Ich muss mich entschuldigen, der Herbst hat für mich ziemlich verrückt begonnen – Semesterstart, Umstellung auf Liveübertragung bzw. reine Online-Lehre, Anfragen von allen Seiten, ein Umzug in einen anderen Kanton, Anmeldungen, Abmeldungen, Corona-Präventionsschulungen… und darüber hat sich meine Rezension so sehr verzögert, dass es mir schon fast peinlich ist. Hier ist sie jedenfalls, ich hoffe, ich kann die Verzögerung zumindest teilweise wettmachen:

Rezension Christoph Delp, Beweglichkeit durch Dehnen, Faszienmassage und Mobility-Training: Schmerzfrei und leistungsstark in Sport und Alltag (Pietsch-Verlag 2020)
Vorab: Dem Rezensenten wurde vom Autor über den Verlag ein kostenloses Rezensionsexemplar übermittelt, was die Rezension aber nicht beeinflussen soll.
Mit “Beweglichkeit durch Dehnen, Faszienmassage und Mobility-Training: Schmerzfrei und leistungsstark in Sport und Alltag“ liegt ein neuer Titel aus der Feder von Christoph Delp vor. Im Gegensatz zu mehreren seiner früheren Werke (etwa «Dehnen für Kampfsportler») ist es nicht direkt an die Kampfsport-Gemeinde adressiert, auch wenn die Inhalte für diese dennoch von Interesse sein dürften. Es geht zwar weniger um konkrete spezifisch kämpferische Anwendungen (z.B. Beweglichkeit für high kicks oder zur Vermeidung von Submissions), jedoch sehr umfassend um Beweglichkeit an sich. Bereits im ersten Satz des Buchs bezeichnet der Autor Beweglichkeit nicht als Selbstzweck, sondern als Mittel, um «leistungsfähig und schmerzfrei» zu sein, Körperwahrnehmung, Haltung, Regeneration und Heilungsfähigkeit zu verbessern und Verletzungsanfälligkeit und Gelenksverschleiss zu minimieren, sodass nicht nur die Relevanz für Leistungssportler*innen, sondern auch der Alltagsbezug für praktisch jede*n Normalverbraucher*in klar sein dürfte. Beweglichkeit wird konkret als Bewegungskontrolle über den vollen, schmerzfreien (!) Bewegungsumfang bezeichnet, meint somit also eher aktive als passive Dehnbarkeit.
Ebenfalls auf den ersten Seiten trifft der Autor eine erste Unterscheidung zwischen den Teildisziplinen oder Herangehensweisen, die in dem Buch behandelt werden: Dehnen, Mobility und Faszienmassage. Wer mit dem Thema Fazienmassage nicht viel anfangen kann, dem wird erläutert, dass elastische Faszien (Bindegewebe) für die Leistungsfähigkeit vorteilhaft ist und regelmässige «Pflege» der Muskeln (gegenüber dem «Aufbau» bzw. «Training» von Muskeln) erforderlich sein kann, um durch Fehlbelastungen etc. z.T. schmerzhaft verklebte und verfilzte Faszien wieder zu lösen (S. 8). Yoga wird nicht einzeln aufgeführt, da es der Autor als eine schwer zuordenbare, da von Schule zu Schule stark variierende Schnittmenge von Dehnen und Mobility (man könnte noch ergänzen: philosophischen, spirituellen, personenbezogenen und gruppendynamischen Aspekten) ist.
In weiterer Folge (S. 17) werden die verwendeten Trainingsmittel vorgestellt und auch die Anschaffungskosten derselben aufgeschlüsselt. Diese reichen von klassisch (Matte, Rolle, Ball, Stretchband) über exotisch (z.B. Nuat-Massagestab) bis hin zu innovativ (z.B. der «Twister», ein Gerät, dessen Entwicklung ich wohl verschlafen habe und dem ich noch nie in freier Wildbahn begegnet bin). Praktischerweise werden z. T. auch improvisierte low-tech Alternativen wie Kochlöffel vorgeschlagen, was gerade den Einstieg erleichtern kann.
Der erste grössere Abschnitt im Buch ist die Faszienmassage bzw. das Faszienrollen (S. 22-75). Zunächst wird auf den bekannten, aber häufig unterschätzten Aspekt der Verbindung von verklebten Faszien und Stress bzw. einseitiger Belastung hingewiesen. Der Autor listet eine Reihe von Trainingsmethoden, und grundlegenden Herangehensweisen auf und empfiehlt grundsätzlich langsames Rollen (1-2 cm pro Atemzug) bei Verklebungen, jedoch schnelles Rollen zum Aufwärmen und zur Staffung (S. 26, 32-37). Im Fall von (chronischen) Schmerzen werden eigenständige Einheiten zur Behandlung derselben vorgeschlagen, inkl. Behandlung der Triggerpunkte, wobei in schweren Fällen nahegelegt wird, sich hierbei im Zweifelsfall professionelle Hilfe zu holen, um Triggerpunkte nachhaltig verschwinden zu lassen. Auf den Seiten 38-75 folgt eine Reihe von Anwendungsbeispielen zum Rollen sortiert nach betroffenen Körperregionen.
Der nächste Abschnitt (S. 76-141) befasst sich mit Mobility-Training, also der Verbesserung des aktiven, schmerzfreien Bewegungsumfangs. Zu Beginn wird erneut darauf hingewiesen, dass es sich dabei um ein wertvolles Instrument handelt, um die typischen, aus der primär sitzenden modernen Lebensführung resultierenden Folgeerscheinungen, z.T. auch akuten Probleme und Schmerzen zu lindern. Neben generelle Empfehlungen bzw. Richtlinien zum Mobility-Training (S. 82-85) gibt es auch Einbauvorschläge in den Tagesablauf, darunter auch die Kombinationsmöglichkeit mit Grundübungen, was eine Art Mini-Workout ergibt (S. 81). Auf den Seiten 86-141 folgen Beispiele für Mobility-Übungen, wobei die Grenzen zu klassischem Training gelegentlich auch verschwimmen können, insbesondere bei Aktivierungsübungen, die eine verbesserte aktive Ansprache von vernachlässigten Muskelgruppen bewirken sollen.
Auf den Seiten 142- 199 folgt der Abschnitt zum Dehnen, wobei zwischen «Andehnen» im Kontext des Aufwärmens und «Ausdehnen» im Zuge des Abwärmens unterschieden wird. Bei ersterem empfiehlt der Autor aus seiner persönlichen Erfahrung Dehnzeiten von max. 10 Sekunden zur Aktivierung, bei letzterem bzw. bei spezifischen Dehneinheiten kann die Dehnung bis zu 5 Minuten am Stück gehalten werden, wie im Unterkapitel zu den Dehnmethoden (S. 146-149) näher erläutert wird. Auch hier gibt es Einbau-Vorschläge und Dosierungsempfehlungen (S. 145-146) und allgemeine Empfehlungen bzw. Richtlinien (150-151). Es folgen wie gewohnt Beispielübungen (S. 152-199), z.T. altbekannt und klassisch, z.T. clevere Varianten, u.a. unter Einsatz von Kleingeräten.
Den Abschluss des Buches bilden ab S. 200 die Workout-Vorschläge, wobei idealerweise 10-20 Minuten pro Tag (entweder in Kombination mit einer anderen Trainingseinheit oder separat) empfohlen werden. Natürlich kann man auch bereits mit weniger Aufwand Fortschritte erzielen, wenn auch nicht im gleichen Maβe. Die Workouts sind auf je einer Doppelseite sehr übersichtlich vorgestellt und im Thumbnail-Format praktisch illustriert, was den Wiedererkennungswert der Übungen erhöht und ein Blättern nach dem Motto «was war das noch mal?» evtl. vermeiden kann. Ebenfalls inkludiert sind Dosierungsvorschläge. Die Trainingseinheiten sind nach Zielsetzung sortiert und können entweder genauso durchgeführt werden oder aber die Grundlage zu Erstellung eigener, noch spezifischer Programme bilden.
Das Buch hat ein handliches Format, das auch gut in der Trainingstasche Platz findet, ist logisch aufgebaut, gut strukturiert und reich bebildert. Die Models für die Abbildungen hat der Verlag mit Blick auf die Zielgruppe m.E. gut gewählt – sie wirken fit genug, um als Ansporn zu fungieren, aber gleichzeitig «natürlich» und «erreichbar» genug, um nicht abschreckend zu wirken (ein Thema, auf das ich bei anderen Publikationen insbesondere von Hobbysportlerinnen mehrfach hingewiesen wurde). Ein lustiges Detail am Rande, das mir zufällig aufgefallen ist: das weibliche Covermodel lächelt auf praktisch jedem Foto, während das männliche Covermodel auf allen bis auf zwei Fotos (bzw. einem, das doppelt abgedruckt ist und es auch aufs Cover geschafft hat) ernst bis verkniffen guckt; nur in dem einem Shot ist eine Art schiefes Grinsen zu sehen. Was uns das sagt – keine Ahnung.
In Summe bietet das Buch einen umfassenden Einstieg in die Thematik, der keinen Vergleich zu scheuen braucht und vermutlich für 99% der diesbezüglichen Bedürfnisse mehr als ausreichend ist. Die Übungen sind meines Erachtens gut gewählt und präsentiert, auch wenn bestimmte sehr spezifische Dehnungen (gerade für den Kampfsportbereich) aussen vor gelassen wurden; diese können aber z.T. in den anderen Werken des Autors nachgelesen werden. Ich für meinen Teil werde das Buch sicher noch des Öfteren zur Hand nehmen – als junger Sportler hatte ich mit Mobilität nie Probleme (auch aufgrund einer hohen Dehnbarkeit von Haus aus), mit fortschreitendem Sportleralter und akkumulierenden Verletzungen ist es aber ein Aspekt, dem ich vermehrt Aufmerksamkeit schenken muss. Ich bin daher der Meinung, dass Mobilitätstraining auch bei jüngeren Sportlern präventiv Vorteile hat und die Karriere verlängern kann.
Folglich fällt es mir auch verhältnismässig schwer, Verbesserungen vorzuschlagen, nachdem diese fast zwangsläufig den Umfang des Buches erhöhen würden. Sicher wäre es möglich, in die eine oder andere Richtung noch mehr in die Tiefe zu gehen, aber damit würde das handliche Buch wohl zu einer Enzyklopädie anwachsen, oder aber auf mehrere spezifische Titel aufgeteilt werden, die vermutlich nicht die gleiche Zielgruppe ansprechen würden. Als Einstieg ist das Werk in der vorliegenden Form aus meiner Sicht sehr gelungen, und ich würde nicht zögern, es als solchen uneingeschränkt weiterzuempfehlen.

Beste Grüsse
Period.