Die Quelle, auf die sich diese Aussage bezieht, ist das Pol’sche Hausbuch (Pol Hausbuch (MS 3227a) aus dem 15. Jh. und zwar genau auf diese Stelle:
D|Er/ do wil lernen Ringen / |der sal czu dem ersten / merken vnd wissen das dy pñcipia / |vor · noch · Rischeit kunheit list vnd klugheit / etc| dy gehören och czu deme Ringen / |Vnd wisse das alle höbischeit kompt von deme ringe~ |vnd alle fechte~ kome~ ursachlich vnd gru~tlich vom ringe~ / |Czum erste~ das fechte~ mit dem lange~ messer / aus dem ku~pt das fechten mt dem sw°te / etc
(Transkription: Dierk Hagedorn, Quelle
https://www.wiktenauer.com/wiki/Pol_...27a)/86r_-_89r )
Nun könnte man das in unterschiedliche Richtungen diskutieren. Zuerst mal müsste man festhalten, dass die Waffengattungen, auf die sich das Hausbuch bezieht, folgende sind: 1. Langes Messer (ungerüstet) 2. Langes Schwert (gerüstet) 3. Kurzschwert (gerüstet) 4. Dolch (im Gambeson oder gerüstet) 5. Halbe Stange
Damit fällt der Florettvergleich schon mal flach, weil das wesentlich später kommt. Sehen wir uns stattdessen die anderen an: Langes Messer wird zum Ringen, wenn nicht der erste Schlag die Entscheidung bringt und eine Bindung zu Stande kommt; alle gerüsteten Fechtformen werden zum Ringen, wenn man nicht einen «lucky Stich» im Halbschwert oder einen «lucky strike» im Mordschlag setzen kann. Und der Dolch wird in den mittelalterlichen Quellen fechterisch ohnehin mehrheitlich als Ringhilfe eingesetzt. Die Stange wird z.T. als generelles Trainingsmittel beschrieben; ist sie z.B. ein Mordaxt-Simulator (siehe Talhoffer 1467), dann ist das Technikrepertoire wieder zu einem guten Teil aus dem Ringen entlehnt.
Ich würde also sagen, dass ich der Aussage aus dem Hausbuch durchaus zustimmen würde, allein schon was das Technikrepertoire angeht. Um das ringerische Technikrepertoire umsetzen zu könnnen, brauchst Du eine ringerisch sinnvolle Beinarbeit (wie gesagt, den shot vergessen wir dabei, den gibt’s in der Zeit nicht). Ringerische Beinarbeit bedeutet auch zu wissen, wie Du Dein Körpergewicht hinter eine ringerische Technik bringst und mit Druck und Zug (plötzlich oder über einen längeren Zeitraum) umgehst – und damit schliesst sich der Kreis.
Ich würde mir hierfür übrigens nicht die Highlights anschauen, da geht’s nämlich fast ausschliesslich um die Ausführung und Weiterführung von Angriffen. Ringerische Beinarbeit siehst Du eher, wenn Du nach «basics» oder «set-ups» suchst.
Zu guter Letzt: was gäbe es für Alternativen? Zu der Zeit ist Ringen in seinen unterschiedlichen Spielformen praktisch die einzige waffenlose KS in Europa. Boxen kommt erst ca. 250 Jahre später auf, alles andere nochmal später. Sprich, die einzige echte Alternative für einen Vergleich wäre Tanzen. Ich würde argumentieren, dass bei den spätmittelalterlichen Systemen die Parallelen zum Ringen doch überwiegen (wobei Tanzen auch als zusätzliches Trainingsmittel empfohlen wird, bei Talhoffer zusammen mit Springen, Steinstossen, Stangendrücken etc.). In der Renaissance und im Barock verlagert sich dann das Gleichgewicht eher Richtung Tanzen, der Fechtmeister am französischen Hof ist dann oft auch der Tanzmeister.
Beste Grüsse
Period.