Den Beruf mache ich in Zeiten des Lehrermangels niemandem schmackhaft, indem ich ihn möglichst unattraktiv gestalte. Das Gegenteil muss der Fall sein.
Und wenn die Probleme ganz klar im Elternhaus und bei der Erziehung zu erkennen sind, dann spreche ich nichts bei Behörden an, sondern bei den Verantwortlichen selbst. Den Eltern nämlich. Dass du den Erziehungsauftrag und die ihnen daraus erwachsende Verantwortung, die Eltern qua Gesetz haben, negierst, wird die Problem nicht lösen.
Probleme löst man nur, wenn man sie erkennt und benennt, klar beschreibt und dann zielorientiert angeht. Und nicht wenn man sie leugnet und deren Existenz abstreitet.
Ich weiß, dass viele Eltern das nicht gerne hören, wenn man ihnen in die Erziehung "reinredet". Schule und Lehrer müssen es aber letztlich ausbaden. Von daher bleibt uns auch nichts anderes übrig.
Für Gymnasien mag das so zutreffen, für andere Schulformen häufig nicht bzw. immer weniger.
Kopfnoten gibt es, die sind aber nicht versetzungsrelevant und beeinflussen den Notenschnitt auf dem Zeugnis auch nicht.
Für Schüler die sich ohnehin kaum für ihre Noten interessieren, sind die ziemlich belanglos.
Was in deiner Nachhilfe Individualbetreuung sicher super funktioniert. In einer Schulklasse mit 25 Schülern, wenn nicht alle zumindest auf einem ähnlichen Leistungs- und Entwicklungsstand sind, schwerlich bis kaum.
Würde mich wundern, wenn das in der Schule so sein sollte.
Jeder Mathelehrer den ich kenne übt regelmäßig. Was immer häufiger wird, dass Schüler keine Hausaufgaben machen, weil sie die nicht als Übungsphase, sondern als "Strafe" und Eingriff in ihre Freizeit verstehen.
Aber vielleicht solltest du den Ball mal an die Elternhäuser zurückspielen. Ein Verständnis für Fleiß und Anstrengungsbereitschaft sollte da genauso entwickelt werden.
Aha. Gut, du kommst aus der Mathematik. Ich lass das mal so stehen.
Das ist Unsinn. Warum soll es "grausam" sein, Kindern Aufmerksamkeit abzufordern? Und die mangelnde Motorik hat meistens damit zu tun, dass die Kids zuhause nur vor'm Fernseher, Computer oder Handy rumhängen. Eltern können mit ihren Kindern auch gemeinsam was unternehmen oder sie in Vereinen vorstellen und ihnen Sport schmackhaft machen. Es ist völlig albern, eine mangelnde motorische Entwicklung auf die paar Stunden Schule am Tag zurückzuführen und den Rest des Alltages auszublenden.
Achso, aber im Beruf später können sie dann lange sitzen und konzentriert arbeiten? Wie von Zauberhand?
Es ist für ein normal entwickeltes Kind kein Problem, eine gute halbe Stunde am Stück ruhig zu sitzen und aufmerksam zu sein. Die Länge einer Unterrichtsstunde kommt ja nicht von ungefähr.
Dabei ist Unterricht ja auch phasiert und nach max. 45 Min. gibt's eine Pause.
Das muss ich mich nicht fragen, das weiß ich. Du augenscheinlich nicht. Macht nichts.
Was aber oft nicht am Lehrplan liegt, sondern an der psychischen Entwicklung der Kinder. Wie gesagt, problematisch wird es, wenn du in Klasse 8 neben normalentwickelten Kindern Schüler mit der psychische Reife eines Fünftklässlers sitzen hast. Dazu vielleicht noch Kinder mit sonstigen Lern- und Entwicklungsstörungen. Stichwort "Inklusion".
Wie das in Grundschulen ist weiß ich nicht. Da fehlen mir die Einblicke.
An weiterführenden Schulen wird sehr wohl auswendig gelernt. In allen Fächern.
Das ist zumindest der Anspruch. Ob die Kinder es machen, oder lieber mit einer schlechten Note leben, steht wieder auf einem anderen Blatt.
Lust- und Interessenbezogen, ja. Wenn irgendwann Computerspiele interessanter werden als zuhause vor'm Hefter zu sitzen und zu pauken, kommt die Psyche in's Spiel. Eine normalentwickelte Psyche bildet Frustrationstoleranz und Weitsichtigkeit aus. Und kann abwägen, ob es jetzt doch besser wäre was für die Schule zu machen, weil ich sonst Probleme kriege. Kinder mit rückständiger psychischer Reife können das nicht überblicken und sind auch nicht in der Lage, den kurzfristigen Lustgewinn für einen langfristigen Nutzen zurückzustellen. Man kann sich vorstellen, was das für das Arbeitsleben später bedeutet, wenn man nicht zeitnah gegensteuert.
Eine mangelnde psychische Reife lässt sich etwa bis in die 20er Lebensjahre noch nachholen. Je älter man ist, desto schwieriger natürlich. Danach ist Schicht im Schacht.
Teils teils. Für die Betreuung, die viele Kinder heute benötigen, sind 20+ Klassen einfach zu groß. So individuell, wie ich teilweise auf die Kinder eingehen müsste, sollte 20 der maximale Teiler sein. An Gymnasien. An Grund- und Regelschulen vielleicht sogar noch weniger.
Was du dir unter ungünstigem Lernmitteleinsatz vorstellst, weiß ich nicht. Ich bestimme selber, was ich wie einsetze. Und wenn ich was als ungünstig oder der Lernsituation unangemessen empfinde, nutze ich es halt nicht.
Die ganze Bürokratie machen ich außerhalb des Unterrichtes, also außer mal am Anfang der Stunde Zettel einsammeln oder Unterschriften kontrollieren oder sowas. Da kriegen die Schüler eigentlich nicht viel mit und ich versuche auch so wenig Lernzeit wie möglich im Unterricht für irgendwelchen Orgakram draufgehen zu lassen.
Manche didaktische Theorien erweisen sich als Irrwege, da gebe ich dir recht. Schule ist da leider auch häufig Experimentierfeld auf dem Rücken der Kinder.
Pauschalisieren kann man das dennoch nicht. Du hast ja auch immer noch den Lehrer, der ad hoc entscheidet und interveniert wenn was gar nicht geht. Mir hat mal ein Kinderpsychiater gesagt, er sei dankbar, dass von dem was alles so an Unis und in Bildungsministerien fabriziert und in die Lehrpläne reingequetscht würde, nur ein Bruchteil wirklich eins zu eins von den Lehrern vor Ort umgesetzt wird
Ok. In der Schule ist das Alltag und das tägliche Brot, dass du Schüler in der Klasse vor dir sitzen hast, die gerade absolut keinen Bock auf dich und dein Fach haben. Und auch mit denen muss ich arbeiten, und auch die sollten im Optimalfall am Ende der Stunde etwas vernünftiges aus dem Unterricht mitnehmen.
Das ist der Unterschied zwischen Schulstunde und Nachhilfe. Zu dir kommen die Kinder mehr oder weniger freiwillig, und die Eltern bezahlen dafür. Haben also auch ein Interesse, dass sich das ganze am Ende "lohnt". Ich kann mir meine Schüler nicht aussuchen und kann auch niemanden wegschicken, der sich als unwillig und unmotiviert erweist. Will ich auch gar nicht.
Man sollte das nur verstehen, wenn man Lehrern gute Ratschläge gibt.
Das ist in der Schule so üblich, weil ein Großteil des späteren Lebens so ist. Wenn du völlig interessenbezogen leben und arbeiten kannst, Glückwunsch. Viele können das nicht. Und müssen im Alltag trotzdem funktionieren.
Des Weiteren kennen Schüler ja mögliche Interessen gar nicht, weil sie den Weitblick nicht haben. Ich muss sie also auch mal zwingen, sich mit neuen Bereichen auseinander zu setzen, damit sie überhaupt erstmal kennenlernen, wo ihre Interessen liegen (könnten).
Der Vorwurf des "Vorurteils" bezog sich nicht auf die Defizite, sondern auf die Ursachen, die du dafür verantwortlich machen willst.
Kinder wollen sich von sich aus Kulturtechniken erschließen. Beim Sprechen und Gehen ist das nur erstmal besser möglich, als beim schreiben. Da brauche ich mehr Hilfe und Anleitung, und alles hat natürlich seine altersbedingte Zeit.
Die Lernprozesse sind aber dieselben. Lernen kann ich aber nur, wenn die Psyche dafür bereit ist. Wenn, wie du schreibst "Entwicklungsschritte" vollzogen sind. Im Idealfall heißt das, wenn ich mit 6/7 Jahren in die Schule komme, bin ich nicht nur auf dem Papier im Schulfähigen Alter. Abläufe und Strukturen erkennen, die Bedeutung eines fremden Erwachsenen als "Lehrer" einschätzen zu können, es auszuhalten, ruhig, konzentriert und aufmerksam zu sein, das alles sind Leistungen einer entwickelten Psyche. Wenn diese Entwicklung nicht stattgefunden hat, brauche ich mit lesen und schreiben gar nicht erst anfangen. Da gebe ich dir recht.
Das ist erstmal eine Behauptung, die du belegen müsstest.
Und es wäre mir neu, dass in der Schule in großem Stil Dinge verlangt werden, die offensichtlich nicht altersgerecht sind.
Das ist wieder so eine haltlose Unterstellung.
Die Theorie gibt mir das Handwerkszeug zum arbeiten.
Wissen über die Entwicklung der kindlichen Psyche hilft mir z.B. das Verhalten der Kinder richtig einschätzen zu können und Probleme anzugehen.
Nochmal. Schule oder Unterricht können nicht die Versäumnisse des Elternhauses kompensieren.
Das würde klappen, wenn wir die Kinder in Internate stecken, oder zumindest flächendeckend in Ganztagsschulen bis in den späten Nachmittag hinein betreuen würden. Tun wir aber nicht.
Deshalb bleibt es Wunschdenken und Augenwischerei zu glauben, Schule könne soziale Schieflagen unserer Gesellschaft beheben. Diese Argumentation dient nach meinem Dafürhalten hauptsächlich dazu, die eigene Verantwortung abzudelegieren. Und zwar sowohl von Politik, als auch von Eltern.