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Thema: Aikido - Kampf

  1. #361
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    Zitat Zitat von carstenm Beitrag anzeigen
    ...

    Ich bitte Menschen, die herausfinden möchten, "was ich so drauf habe", sich auf ein "normales" Training einzulassen. Und versuche ihnen dann ihn diesem Rahmen die Möglichkeit zu geben, ihre Stärken einsetzen zu können um zu erleben, welche Antworten das Üben bei uns darauf hat. In aller Regel gibt es danach keinen Bedarf mehr nach einem Test in einem freien Rahmen...
    Sehr schön! Das ist durchaus vergleichbar mit dem, was bei uns z.B. Taryû-jiai Geiko genannt wird.
    Hokushin Ittô-ryû Hyôhô - Shibu Schweiz
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  2. #362
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    Zitat Zitat von Tantal Beitrag anzeigen
    ...
    Also zusammengefasst ist jedem Japaner klar, dass es natürlich mehr Inhalte gibt, als man die erste Zeit zu Gesicht bekommt?
    Wohingegen das einem Westler nicht zwangsläufig klar ist. Schließt du daraus, dass es dann im Westen Aufgabe des Trainers ist, jedem Anfänger das Ziel der Aiki-Entwicklung und mit welchen Methoden es erreichbar ist nahe zu bringen?...
    Falls ich hier mal darauf antworten darf:

    Ob das nun "jedem" Japaner "klar" ist, kann ich nicht sagen, würde es so kategorisch aber verneinen.
    Aber sicher haben die meisten Japaner eine leise Ahnung davon, dass da jeweils noch mehr dahinter steckt.
    Carsten hat es ja bereits erwähnt: Die Konzepte von Omote/Ura und Soto/Uchi haben ja primär nichts mit Kampfkunst zu tun, sondern sind ganz einfach Bestandteil der Kultur und vieler kultureller Aktivitäten (egal ob das nun Handwerk, Theater, Malerei, Poesie etc. ist).

    Aber man muss ja nicht bis nach Japan gehen, um solche oder ähnlich gelagerte Konzepte zu finden. Das gibts bzw. gabs auch hier im Westen.
    Ich denke, der Unterschied zum Westen ist jedoch, dass diese Methoden in Japan einfach grossflächig institutionalisiert sind und somit viel mehr Menschen damit in Berührung kommen oder zumindest davon gehört haben.

    Vor einigen Jahren habe ich genau zu diesen Konzepten mal einen Artikel verfasst: https://schwertgedanken.com/2017/03/...natur-des-ura/ (man möge mir das posten des Links verzeihen ).
    Geändert von ryoma (25-11-2020 um 15:15 Uhr)
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  3. #363
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    Zitat Zitat von carstenm Beitrag anzeigen
    Im aikidô besteht das, "was alles noch so kommt " nicht so sehr in neuen Formen oder Tricks oder geheimen Techniken. Sowas gibts schon auch irgendwie, aber das ist - nach meiner Auffassung - nicht das eigentliche Geheimnis. Sondern das, was es im aikidô in besonderer Weise zu lernen gibt, ist - wie oben schon mehrmals angeklungen - die Frage, wie man im eigenen Körper aiki ausbildet. Was das ist und wie man das übt.
    Obwohl das aber eben in keiner Weise eine "offizielle" Lehrmeinung ist, weder des Hombu Dojo noch des Doshu, auch nicht des 2. Doshu.
    Ueshiba selbst hat viel von Aiki gesprochen, aber tatsächlich auch keine Lehrmethode zur Ausbildung von Aiki hinterlassen.
    Das "ura" im Aikido ist also individuell unterschiedlich, und nicht wirklich tradiert. Es gibt Lehrer die ihre eigene Methode unterrichten, das ist wohl wahr, aber es ist eben nicht "das ura" des Aikido.
    Ein japanischer Shihan den ich gefragt habe, ob es Ura Inhalte im Aikido gibt sagte wortwörtlich: "Es gibt im Aikido kein verstecktes Zeug."
    Seiner Meinung nach muss das jeder für sich selbst herausfinden.

  4. #364
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    Zitat Zitat von ryoma Beitrag anzeigen
    Vor einigen Jahren habe ich genau zu diesen Konzepten mal einen Artikel verfasst: https://schwertgedanken.com/2017/03/...natur-des-ura/ (man möge mir das posten des Links verzeihen ).
    Danke dir für die Antwort. Den Artikel hatte ich damals schon gelesen, aber anscheinend nicht tief genug verinnerlicht, da er für mein Üben auch keine praktische Relevanz hat. Hab bei Carstens Antwort aber dann auch direkt an den Artikel denken müssen^^
    Noli turbare circulos meos

  5. #365
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    Zitat Zitat von ryoma Beitrag anzeigen
    Sehr schön! Das ist durchaus vergleichbar mit dem, was bei uns z.B. Taryû-jiai Geiko genannt wird.
    Taryû-jiai beinhaltet doch aber so etwas wie eine Herausforderung, und dann eine Art Kampf, und findet nicht innerhalb des "normalen" Kata-Übens statt?

  6. #366
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    Zitat Zitat von Inryoku Beitrag anzeigen
    Taryû-jiai beinhaltet doch aber so etwas wie eine Herausforderung, und dann eine Art Kampf, und findet nicht innerhalb des "normalen" Kata-Übens statt?
    Ich habe ja deswegen nicht von Taryû-jiai gesprochen, sondern von Taryû-jiai Geiko.

    Ein Taryû-jiai Geiko beinhaltet eben einen normalen Trainingsbesuch mit absolvieren des Trainings der dann, falls gewünscht, mit einem Shiai abgeschlossen werden kann. Dies ist dann kein offizielles Taryû-jiai in Anwesenheit eines Kenbunyaku (Inspektor), sondern gilt als Keiko (Übung) ohne offizielles Resultat.

    Ich habe ja Carstens Praxis nicht mit unserem Taryû-jiai Geiko gleichgesetzt, aber bemerkt, dass es vergleichbare Aspekte enthält.
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  7. #367
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    Zitat Zitat von ryoma Beitrag anzeigen

    Ich habe ja Carstens Praxis nicht mit unserem Taryû-jiai Geiko gleichgesetzt, aber bemerkt, dass es vergleichbare Aspekte enthält.
    Ok, aber Shiai ist doch als eine Art Wettkampf zu verstehen, der dann nach dem normalen Training stattfindet?

    Ich meine, Wettkampf in der Form gibt's beim Aikido ja nicht. Aber ich kenne das schon, dass Leute Anfragen an die Funktionalität bestimmter Techniken oder Bewegungen haben. Wie gesagt, ich weiß nicht ob das vergleichbar ist. Zunächst sage ich auch immer, mach doch erst mal mit, dann gucken wir mal ob es das richtige für dich ist.

    Eigentlich bei neuen Leuten ist es fast immer ein bisschen so, die wollen ja testen ob man was kann, meistens erst mit den Trainingspartnern, und wenn die dann überfordert sind weil sie selbst noch nicht besonders weit sind, komme ich dann als Lehrer ins Spiel.

    Gibt natürlich auch andere Situationen, wenn z.B. jemand meint, es dann doch besser zu wissen, dann sagt man halt ok, komm doch mal. Ich denke, Carsten meint das ähnlich.
    Geändert von Gast (25-11-2020 um 21:13 Uhr)

  8. #368
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    Sorry, dann war das missverständlich.
    Natürlich meine ich in unserem Fall keine Anfänger bzw. Neulinge.

    Und Shiai im eigentlichen Sinne ist nicht ein Wettkampf nach modernen Massstäben.
    Hokushin Ittô-ryû Hyôhô - Shibu Schweiz
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  9. #369
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    Zitat Zitat von carstenm Beitrag anzeigen

    Davon abgesehen:
    Ellis gebraucht ja nun in dem Podcast die von dir zitierte Aussage von Tomiki sensei gerade als Folie, um dann in den unmittelbar folgenden Sätzen die bekannte Geschichte davon abzuheben, in der nidai dôshu die übrigen Schüler wegschickt, um dann bestimmten Schülern etwas zu zeigen, das er nicht öffentlich unterrichtet. Und damit zu belegen, daß nidai dôshu durchaus martiale Aspekte von seinem Vater gelernt hat, die in dem öffentlichen Unterricht und auch in dem Bild, das er gemeinhin von aikidô in der Öffentlichkeit vermittelt, nicht vorkommen.

    Interessant, dass der 2. Doshu in der Öffentlichkeit diesen Eindruck hervorgerufen hat.
    Ich meine, man hat doch bei seinen Demonstrationen gesehen, wie er mit hochrangigen Danträgern auf der Matte umgesprungen ist. Das sah zwar immer so leicht und mühelos aus, und alle dachten natürlich es war fake, aber das war wirklich ein sehr hohes Level. Und ich war dabei, wie er Aiki demonstrierte. Ich war damals etwas ratlos, weil ich da noch absolut nicht einordnen konnte, was ich gesehen hatte. Selbst Dan meinte ja, das er nie davon gehört hätte das Kishomaru irgendwas drauf gehabt hätte in der Richtung, und ich wäre der erste der ihm sowas erzählt hätte.
    Tja, und Tomiki konnnte das wohl auch, nur hat er keinen Sinn darin gesehen, und vielleicht war es ja beim 2. Doshu genauso. Das Zeug passte nicht in die moderne Zeit, und deswegen wurde es nicht unterrichtet.
    Geändert von Gast (26-11-2020 um 15:00 Uhr)

  10. #370
    carstenm Gast

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    Zitat Zitat von Inryoku Beitrag anzeigen
    ... Ich denke, Carsten meint das ähnlich.
    Zitat Zitat von ryoma Beitrag anzeigen
    Ich habe ja Carstens Praxis nicht mit unserem Taryû-jiai Geiko gleichgesetzt, aber bemerkt, dass es vergleichbare Aspekte enthält.
    Ich meine etwas - aus meiner Sicht - vollkommen Unspektakuläres. Nämlich, daß innerhalb des durch die kata vorgegebenen Rahmens jede und jeder Übende den Raum hat, diesen Rahmen so zu füllen, wie er oder sie das möchte. Und wenn ich weiß, daß jemand gerne herausfinden möchte, ob das, was wir üben für ihn oder sie interessant ist, dann versuche ich, diesen Rahmen so anzupassen, daß das möglichst gut gelingen kann.

    Das sind bisher Fortgeschrittene anderer aikidô-Richtungen gewesen, die für sich herausfinden wollten, ob unser Üben ihnen etwas geben kann oder eher nicht. Also z.B. Vertreter der Iwama ryû, die es in unser Städtchen verschlagen hat. Oder des Yoshinkai. Die mußten für sich prüfen, ob unser weiches Üben ihren Ansprüchen an Funktionalität und "Kräftigkeit" genügen konnte. Konkret also, ob sie bewegt werden können wenn sie sich so verhalten, wie sie es aus ihrem bisherigen Üben gewohnt sind und sich nicht in irgendeiner Weise an unsere Art des Übens anpassen. Und auch ob die (entsprechend fortgeschrittenen) uke ihre gewohnte Ausführung der Arbeit an den Gelenken aushalten können.
    Genauso gab es auch Fortgeschrittene anderer KKe oder budô. Die erleben wollten, ob sie ihr bisheriges Üben "verleugnen" müssen, wenn sie bei uns trainieren. Ein karateka fragt sich dann z.B. ob bzw. wie wir mit seinem tsuki umgehen. Oder ein Taekwondoin, ist interessiert an der Antwort auf seine Fußangriffe.

    Ich habe es bisher so erlebt, daß fortgeschrittene Übende aufgrund ihrer Erfahrung die gegenseitigen Fähigkeiten recht gut wahrnehmen und einschätzen können. So daß eine echte "Abfrage" der jeweiligen Qualitäten möglich ist.
    Geändert von carstenm (26-11-2020 um 20:21 Uhr)

  11. #371
    carstenm Gast

    Standard

    Zitat Zitat von Inryoku Beitrag anzeigen
    Interessant, dass der 2. Doshu in der Öffentlichkeit diesen Eindruck hervorgerufen hat.
    Ich meine, man hat doch bei seinen Demonstrationen gesehen, wie er mit hochrangigen Danträgern auf der Matte umgesprungen ist. Das sah zwar immer so leicht und mühelos aus, und alle dachten natürlich es war fake, aber das war wirklich ein sehr hohes Level. Und ich war dabei, wie er Aiki demonstrierte. Ich war damals etwas ratlos, weil ich da noch absolut nicht einordnen konnte, was ich gesehen hatte. Selbst Dan meinte ja, das er nie davon gehört hätte das Kishomaru irgendwas drauf gehabt hätte in der Richtung, und ich wäre der erste der ihm sowas erzählt hätte.
    Tja, und Tomiki konnnte das wohl auch, nur hat er keinen Sinn darin gesehen, und vielleicht war es ja beim 2. Doshu genauso. Das Zeug passte nicht in die moderne Zeit, und deswegen wurde es nicht unterrichtet.
    In der Tat sind die Erfahrungen mit den 2. dôshu offenbar sehr unterschiedlich. Dans Meinung ist mir geläufig. Und ich habe es ähnlich auch von anderen gehört. Und dann gibt es aber eben auch Aussagen, wie deine und auch andere haben so etwas berichtet. Mir ist auch sehr deutlich z.B. die Hochachtung, die Christian Tisisier in dieser Hinsicht vor ihm hat(te).

    Ich habe Ueshiba Kisshomaru leider nie erlebt. Aber ich denke inzwischen, daß es da den Eindruck gibt, den er als dôshu ganz bewußt gestaltet hat und der Öffentlichkeit präsentiert hat. Und dann das, was er vielleicht für sich geübt hat.
    Ueshiba Moriteru betont das ja, daß das, was er unterrichtet, nicht das ist, was er für sich selber übt. Vielleicht war das bei seinem Vater genauso?

  12. #372
    Gast Gast

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    Zitat Zitat von carstenm Beitrag anzeigen
    .
    Ueshiba Moriteru betont das ja, daß das, was er unterrichtet, nicht das ist, was er für sich selber übt. Vielleicht war das bei seinem Vater genauso?
    Möglich, aber wenn er nicht auch das geübt hätte was er gezeigt hat, hätte er es nicht so gut gekonnt.
    Das sehe ich beim 3. Doshu etwas anders.

  13. #373
    carstenm Gast

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    Ergänzend noch:
    Zitat Zitat von Tantal Beitrag anzeigen
    Das klingt für mich schon ziemlich frei, wenn ich es denn richtig verstanden habe
    Frei - innerhalb des Rahmens, der durch die jeweilige kata vorgegeben ist. Auch das ist ausgesprochen unspektakulär. Sondern ist ja im - nach meinem Verständnis - gerade der Sinn des Übens: Den Angreifer im ganzen zu betreffen, so daß er eben nicht blockieren können kann, nicht mit der freien Hand oder Fuß angreifen kann, das Gleichgewicht nicht wiederfinden kann undsoweiter ...

    ... und immer wieder auch frei innerhalb des Rahmens, der durch aikidô vorgegeben ist. Das heißt, auch wenn die Angriffe frei sind und keine Technik vogegeben ist, ist das immer noch etwas völlig anderes als ein freier Kampf. Und ebenfalls ganz unspektakulär.

    Langer Rede ... kurzer Sinn:

    In unserem Üben kann man definitv nicht kämpfen lernen. Weder das mindset, noch den Rhythmus den das braucht. Man kann den Umgang mit Angst lernen. Und in geringem Maße auch den Umgang mit Schmerz. Aber man lernt nicht das, was ich für mich "das Spiel" nenne.
    Zitat Zitat von ryoma Beitrag anzeigen
    Ich habe ja Carstens Praxis nicht mit unserem Taryû-jiai Geiko gleichgesetzt, aber bemerkt, dass es vergleichbare Aspekte enthält.
    Ich denke das ist denn doch ein ganz wesentlicher Unterschied zu taryû jiai geiko, wo es ja unter anderem auch gerade darum geht, "das Spiel" spielen zu lernen und zu üben.

    Aber nach meiner Erfahrung kann jemand, der das hat, was Kämpfen ausmacht, in unserem Üben durchaus erleben, ob das, was im aikidô technisch geübt wird - damit meine ich den Aufbau der eigenen Körperstruktur, die Art des Kontaktes zum Gegner und die Art und Weise die Köperstruktur des Gegners zu betreffen und dergleichen, ich meine nicht die mit Namen versehenen unterschiedlichen waza - "ernsthafte" Antworten geben oder Möglichkeiten bieten kann/könnte auch im Kontext von Kämpfen.
    Geändert von carstenm (27-11-2020 um 06:29 Uhr)

  14. #374
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    Aus ernsthaftem Interesse mal eine Frage an dich carsten: Wieso trainiert man unterschiedliche waza, atemi etc, redet von Angreifer und verwendet alle diese Begriffe aus einem martialischen Kontext, wenn es keinem in deiner Gruppe überhaupt um kämpfen geht? Würdest du das trotzdem als zielführendste Methode für deine Belange ansehen und wenn ja warum? ich kann mir persönlich nicht vorstellen, dass das die effizienteste Methode ist, daher würde mich da mal deine Ansicht interessieren.
    Noli turbare circulos meos

  15. #375
    carstenm Gast

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    Zitat Zitat von Tantal Beitrag anzeigen
    Aus ernsthaftem Interesse mal eine Frage an dich carsten: Wieso trainiert man unterschiedliche waza, atemi etc, redet von Angreifer und verwendet alle diese Begriffe aus einem martialischen Kontext, wenn es keinem in deiner Gruppe überhaupt um kämpfen geht? Würdest du das trotzdem als zielführendste Methode für deine Belange ansehen und wenn ja warum? ich kann mir persönlich nicht vorstellen, dass das die effizienteste Methode ist, daher würde mich da mal deine Ansicht interessieren.
    Ich kann ja erstmal nur für mich selber sprechen.
    Ich habe einmal begonnen, aikidô zu üben, um in bestimmten beruflichen Situationen in der Kommunikation bleiben zu können und nicht aus Angst vor körperlicher Gewalt den Platz verlassen zu müssen. Mir wurde aikidô damals als "defensive Kampfkunst" und "Kampfkunst ohne Gewalt" angepriesen. Das schien also zu meinem Job und zu meinem Naturell zu passen.
    Für mich hat dieses Konzept tatsächlich funktioniert. Ich hatte das Glück, einen recht "robusten" Lehrer zu finden. Und dessen Lehrer, ein Franzose und sehr warmherziger, großherziger Mensch, war noch deutlich robuster. Vorsichtig formuliert. Und erfahren, was körperliche Auseinandersetzungen anbelangt.
    Ich habe damals definitiv nicht kämpfen gerlent. Aber ich habe sehr wohl gelernt, mich wirkungsvoll zu verteidigen. Und mein Ziel, in den Situationen bleiben zu können, auch wenn sie körperlich bedrohlich werden, zu 100% erreicht.

    Mein damaliger Lehrer hat dann immer mehr Interesse daran bekommen, sich mit anderen KKen/KSen auszutauschen und auch tatsächlich Kämpfen zu üben. Wir haben zunächst Crossover-Lehrgänge besucht. Haben da in den freien Einheit am Sparring teilgenommen. Und ich habe sowohl die Erfahrung gemacht, daß andere auch nur mit Wasser kochen. Und daß das, was wir damals geübt haben, sich nicht verstecken mußte.
    In dieser Phase habe ich gelernt, daß mein wesentliches Problem eine Angst ist, die nicht (mehr?) entsteht in beruflichen Situationen, also etwa wenn mir ein komplett dekompensierter Berg von Mensch gegenüberstand. Oder der kaltaggressive "Arbeitgeber einer Sexualarbeiterin". Die aber sofort massiv da ist, in einem Sparring mit Schutzausrüstung, kompetentem Partner und kontrolliertem Setting.

    Also: Sobald es nicht allein um Verteidigung geht, in einem Kontext, der sich aus dem Leben einfach ergibt, sondern wenn es um Kämpfen geht, also einen Kontext, in den ich mich aus irgendeinem Grund "künstlich" hineinbegebe, ist das Thema, an dem ich arbeiten muß, meine Angst. Der technische Aspekt war, was das anbetrifft, in meinem Fall sekundär.

    Das Training meines damaligen Lehrers hat sich dann stark verändert. Nahezu jede Situation hat mit dem durch die kata definierten Angriff und der ersten, ebenfalls vorgegebenen Verteidigung begonnen ... und hat sich dann in freie Auseinandersetzung entwickelt, zuallermeist bis in den Bodenkampf. So haben wir über einen längeren Zeitraum trainiert ...
    ... und das war aus meiner Sicht vollkommen sinnfrei: Technisch haben wir nichts dazu gelernt, weil das aikidô, das er unterrichten konnte, für diese Situationen nichts bereithält. An meinem Mindset konnte ich nicht arbeiten, weil klar was das Schläge - sofern möglich ;-) - vor dem Gesicht oder Genital anhalten. Es gab also weder Angst, an der ich hätte arbeiten können. Noch Aggresion, die ich hätte üben können. Null Adrenalin.
    Und es war kontraproduktiv, weil wir an demwas im aikidô eigentlich zu üben wäre, auf diese Weise nicht arbeiten konnten.
    Und es war kontraproduktiv, weil die Verletzungen, die durch dieses Üben entstanden sind, teilweise sehr nachhaltig waren - ich und auch einige andere haben bis heute damit zu tun - ohne aber irgendetwas "nützliches" dafür einzutauschen.

    So habe ich die etwa zehn ersten Jahre geübt. Dann habe ich - aus unterschiedlichen Gründen - meinen Lehrer gewechselt und übe seitdem sehr gewinnbringend und auch menschlich beglückend bei dem immer gleichen Lehrer.

    Der Aspekt, bei auch in körperlichen Konflikten bei sich selbst bleiben zu können, enthält nach meiner Erfahrung die martialen Aspekte durchaus. Ich habe etliche Jahre in einer großen Einrichtung "Techniken zur Deeskalation Körperlicher Aggression" unterrichtet. Heute würde man das unter "Selbstschutz und Eigensicherung" verbuchen. Wie schütze ich mich wirkungsvoll, wenn ich im Kontext meiner Arbeit von einem Bewohner/Patienten körperlich angegriffen werden. Diese Situationen erfordern ein komplett anderes Mindset, als Kämpfen. Aber sie erfordern gleichwohl effektive Technik.

    Versteht man aikidô als ein Üben der eigenen inneren körperlichen Aspekte (=aiki) führt das im Laufe der Jahre immer mehr auch zu einer Arbeit an der eigenen Persönlichkeit. Und schließlich - und so ordne ich mein eigenes Üben derzeit ein - zu einem Üben spiritueller Aspekte. Dazu braucht es aber einen Partner, der in einer Übungssituation einen körperlichen Konflikt (=> "atemi etc, redet von Angreifer und verwendet alle diese Begriffe aus einem martialischen Kontext ...") authentisch herstellen kann. Im optimalen Falle übe ich mich mit einem ernsthaften, körperlichen Angriff auseinander zu setzen. Und umgekehrt, ich versuche in meiner Rolle als Angreifer meinen Partner tatsächlich unter Druck zu setzen. Und wenn es mir gelingt auch, ihm oder ihr Angst zu machen. Damit mein Partner sich an dieser Situation entwickeln kann.

    Das heißt:
    Die martialen Aspekte sind da. Und diejenigen, mit denen ich übe, möchten definitiv damit arbeiten. Aber sie haben nicht die Funktion, kämpfen zu lernen. Sondern werden benutzt, um authentisch - auch körperlich authentisch - und auch in körperlichen Konflikten authentisch "Ich" sagen zu lernen. (Oder späterhin zu lernen, dieses "Ich" loszulassen ... aber das ist ein nächstes Thema ...)

    Pardon, ich bin etwas ins Schwafeln geraten und auch ausgefranst ... kein Ausknopf ... Bekommst du trotzdem eine Idee zu deiner Frage ?

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