...Sander:...
BioNTech und Pfizer... . Zwischen dem und dem von Moderna sehe ich aber – einmal abgesehen von den Lagerungstemperaturen – kaum einen Unterschied. Was die Wirksamkeit betrifft, sind beide gleichauf, ebenso bei Sicherheit und Verträglichkeit. Beides sind, nach allem, was wir bisher wissen, hervorragende Impfstoffe, die sehr gut wirken. Sie verhindern sehr effektiv symptomatische Infektionen und wahrscheinlich auch schwere Verläufe. Und beide kann man jedem uneingeschränkt empfehlen. Was die weiteren Impfstoffe betrifft, muss man noch ein paar mehr Daten abwarten, noch ist in Deutschland kein weiterer zugelassen. Grundsätzlich aber würde ich mich mit jedem hier zugelassenen Impfstoff ohne Bedenken impfen lassen.
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Sander:
Ich beobachte die mRNA-Technologie, etwa den Tollwutimpfstoff-Kandidaten von CureVac, schon eine ganze Weile. mRNA-Impfstoffe scheinen das Immunsystem ähnlich zu stimulieren wie Lebendimpfstoffe, die meist ein Leben lang schützen. Und ich habe damit gerechnet, dass eines Tages sehr wirksame mRNA-Impfstoffe auf den Markt kommen. Aber weil bisher noch kein solcher Impfstoff für den Menschen zugelassen wurde, gab es keinen Vergleichswert. Und am Ende war ich überrascht, wie gut die Technik bei Sars-CoV-2 funktioniert.
ZEIT ONLINE: Um eine Herdenimmunität erreichen zu können, müssten die Impfstoffe davor schützen, dass sich geimpfte Menschen infizieren und das Virus weitergeben können. Rechnen Sie damit?
Sander: Von dem Gedanken einer solchen sterilen Immunität müssen wir uns wohl verabschieden. Auch wenn uns dazu noch belastbare Daten fehlen, gehe ich davon aus, dass auch Geimpfte für kurze Zeit wieder als Wirt für das Virus dienen können. Es geht also nicht um eine wirkliche Herdenimmunität, bei der Geimpfte auch die Ungeimpften schützen, wie wir das von den Masern kennen. Bei Covid-19 wird wohl eher der individuelle Schutz durch die Impfung entscheidend sein.
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ZEIT ONLINE: Gerade wird viel über neue Virusvarianten diskutiert, die eine Reihe von Mutationen beherbergen.
Machen Sie sich Sorgen, dass einige dieser Mutationen die Wirksamkeit von Impfstoffen mindern könnten?
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Sander: ...
Aktuell nicht. Die bisherigen Daten zeigen, dass Antikörper weiterhin Viren neutralisieren, die die Mutation an Stelle 501 im Stachelprotein haben, wie etwa die britische und die südafrikanische Variante. Etwas anders könnte es bei der Mutation an Stelle 484 sein, die ebenfalls bei der südafrikanischen Variante zu finden ist sowie bei der, die in Brasilien entdeckt wurde....
Gerade die mRNA- und mit etwas Einschränkung auch die Vektorimpfstoffe, zu denen der von AstraZeneca gehört, der bald in der EU zugelassen werden dürfte, lassen sich relativ schnell anpassen. BioNTech gibt an, binnen sechs Wochen einen neuen Impfstoff zur Verfügung stellen zu können.
ZEIT ONLINE: Sprechen wir über eine Frage, die viele Menschen besorgt:
Welche Nebenwirkungen können die Impfstoffe haben?
Sander:
Die bisher zugelassenen Impfstoffe sind sehr gut verträglich. Man muss sich aber darauf einstellen, dass sie relativ reaktogen sind, also Impfreaktionen auslösen können: zum Beispiel Schmerzen und eine Schwellung an der Einstichstelle, ein, zwei Tage Fieber oder Abgeschlagenheit. Dabei handelt es sich streng genommen aber nicht um Nebenwirkungen, sondern um eine Hauptwirkung: Die Impfstoffe regen das Immunsystem an, das Botenstoffe ausschüttet, die wiederum diese Reaktionen verursachen. Das tritt bei mRNA-Impfungen nach bisherigen Daten häufiger auf als bei bisherigen Impfstoffen. Die Reaktionen sind aber mild oder moderat. Man ist nicht stark eingeschränkt oder wird in der Regel nicht wirklich krank. Sie treten etwas häufiger bei jüngeren als bei älteren Menschen auf, weil Jüngere ein aktiveres Immunsystem haben.
ZEIT ONLINE: Und abgesehen von Impfreaktionen?
Sander:
Es gibt bisher keine Hinweise darauf, dass die Impfung zu einer Häufung von schweren Krankheiten oder gar Todesfällen führt. In den Phase-3-Studien wurden mehrere Zehntausend Menschen geimpft und es trat kein einziges solches "Sicherheitssignal" auf. In der Impfstoffgruppe der BioNTech-Studie kam es bei vier Personen zu einer Lähmung eines Gesichtsnervs, die sich aber zurückbildete. Diese Lähmungen kamen damit aber nicht häufiger vor als in der Gesamtbevölkerung, weswegen es fraglich ist, ob es überhaupt etwas mit der Impfung zu tun hat.
ZEIT ONLINE:
Und sehr seltene Nebenwirkungen?
Sander:
Die Zulassungsstudien waren sehr groß, aber Nebenwirkungen, die nur bei weniger als einer von 10.000 Impfungen auftreten, konnten sie natürlich trotzdem nicht erfassen. Es ist eine Herausforderung, solche Nebenwirkungen zu erkennen, gerade wenn sie zusätzlich mit einem großen Abstand zur Impfung auftreten. In Deutschland ist das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) dafür verantwortlich, Meldungen über mögliche Impfkomplikationen zu sammeln, und Ärzte und Hersteller sind verpflichtet, solche Dinge zu melden. Es gibt sogar eine Smartphone-App, mit der Geimpfte Auskunft darüber geben können, wie sie die Impfung vertragen haben. Alle Meldungen werden sehr gewissenhaft geprüft, das System funktioniert gut. Und natürlich werden die Studienteilnehmer weiter nachverfolgt – auch nachdem die Impfstoffe zugelassen sind.
ZEIT ONLINE: Genau darum dreht sich eine häufig geäußerte Sorge:
Kann die Impfung Langzeitfolgen haben?
Sander:
Das ist theoretisch möglich, aber sehr unwahrscheinlich. Erst einmal ist es wichtig zu verstehen, dass der Impfstoff wieder aus dem Körper verschwindet. Er reichert sich nicht an, wie manche Medikamente, die dadurch noch nach Jahren zu Krankheiten führen können. Wenn nach Impfungen Nebenwirkungen auftreten, erwartet man sie in der Regel innerhalb von Tagen oder Wochen. Dafür kennen wir im Grunde nur einen möglichen Mechanismus: Bei einer Impfung prägt sich das Immunsystem Teile des Erregers ein. In sehr seltenen Fällen kann das dazu führen, dass das Immunsystem fälschlicherweise körpereigene Strukturen als fremd erkennt und sich dagegen richtet. Als Beispiel wird oft die Schweinegrippe-Impfung Pandemrix genannt, nach der es einen Anstieg von Narkolepsie-Fällen bei Kindern und Jugendlichen gab. Das ist eine neurologische Krankheit, bei der Betroffene unter plötzlichen Schlafattacken leiden, die sie nicht kontrollieren können. Auch diese Krankheit trat aber nicht erst Jahre nach der Impfung auf, es brauchte nur Zeit, um die Häufung von Fällen festzustellen. Bisher gibt es bei der Covid-19-Impfung aber keinerlei Hinweise auf solche oder ähnliche Phänomene. Überhaupt sind sie bei Impfungen extrem selten
ZEIT ONLINE: Es gibt in den USA den Fall eines Arztes, der 16 Tage nach der ersten Dosis des BioNTech-Impfstoffs an einer seltenen Blutkrankheit starb. Sein Immunsystem richtete sich gegen die körpereigenen Blutplättchen. Nun wird untersucht, ob es einen Zusammenhang zur Impfung gibt. Wäre das aus Ihrer Sicht plausibel?
Sander: Wenn Millionen Menschen geimpft werden, wird es immer wieder Todesfälle im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung geben. Sogut wie nie dürfte die Impfung die Ursache sein. Die Krankheit, an der der Arzt starb, fällt in die Gruppe der Autoimmun-Phänomene, von denen ich gerade sprach. Sie sind noch nicht gut verstanden. Sie können durch ein Medikament, durch eine Infektion oder in seltenen Fällen auch durch eine Impfung entstehen. Im Fall des Arztes könnte der zeitliche Abstand nahelegen, dass die Krankheit durch die Impfung ausgelöst wurde. Das wird nun geprüft. Falls es einen Zusammenhang gibt, muss das transparent kommuniziert werden – und natürlich muss untersucht werden, ob es künftig weitere solcher Fälle gibt. Im Moment spricht aber nichts dafür.
ZEIT ONLINE: Auch wenn solche sehr seltenen Ereignisse nie ganz auszuschließen sind, könnten sie das Vertrauen in den Impfstoff verringern. Schließlich wäre in dem Fall ein vorher gesunder Mann gestorben.
Sander: Daher gibt es für Impfstoffe ja auch viel strengere Kriterien als für Medikamente.
Der Nutzen muss viel größer sein als das potenzielle Risiko. Und diese Abwägung ist deutlich auf der Seite des Impfstoffs, wenn man sich anschaut, welche katastrophalen Folgen Covid-19 auch für jüngere Infizierte haben kann. Selbst, wenn der Fall des Arztes wirklich auf die Impfung zurückgehen würde, wäre das ein Fall unter jetzt schon vielen Millionen Geimpften. Dazu kommt, dass man solche Komplikationen wie diese im Normalfall medizinisch gut behandeln kann, und die Patienten überleben.
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