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Thema: Mathematische Modellierungen der Covid-19-Pandemie

  1. #1
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    Lightbulb Mathematische Modellierungen der Covid-19-Pandemie

    Ich hab ja diese Frage noch nicht beantwortet:

    Zitat Zitat von Alfons Heck Beitrag anzeigen
    Zitat Zitat von Pansapiens
    So was?

    Wir schätzen den Satz der Modellparameter θ={λi,ti,μ,D,σ,I0,fw,Φw} unter Verwendung der Bayes'schen Inferenz mit der Markov-Kette Monte-Carlo (MCMC). Der Parameter σ ist der Skalierungsfaktor für die Breite der Wahrscheinlichkeit P(Cˆt∣∣θ) zwischen Beobachtungsdaten und Modell (siehe unten). Unsere Implementierung stützt sich auf das Python-Paket PyMC3 (42) mit NUTS (No-U-Turn Sampling) (43) unter Verwendung mehrerer, unabhängiger Markov-Ketten.

    bestimmt...
    Danke das du reingeschaut hast. Wenn ich es richtig verstehe haben sie ein Model das eine Virusausbreitung beschreibt genommen und verschiedene Variable bewertet und das ganze dann mit den Ansteckungsdaten des RKI gefüttert. So grob richtig?
    Ja, das scheint mir grob richtig...
    Eine genauere Bewertung könnte noch etwas Zeit in Anspruch nehmen...
    Falls ich (oder jemand anders) dazu komme, scheint mir das in einem Extrathread besser aufgehoben, als in dem Schutzmaskenmangelthread, der teilweise ja schneller wächst, als ich lesen kann...
    Bis dahin kann man hier ja auch andere Modelle sammeln, die versuchen, die aktuelle Pandemie abzubilden.
    Als Anfang hier mal ein paar IMO interessante Simulationen eines Menschen, der gerne Videos dreht, in der er mathematische Sachverhalte visualisiert.
    Ausgehend vom SIR-Modell (wird ab 1:12 skizziert), auf dem auch die Betrachtung der Göttinger Wissenschaftler (oben) letztlich basiert, wird geschaut, wie sich unterschiedliche Reisetätigkeit, Isolation von Infizierten (mit unterschiedlicher Trefferquote) oder das Vorhandensein eines zentralen Ortes, wo viele hingehen.., auf den Verlauf so einer Epidemie auswirken kann:

    (deutsche Untertitel verfügbar)

    Geändert von Pansapiens (24-05-2020 um 16:28 Uhr)

  2. #2
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    Standard Exponentielles Wachstum - Reiskornparabel

    Zu meinem Erstaunen hat man ja der Präsident des RKI irgendwann erklärt, man hätte das exponentielle Wachstum, das zu Anfang einer Epidemie in den Modellen auftritt, unterschätzt.
    Und es scheint noch immer Leute zu geben, die das nicht verstanden haben.
    Mag sein, dass einem Menschen das intuitiv nicht zugänglich ist, aber dafür gibt es ja die Mathematik.
    Hier ein Video, in dem die Reiskornlegende (die von kanken auch irgendwo im anderen Thread in anderer Form gepostet wurde) erzählt wird und Beispiele für exponentielle Wachstumsprozesse in der Natur genannt.
    Es wird auch eine Frage beantwortet, die sich sicher jeder schon mal gestellt hat:
    Wie oft man ein 0,1mm dickes Blatt Papier theoretisch falten muss (also seine Dicke verdoppeln) damit es so dick ist, wie die Entfernung Erde-Mond bzw. Erde-Sonne.



    In Excel oder einem entsprechenden Tabellenkalkulationstool kann man das Schachbrettbeispiel ganz leicht nachrechnen, wenn man es nicht glaubt
    (gelb markierte Formeln eingeben und runterkopieren):



    Am Ende bräuchte man dann 18.446.744.073.709.551.615 Reiskörner. In Worten über 18 Trillionen.
    Bei einem Gewicht von 0,02g pro Reiskorn sind das über 368 Milliarden Tonnen Reis.
    Auf der Welt werden ca. 500 Millionen Tonnen Reis pro Jahr geerntet.
    Also würde man über 700 Jahre brauchen, um den Reis zu ernten, den man benötigte um den "bescheidenen" Wunsch des Schachbretterfinders zu erfüllen....

    Für die ersten 26 Felder braucht man vergleichsweise wenig, nur 226-1 = 67.108.863 Reiskörner



    wenn man nun vom Reis weggeht und wieder zu einer Epidemie, bei der sich nicht die Reiskörner verdoppeln, sondern die aktiv Infizierten (R0=2), dann wäre Deutschland bei ungebremsten exponentiellem Wachstum (das nur am Anfang näherungsweise stattfindet) nach 25 Schritten weitgehend komplett durchseucht.
    Bei 5 Tagen pro Schritt also nach 125 Tagen.

    Wenn man die Reiskörner von einem Feld aufs andere nicht verdoppelt, sondern verdreifacht (R0=3) schafft man die 64 Millionen schon nach 16 Schritten oder 80 Tagen.

    Angehängte Grafiken Angehängte Grafiken
    Geändert von Pansapiens (24-05-2020 um 16:09 Uhr)

  3. #3
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    Zitat Zitat von Pansapiens Beitrag anzeigen
    bei ungebremsten exponentiellem Wachstum (das nur am Anfang näherungsweise stattfindet)
    Hier ein Video, das auch schon von kanken vor längerer Zeit im anderen Thread gepostet wurde, bei dem nicht nur auf das exponentielle Wachstum am Anfang eingegangen wird, sondern auch auf die bremsende Wirkung der zunehmenden Durchseuchung, wenn ein Infizierter einfach auf weniger Infizierbare trifft (Immunität nach Infektion vorrausgesetzt):

    (deutsche Untertitel sind verfügbar)

    Geändert von Pansapiens (24-05-2020 um 16:26 Uhr)

  4. #4
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    Wer sich sein eigenes SIR oder SEIR-Modell basteln will, sich noch an Schulmathematik erinnern (oder wieder einlesen) kann sowie mit der Programmiersprache Python umgehen kann oder will, mag sich vielleicht folgendes Video anschauen:

    Mehr "Corona-Mathematik": Wie Epidemien modelliert werden

    In der Beschreibung des Videos wird auf das Jupyter-Notebook "Modeling and Control of a Campus Outbreak of Coronavirus COVID-19" hingewiesen, das man von github herunterladen und dann selbst mit herumspielen kann. Voraussetzung ist, man hat einen Computer und weiß, wie man Python und Python-Software installiert.

    Der im ersten Posting indirekt zitierte Artikel Inferring change points in the spread of COVID-19 reveals the effectiveness of interventions verwendet aber eine andere Modellierung.

  5. #5
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    Zitat Zitat von Aiki5O+ Beitrag anzeigen
    Wer sich sein eigenes SIR oder SEIR-Modell basteln will, sich noch an Schulmathematik erinnern (oder wieder einlesen) kann sowie mit der Programmiersprache Python umgehen kann oder will, mag sich vielleicht folgendes Video anschauen:

    Mehr "Corona-Mathematik": Wie Epidemien modelliert werden
    Danke.
    Das Video ist IMO auch sehr informativ, wenn man mit Python nix am Hut hat. Und die "richtige" Mathematik ab 28:50 ist ja optional ("wenn Sie Lust haben").



    Zitat Zitat von Aiki5O+ Beitrag anzeigen
    Der im ersten Posting indirekt zitierte Artikel Inferring change points in the spread of COVID-19 reveals the effectiveness of interventions verwendet aber eine andere Modellierung.
    In wie fern?
    Da geht es doch auch um das SIR-Modell und den gleichen Satz von Differentialgleichungen?

    Artikel:

    Einfaches Modell: SIR-Modell mit stationärer Ausbreitungsrate.
    Wir betrachten eine zeitdiskrete Version des Standard-SIR-Modells. Kurz gesagt, wir gehen davon aus, dass sich die Krankheit mit der Rate λ vom infizierten Bevölkerungskompartiment (I) zum anfälligen Kompartiment (S) ausbreitet und dass sich das infizierte Bevölkerungskompartiment mit der Rate μ erholt (R). Dieses gut etablierte Modell für die Ausbreitung der Krankheit kann durch den folgenden Satz (deterministischer) gewöhnlicher Differentialgleichungen beschrieben werden (siehe z.B. Refs (5, 6, 20)). Innerhalb einer Population der Größe N,

    Übersetzt mit www.DeepL.com/Translator (kostenlose Version)



    Video (12:42) (mit newtonscher Darstellung der Ableitung einer Größe nach der Zeit):


    mit λ/N=α und μ=β ist das doch das Gleiche?
    Freilich wird dann damit anders weiter gearbeitet.
    Während im Video aus der anfänglichen exponentiellen Näherung der als konstant angenommenen Proportionalitätsfaktor α abgeschätzt wird, geht es in dem Artikel darum, den Einfluss von der eingeführten Maßnahmen abzuschätzen, die sich im Modell durch eine veränderte Ausbreitungsrate λ (entsprechend α) ausdrückt.
    Oder meinst Du mit "andere Modellierung" dass in dem Artikel, die Ausbreitungsrate als zeitabhängig betrachtet wird, um die Interventionen zu berücksichtigen?
    Entgegen der Einschätzung von manchen waren nach Abgleich dieser Modellierung mit den Daten eben alle Maßnahmen notwendig, auch die Kontakteinschränkungen, um den aktuellen Stand zu erreichen:

    Wir kombinieren das SIR-Modell (und dessen Verallgemeinerungen) mit der Bayes'schen Parameter-Inferenz und erweitern das Modell um eine zeitabhängige Ausbreitungsrate. Die Zeitabhängigkeit wird über potentielle Änderungspunkte implementiert, die Änderungen in der Ausbreitungsrate widerspiegeln, die durch staatliche Eingriffe hervorgerufen werden. Auf der Grundlage von drei verschiedenen Maßnahmen, die in Deutschland ergriffen wurden, erkennen wir drei korrespondierende Änderungspunkte in den gemeldeten COVID-19-Fallzahlen. Bis zum 1. April 2020 haben wir für die ersten beiden Änderungspunkte Evidenz berichtet und den dritten vorhergesagt (30). Jetzt, mit Daten bis zum 21. April, haben wir Evidenz für alle drei Änderungspunkte. Zunächst ging die Ausbreitungsrate von 0,43 (mit 95% glaubwürdigem Intervall, CI [0,35,0,51]) auf 0,25 (CI [0,20,0,30]) zurück, wobei dieser Rückgang um den 7. März herum einsetzte (CI [3, 10]). Dies entspricht der Absage von großen öffentlichen Veranstaltungen wie Messen und Fußballspielen. Zweitens verringerte sich die Ausbreitungsrate weiter auf 0,15 (CI [0,12,0,20]), wobei dieser Rückgang um den 16. März begann (CI [14, 18]). Dies entspricht der Schließung von Schulen, Kinderbetreuungseinrichtungen und nicht benötigten Geschäften. Drittens ging die Ausbreitungsrate weiter auf 0,09 (KI [0,06,0,13]) zurück, was um den 24. März herum begann (KI [21, 26]). Dies entspricht dem strengen Kontaktverbot, das am 22. März angekündigt wurde. Während die ersten beiden Änderungspunkte nicht ausreichten, um eine Verschiebung von der Zunahme neuartiger Fälle hin zu einem Rückgang auszulösen, brachte der dritte Änderungspunkt diese entscheidende Wende.

    Übersetzt mit www.DeepL.com/Translator (kostenlose Version)

    Auch wenn die Zeitabhängigkeit der Ausbreitungsrate und anspruchsvollere statistische Betrachtungen noch dazu kommen, finde das von Dir gepostete Video sehr gut, um die Modellannahmen hinter dem Artikel zu verstehen und auch damit die Vereinfachungen gegenüber der Realität.
    Angehängte Grafiken Angehängte Grafiken
    Geändert von Pansapiens (25-05-2020 um 08:45 Uhr)

  6. #6
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    Standard

    Weil mir der Stil des Herrn Weitz gefällt, hier noch mal in seiner ausführlichen Darstellung, was exponentielles Wachstum ist und was das mit ansteckenden Krankheiten zu tun hat.
    Zitat:

    Der amerikanische Physiker Albert Allen Bartlett hat mal gesagt, dass die größte Unzulänglichkeit der menschlichen Rasse ihre Unfähigkeit sei, die Exponentialfunktion zu verstehen.

    Es wird auch auf die Auswirkung unterschiedlicher Reproduktionszahlen auf die Verläufe eingegangen und auf die Logistische Kurve (siehe Video in Beitrag #3), die man erhält, wenn man den bremsenden Einfluss einer eventuellen Immunität mit einbezieht und sich daraus ergebende von R0 abhängende Durchseuchungszahlen, um die Epidemie zu stoppen.
    Das Video richtet sich eher an die Allgemeinheit und vermeidet mathematische Details zugunsten von anschaulichen Beispielen und Grafiken.



    Jetzt wissen wir auch, warum der Reis alle war: der wurde im RKI gebraucht, um die Schachbrettlegende nachzustellen...
    Geändert von Pansapiens (25-05-2020 um 07:53 Uhr)

  7. #7
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    Zitat Zitat von Pansapiens Beitrag anzeigen
    Zitat Zitat von Aiki5O+ Beitrag anzeigen
    Der im ersten Posting indirekt zitierte Artikel Inferring change points in the spread of COVID-19 reveals the effectiveness of interventions verwendet aber eine andere Modellierung.
    In wie fern?
    Da geht es doch auch um das SIR-Modell und den gleichen Satz von Differentialgleichungen?
    Du hast recht. Das SIR-Modell und die damit verbundenen Differentialgleichungen sind die Grundlage für die Modellierung, die aber um eine Zeitabhängigkeit (wöchentliche Änderung der Parameter aufgrund von Interventionen) erweitert wird. Die Parameter des SIR-Modells werden mit relativ komplexen, statistischen Methoden auf Basis des tatsächlichen Verlaufs in Deutschland abgeschätzt. Das Gesamtmodell ist also wesentlich komplexer:

    Zitat Zitat von Aus dem Science-Artikel, Abschnitt 'Material and Methods'
    Als Grundlage für unsere Bayes'sche Inferenz und die Prognoseszenarien verwenden wir die Differentialgleichungen des etablierten SIR-Modells (Susceptible-Infected-Recovered). Wir testen die Robustheit unserer Ergebnisse auch mit ausgefeilteren Modellen, insbesondere mit einem SEIR-ähnlichen Modell, das explizit eine Inkubationszeit einbezieht (Abb. S3). Während die Dynamik des SIR-Modells im Allgemeinen gut verstanden wird, besteht hier unsere Hauptaufgabe darin, die Modellparameter speziell für den COVID-19-Ausbruch zu schätzen und sie für die Vorhersage zu verwenden. Zu diesem Zweck kombinierten wir einen Bayes'schen Ansatz - unter Einbeziehung des Vorwissens - mit einer Markov Chain Monte Carlo (MCMC)-Stichprobe, um die posteriore Verteilung der Parameter zu berechnen und daraus Stichproben für die Vorhersage zu ziehen. Vereinfacht ausgedrückt, schätzen wir zunächst die Parameterverteilung, die die beobachtete Situation am besten beschreibt, und dann verwenden wir viele Stichproben aus dieser Parameterverteilung, um die Modellgleichungen zu entwickeln und so zukünftige Entwicklungen vorherzusagen.

    Übersetzt mit www.DeepL.com/Translator (kostenlose Version)
    Man kann jetzt noch diskutieren, ob das Wort "andere" angemessen war.

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