Juristisch gesehen ist das absoluter Kokolores...
Gibt haufenweise entsprechende Rechtsprechung dazu z.B. aus dem Bereich HIV. Der Betroffene muss wissen (und nicht nur die theoretische Möglichkeit in Betracht ziehen), dass er infiziert ist, dann muss es eine konkrete Handlung wie z.B. ungeschützten Geschlechtsverkehr geben und der Betroffene muss „billigend in Kauf nehmen" (und selbst hier wird das nicht mehr automatisch vorausgesetzt - die "Motivation" spielt eine Rolle) dass es zu eine Infektion kommt.
Runtergebrochen auf die App:
Eine Warnung ist kein "Wissen" das man infiziert ist, es ist lediglich ein Hinweis das man "BT-Kontakt" zu jemandem hatte der positiv getestet wurde. Ob tatsächlich ein echtes Infektionsrisiko bestand (ggf. war der BT-Kontakt ja durch eine Scheibe) lässt sich daraus nicht ableiten. Ich könnte ebenso einen solchen Kontakt gehabt haben - nur eben ohne die App. Würde man in der Richtung weiter argumentieren würde man zu dem Ergebnis kommen, dass jeder der sich in der Öffentlichkeit bewegt und sich nicht alle 2 / 4 / 6 / 8 Tage testen lässt ja "fahrlässig" agieren würde, da theoretisch die Möglichkeit einer Ansteckung bestanden hätte.
Hier wäre also schon das Thema zu Ende.
Des Weiteren:
Die App Daten sind ja anonym - wie will man also gerichtsfest beweisen, dass genau diese Person X eine Warnmeldung auf dem Handy bekommen hatte und das die eigene Infektion dann tatsächlich auch genau von dieser Person stammt?
Zumal die Nutzung der App ja auch rein freiwillig ist - allein die Nichtnutzung stellt daher mit Sicherheit kein strafrechtlich relevantes "fahrlässiges" handeln dar.
Im Rahmen des (klassischen) Tracings kann man dann am Ende der Kette vielleicht feststellen, dass zunächst der Vater, dann die Mutter und dann die Kinder betroffen waren.
Ob diese sich ggf. aber nicht (zufällig) den Virus dann auch noch woanders eingefangen haben kann man nicht feststellen.
Anders als bei der HIV Thematik mag es vielleicht bestimmte Wahrscheinlichkeiten geben - aber für eine strafrechtlich relevante KV reicht ein "Person X könnte mich angesteckt haben..." nicht aus. Die Konstellationen in denen jemand innerhalb 14 Tagen ausschließlich Kontakt zu genau einer Person gehabt hat - graue Theorie.
Also ein weiterer Show-Stopper für etwaige juristische Verfolgung.
Jetzt ignorieren wir das einfach alles mal und unterstellen, dass es so ein Fall tatsächlich mal vor Gericht schaffen würde. Als potentiell Angeklagter brauche ich zunächst nur die Behauptung aufstellen, dass ich mich habe testen lassen und das Ergebnis sei negativ gewesen. Negative Tests sind lediglich nichtnamentlich zu melden - da soll dann mal einer nachweisen, dass man sich gar nicht hat testen lassen. Theoretisch vielleicht möglich - praktisch wohl eher nicht. Und Nein, nicht ich als Angeklagter muss beweisen, dass ich einen negativen Test hatte, sondern man müsste mir nachweisen, dass ich mich nicht habe testen lassen - "In dubio pro reo!".
Mittlerweile kann man die unterschiedlichsten Tests auch über das Netz für zu Hause ordern - wenn ich jetzt sage ich hatte so einen Test und der war negativ - Dokumentation darüber gibt es nicht (mehr) - dann wäre auch bei der extensivsten Auslegung des Fahrlässigkeitsbegriffs hier nichts mehr zu holen.
"It's not the size of the dog in the fight, it's the size of the fight in the dog." M. Twain
"Whoever said one person can’t change the world never ate an undercooked bat..."