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Corona-Mutationen: Entkommt das Virus jetzt der Impfung?
... Denn bindet das Virus besonders schnell und besonders fest an Zellen, haben Antikörper weniger Zeit, es abzufangen, selbst wenn sie eigentlich gut passen. "Momentan", sagt Björn Meyer, virologischer Postdoc am Institut Pasteur in Paris, "ist das die große Frage: Inwiefern überlappen die erhöhte Bindungsfähigkeit und der Immunescape?", also die Fähigkeit des Virus, dem Zugriff des Immunsystems zu entgehen. Klar sei, sagt Meyer, dass dabei nicht einzelne Mutationen den Ausschlag geben. ...
Vielmehr kommt es auf eine Kombination mehrerer Mutationen an. Vor allem bei B.1.351 und P.1 (also den Varianten aus Südafrika und Brasilien) ist das Virus in dem Bereich des Stachelproteins, mit dem es an die menschlichen Zellen bindet, stark verändert. Gut möglich, dass das eine Art evolutionäre Anpassung daran ist, dass das Sars-CoV-2 immer wieder auf Menschen traf, deren Immunsystem es schon kannte und daher abwehren konnte. Tatsächlich tauchten die beiden Virusvarianten in Regionen auf, die von der ersten Welle schwer getroffen wurden: B.1.351 in der Region um Kapstadt in Südafrika, wo sich im Frühjahr und Sommer 2020 Schätzungen zufolge 40 Prozent der Menschen angesteckt hatten (zum Beispiel MedRxiv: Tegally et al., 2020) und im brasilianischen Manaus, wo es bis zu 75 Prozent gewesen sein könnten (Science: Buss et al., 2020). ... .
Für die Ausweichbewegungen des Virus sind aber vermutlich nicht allein die Mutationen in der Bindungsregion des inzwischen so berühmten Stachelproteins verantwortlich.
Es ist also komplex. Und aus einer durch die Mutationen veränderten Gensequenz vorherzusagen, ob Impfstoffe künftig nicht mehr oder nur noch schlechter schützen, ist nahezu unmöglich. Daher müssen Laborversuche und epidemiologische Daten Klarheit bringen. Zumindest was die Labordaten angeht, hat sich in den vergangenen Tagen und Wochen viel getan. Der Impfstoffforscher Florian Krammer von der Icahn School of Medicine in New York hat die wichtigsten Ergebnisse in einem lesenswerten Twitter-Beitrag zusammengefasst.
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Wirken die bisherigen Impfstoffe also auch gegen die anderen Mutationen? Danach sieht es momentan tatsächlich aus: Untersucht haben das die Hersteller der Impfstoffe, also BioNTech, Pfizer und Moderna selbst. Sie brachten im Labor die Antikörper von Geimpften mit Pseudoviren zusammen, die einmal das nicht mutierte Stachelprotein und einmal das von B.1.1.7 auf der Oberfläche trugen. Das Ergebnis: Die Antikörper wirkten (BioRxiv: Muik et al., 2021 und BioRxiv: Wu et al., 2021). Aus all dem könne man eindeutige Schlüsse ziehen, schreibt Krammer. "Es sieht nicht so aus, als ob B.1.1.7 einen signifikanten Einfluss auf die durch die Impfung hervorgerufene Immunität haben wird."
Etwas anders ist die Lage bei Corona-Variante B.1.351, die in Südafrika entdeckt wurde und von der erste Fälle auch schon in Deutschland bekannt sind. Auch diese Variante hat diverse Änderungen in ihrem Erbgut. Vor allem eine Mutation an Position 484 des genetischen Codes des Corona-Stachelproteins macht Forschern Sorgen. So gab es schon Anfang Januar deutliche Hinweise darauf, dass verschiedene Antikörper Viren mit dieser Mutation nicht mehr so gut erkennen und unschädlich machen können (BioRxiv: Greaney et al., 2021).
Besteht also nun Grund zur Sorge? BioNTech und Pfizer werten ihre Resultate so, dass ihr mRNA-Impfstoff vermutlich sowohl gegen die britische als auch gegen die südafrikanische Variante weiterhin wirksam ist. Und Hersteller Moderna beeilte sich zu versichern, dass seine Ergebnisse keinesfalls bedeuten, dass Geimpfte der Variante B.1.351 – und damit wohl auch P.1 – schutzlos ausgeliefert wären. Zwar ging die Menge der neutralisierenden Antikörper im Labor deutlich zurück, trotzdem blieben noch genug, um von einem Schutz auszugehen. "Nach einer Impfung hat man nicht nur eine Art neutralisierender Antikörper, sondern einen ganzen bunten Strauß", sagt Virologe Friedemann Weber. "Und nur weil die Neutralisierung nicht mehr ganz so gut ist, ist man nicht gleich ungeschützt."
So sieht es auch der Virologe Florian Krammer. Vor allem, was die mRNA-Impfstoffe von Moderna und BioNTech/Pfizer angeht, hat er keine allzu großen Bedenken. Sie sorgten für so hohe Blutspiegel von Antikörpern, dass sie auch vor den neu aufgetauchten Varianten gut schützen müssten. "Meiner Meinung nach", schreibt Krammer auf Twitter, "kommt es schlimmstenfalls dazu, dass die Wirksamkeit der Impfungen ein wenig leidet." Selbst eine zehnfache Verminderung der neutralisierenden Aktivität wäre seiner Einschätzung nach noch kein Problem. Im besten Falle hätten die Mutationen sogar "kaum einen Effekt".
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