...DÄ: Was hat Sie an dem neuen Coronavirus SARS-CoV-2 überrascht?
Tobias Welte: Am Anfang haben wir SARS-CoV-2 mit dem Influenzavirus gleichgesetzt. Aber es ist ganz anders als die Grippe, die vor allem das Atemwegsepithel befällt. Der Influenzaerreger zerstört das Atemwegsepithel, verursacht eine Bronchitis, eine Alveolitis und einen Zusammenbruch der epithelialen Barriere.
SARS-CoV-2 dagegen attackiert zwar primär ebenfalls die Atemwegsepithelien, schädigt sie aber nur sehr gering, streut dann in die Blutbahn aus und befällt dann – und das haben wir noch von keinem anderen Erreger gesehen – die Endothelzellen der Blut*gefäße.
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Einer der Gründe, weshalb wir glauben, dass die COVID-19-Sterblichkeit zurückgegangen ist – im Vergleich zu März/April – ist, dass wir durch die Maskenpflicht weniger Virus übertragen und dass die Erkrankten insgesamt eine geringere Viruslast haben als das noch im Frühjahr der Fall war.
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Viele Betroffene bleiben weit über die Zeit der eigentlichen Viruserkrankung hinaus symptomatisch. Sie können bleibende Organschäden davontragen, vor allem fibrosierende Lungenerkrankungen, aber auch persistierende myokardiale Entzündungen sind beschrieben worden.
Viel häufiger als die Organmanifestation ist jedoch das Fatiguesyndrom, das neben einem allgemeinen Krankheitsgefühl mit Mattigkeit, Antriebslosigkeit, schneller Erchöpfung und mangelnder Belastbarkeit auch neurokognitive Störungen wie vermehrte Vergesslichkeit und Konzentrationsstörungen umfasst.
Das Post-COVID-Syndrom ist ungewöhnlich. In dem Ausmaß, wie das bei COVID-19 der Fall ist, haben wir das noch bei keinem Virus gesehen. Besonders ist hier auch, dass das nicht nur die schwer kranken Patienten betrifft, sondern auch relativ leicht kranke und jüngere Patienten. ...