regierung und hat daher das Gefühl, nicht nur die Entscheidungen zu vertreten, sondern auch zu treffen.
Die Kränkung, nicht von Vernunft und bewussten Überlegungen, sondern von Unbewussten Antrieben gesteuert zu sein, wird ja Sigmund Freud zugeschrieben.
Die ist eventuell schwerer zu verdauen, als die anderen beiden...
Die drei Kränkungen der Menschheit
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Julian Braun
Auf der anderen Seite fehlt sowieso die Klärung, was "Wille" an sich sein soll. Denn auch wenn du mich in Ketten legst, kann ich ja frei sein wollen :-)
Ja, deine Handlungsfreiheit ist durch die Ketten eingeschränkt.
Wollen ohne entsprechende Handlungsfreiheit => keine Handlung
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Julian Braun
D. h. Wille im Sinne von "ich möchte" kann ja kaum oder gar nicht eingeschränkt werden?
Wenn Du lange genug in Ketten liegst, erlahmt eventuell auch Dein Freiheitswillen.
Erlernte Hilflosigkeit
Oder ich lege Dich in goldene Ketten oder verändere die Äußeren Bedingungen, die zu Deinem Willen führen (siehe den Ansatz: Fluchtursachen (Gründe für das woanders sein wollen) in den Usrprungsländern bekämpfen, statt die Handlungsfreiheit von Geflüchteten, die nach Europa wollen, durch Zäune einzschränken).
Lobotomie war früher mal ein Ansatz mit unerwünschtem Willen oder Antrieben umzugehen, heute gibt es pharmakologische Lösungen.
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Julian Braun
P.S. Was sagst du zum Wochenende-Planungs-Gedankenspiel?
da müsste ich noch drüber nachdenken, nun "will" "ich" aber - extrinsisch motiviert- etwas anderes.