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Wenn aktuell ein Titel zum Online-Training herauskommt, dann könnte der Verdacht aufkommen, das hier jemand versucht an der Covid-19-Krise ein wenig zu verdienen. Aber tatsächlich kommt die Frage des Infektionsschutzes in diesem Buch überhaupt nicht vor.

Seitdem es Möglichkeiten gibt Informationen langfristig zu notieren haben Menschen wohl auch über das Kämpfen geschrieben. Dabei ist das Aufschreiben und Illustrieren von Kampftechniken und Partnerübungen schon immer ein modellhaftes, didaktisch reduziertes, zweidimensionales Abbilden einer komplexen, dynamischen und dreidimensionalen Realität gewesen, was zwangsläufig mit Bezug auf das Lernen defizitär gewesen ist. In der Regel sollten solche Niederschriften auch eher als Erinnerungsstützen dienen - oder als eine Art Werbeflyer bzw. als Prestigeprojekt um Patronage zu bekommen. Später fügten Video und DVD die Stimme des Trainers hinzu und bestimmte Momente der Dynamik. Aber es ist immer noch eine Einbahnstraße des Lernens, zweidimensional und lediglich audiovisuell.

Das Internet bietet jetzt neben Videoplattformen, die die Funktion von Videos und DVDs übernommen haben, direkte Rückfragen ermöglichen und wenig technikaffinen Praktikern einfachere Möglichkeiten Inhalte zu veröffentlichen, auch noch interaktive Plattformen, bei denen der Trainer zumindest teilweise sehen kann, was seine Schüler tun hm sie dann direkt zu korrigieren.

Aber man kann so natürlich kein Sparring oder Abstandskontrolltraining machen, keine Pad-Drills mit direkter Reaktionskontrolle oder Würfe oder Bodenkampf. Außerdem stellt Online-Training ganz eigene Ansprüche an die Selbstdisziplin der Trainierenden.

Diese und weiter Vorzüge und Nachteile des Distanzlernens - die nicht nur die Kampfkünste betreffen - zeigen die Autorin und der Autor akribisch auf, gehen auf Scharlatanerie in der Szene ein, 'reality-based systems', Satire und wie sich die Kampfkünste und ihr Unterrichten im letzten halben Jahrhundert entwickelt haben - und eventuell noch entwickeln werden - und wie man idealerweise daran geht, eine Internetpräsenz für sein Dojo oder seinen Wuguan zu entwerfen.

Interessant, informativ und mit einer Menge weiterführendem Material in der kommentierten Bibliographie. Die Explosion an interaktive Online-Angeboten in der Covid-Epidemie bringt hierzu noch eine Menge zusätzliches Material, das sich nach Lektüre dieses Buchs sicher leichter einschätzen lässt. Und gibt vielleicht Material für eine erweiterte zweite Auflage. Für Orientierungssuchende und Dojo- bzw. Wuguan-Inhaber auf jeden Fall empfehlenswert.

K.-G. Beck-Ewerhardy(Eigenzitat aus amazon.de