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Thema: Online WM in Karate

  1. #31
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    @Period

    Danke für deine Ausführungen!
    Das ist für mich gut nachvollziehbar (und deckt sich auch genau mit dem, was mir kürzlich mal ein Freund der ein paar Sessions mit einem Ringer gemacht hat, erzählt hat; und so wie ich es mir auch halbwegs zusammengedacht habe).

    Jetzt kommt natürlich das "Aber" :-)
    Zum einen: Ist mir jetzt nicht so richtig klar, wie das in Bezug zur Schrittarbeit beim z. B. Karate oder TKD zu setzen ist. Da haben wir ja doch ein ganz anderes Kampfsetting, d. h. es passiert insgesamt doch viel mehr auf den Beinen (rein, raus, längere Distanz).
    Zum anderen würde mich interessieren, wie das gemeint ist, dass das die Grundlage für Waffenkampf sein soll? Die vier Punkte die du genannt hast, lassen sich ja - wenn ich jetzt mal so schnell durchdenke, was mir zum Waffentraining so einfällt - teils ja teils nein, mal mehr mal weniger finden. Und sind zum anderen ja auch sehr allgemein, so dass wieder die Frage wäre, ob man da von einer "Grundlage für" sprechen kann, oder es sich nicht einfach um allgemeine, rationale Zugänge handelt.

    https://www.youtube.com/watch?v=oiMFivNIros

    https://www.youtube.com/watch?v=5lSw8IcaX_Y

    https://www.youtube.com/watch?v=p6XpNLoUBr8

    https://www.youtube.com/watch?v=CELN-DQI5qc

    https://www.youtube.com/watch?v=dg4oN0xne4g

    Wenn ich jetzt mal auf die Schnelle die obigen Videos nehme (reicht in jedes kurz reinzuschauen), finde ich es ziemlich schwer, da ausgerechnet das was ich beim Ringen an Beinbewegung sehe, als Grundlage zu erkennen. Da erscheint mir die Beinarbeit vor dem Grappling - mit dem Ziel zu stechen, oder schlagen - zwischen waffenlos und bewaffnet sehr viel ähnlicher.

  2. #32
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    Tantal:
    also gerade im Kyokushin finde ich ne Kata-Online-WM echt nicht das Wahre
    Dem schließe ich mich an – die Gründe dafür hast Du ja schon erläutert (Kata hat im Kyokushin wenig Bezug zur Kampfweise) . Aber wenn man Katawettkämpfe macht ist es eine gute Idee auf diese Weise am Ball bleiben zu können.

    Tantal:
    Im Kyokushin wird durch das Regelwerk (keine Schläge zum Kopf etc) in meinen Augen dann auch hauptsächlich eine "Materialschlacht" gefördert, sodass also Nehmerqualitäten deutlich gewichtiger sein dürften als Bewegungsqualität.
    Bedingt. Die erfolgreichsten Kämpfer die ich gesehen habe, waren in der Lage hohe Tritte mit viel Power und Präzision auszuführen. Das erfordert schon ein ganz ordentliches Körpergefühl. Nötig ist dies, weil es recht schwierig (aber möglich) ist im klassischen Knockdown mit Körperschlägen ein KO zu erzielen bzw. überhaupt einen Kampf zu gewinnen.

    ETARAK
    - ein Tritt ist dagegen schon harmlos, weil langsam mit weniger Gewebezerstörung.
    Nunja, ich habe selten so viele, schwere KOs gesehen wie auf den deutschen Meisterschaften im Kyokushin. Mehrheitlich durch harte Kopftreffer (Tritte, Kniestöße). Das eine Mal, dass ich zusätzlich zum Budokai (ich wollte immer auch zum Kopf schlagen dürfen) nach Knockdownregeln teilgenommen habe, ließ ich nach dem letzten Kampf meine Nase im Krankenhaus „nachschauen“ (soll die so aussehen ). Da wurde ich gefragt wie lange das Turnier noch geht, es würde langsam reichen. Die hatten wohl auf einen ruhigeren Sonntagnachmittag gehofft.

    FireFly
    Gibt mittlerweile auch Kyokushin Formate, die Kopfschläge mit MMA Handschuhen mit reinnehmen.
    Naja, FireFly. Uns alten Säcken mag es wie gestern vorkommen, tatsächlich gibt es die aber schon sehr lange. Mein erster Wettkampf mit Schlägen zum Kopf (Budokai/Allround Fighting Regelwerk - damals nur mit Bandagen, aber mit diesen blöden Helmen) war 1997. Und da war dieses Format alles andere als neu.
    Inzwischen hat man die Helme weggelassen (IBK) und verwendet MMA Handschuhe (zumindest war es vor ein paar Jahren so, bin inzwischen raus).

    Fast alle haben eine "geschlossene" Faust. Nur was das bedeutet, kann ganz unterschiedlich sein. Fest geschlossen, mit Spannung oder noch etwas Spielraum innerhalb der Faust usw. Generell hat Oyama eher relaxtes Kihon. Ich glaube nicht, dass er die Faust mit aktiver Spannung geschlossen bzw. fest geschlossen hält.
    Im „Knockdown Mode“ musst man die Fäuste relativ früh „fest“ schließen, da man extrem oft „hart“ auf verschiedenste Stellen des Unterarms des Gegners trifft (also vor dem Ziel) – aktives „Blocken“. Noch wichtiger ist das Handgelenk dann auch anzuspannen (wenn ich Boxer und Kickboxer in diese Sparringsart einführte, hatten die am Anfang damit oft Probleme). Beim Budokai schlägt man dagegen eher mit lockerer Faust und oftmals auch mit der offenen Hand.

    @Period: Danke für die interessanten Ausführungen zu den Beinbewegungen im Ringen.
    Geändert von ThomasL (28-02-2021 um 08:21 Uhr)
    Viele Grüße
    Thomas
    https://www.thiele-judo.de/portal/

    The reality is, you can say ANYTHING you want. You just have to be willing to face the consequences of your choice.

  3. #33
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    Zitat Zitat von period Beitrag anzeigen
    Na ja, eklig hin oder her – soweit ich die Diskussionen aus dem Boxen und dem MMA kenne, ist die Hauptgefahr Gehirnschäden, nicht Cuts. So, wie Leute z.T. nach KOs durch Tritte zu Boden gehen, habe ich meine Zweifel, ob das «jo, eindeutig harmlos» ist. Es sind dann weniger Kopftreffer in Summe, aber es eliminiert das Problem halt auch nicht.
    Ja, solche Diskussionen kann ich mir sehr gut vorstellen. Der tatsächlich primäre Grund ist aber viel unromantischer und liegt in der im Mittel durch blanke Fäuste sehr stark verkürzten Kampfzeit - das ist, nicht nur finanziell, höchst unattraktiv. Gleich an zweiter oder dritter Stelle steht dann die Gesundheit der beiden Opfer Unbestritten, jeder Kopf-Treffer, welcher Art auch immer, wird sich nachteilig auf das Gehirn auswirken. Ob nun aber Faust oder Fuß, bei einem (noch) bei Bewusstsein seienden (oh man, was für ein Konstrukt), da entscheidend auseinanderliegen, wage ich mal zu bezweifeln. Biomechanische Verletzungen -> GAMBIT -> noch offen. Klar wurde wohl, dass der Aufschlag des Kopfes auf den Boden (Stein z.B. aber auch Ringboden), nach dem Verlust des Bewusstseins wesentlich fataler ist, als ein Schlag oder Tritt selbst. Das bei "blanken Fäuste Kämpfen" (Sport) so wenig strukturelle Schädelverletzungen auftreten wirft da vielleicht Fragen auf - aber, nicht böse gemeint, die Schlagen doch auch immer sehr...suboptimal.

    In der SV kann man, gemessen durch Gutachten vor Gericht, da mit der Faust eindeutig wesentlich bessere Ergebnisse erzielen - jahrelanges morgendliches Makiwara-Training beim Zähneputzen vorausgesetzt. Schon das tragen von sehr dünnen "Handschützern" wirkt da nahezu 100% entwaffnend.

    Beim Boxen wird vorrangig Kondition verglichen, beim Kyokushin die körperliche "Härte", beim MMA die Submission-Qualität am Boden - die Regeln dienen da nur dieser Zielerfüllung. Bei der SV vergleicht man strukturelle Schäden pro Zeiteinheit und in der Tradition vergleicht man was man schon so alles kann und weiß.

    Das ist aber auch inzwischen ein reiner Brei, nicht nur in den Diskussionen.

    Zitat Zitat von period Beitrag anzeigen
    Ich hatte ja m.E. darauf hingewiesen, dass das meine persönliche Meinung ist; und meiner persönlichen Meinung nach sollte man, wenn man Tritte zum Kopf erlaubt, eben auch die Konter dagegen erlauben.
    Mir klar - doch Du schienst verwundert im Bezug auf "Stil"


    Zitat Zitat von period Beitrag anzeigen
    Ja, ich komme aus dem Sportbereich, und das ist das, was ich primär unterrichte (in all diesen Fällen war ich der Trainer, daher wird nun mal das trainert, was ich zeige). Was die Leute dann damit machen – BJJ, Waffenkampf, Horizonterweiterung oder Arbeit an der Tür – ist im Wesentlichen ihre Sache, auch wenn ich natürlich das, was ich ihnen zeige, mit ihnen auf ihr jeweiliges Ziel-Szenario abstimme. Im HEMA ist das z.B. ziemlich einfach, weil wir da über das Technikspektrum mit und ohne Waffe sehr gut informiert sind. Schwieriger wird’s mit den modernen Wettkampfregeln, da müssen die jeweils selber rausfinden, was sie machen dürfen und was nicht, ich tu mir das in der Regel nicht an, die durchlesen zu müssen.
    Logisch, nachvollziehbar.


    Zitat Zitat von period Beitrag anzeigen
    Noch kurz ein Nachwort zu Sport vs. nicht Sport und dem Technikrepertoire – ich sage es gerne nochmal, aber meine Erfahrung geht dahin, dass die Leute aus dem Vollkontakt in der Regel nicht nur härter zulangen können als die aus der SV- oder Traditionsecke, sondern auch viel mehr praktische Erfahrung damit haben, was man gemeinhin als «Fouls» bezeichnet, als in der Regel angenommen wird. Mir wurde zum Beispiel recht viel aus dem Themenkreis «Kampfringen» als Foul beigebracht, in der Regel verbunden mit Anweisungen, wie es denn vor dem Schiedsrichter zu verstecken sei. Es gibt die Techniken also immer noch
    Schau, "gefühlt" langt z.B. ein Profi-Boxer, verglichen mit der überwiegenden Mehrheit an SVlern und Traditionalisten, "mehr hin", resp. hat mehr praktische Erfahrung (Sport) - doch die Hände eines Boxers haben mich auf der Straße (SV) immer sehr beruhigt. Ich hatte da zum Teil mehr Hornhaut auf meinen Händen, als unter meinen Füßen, trotz Barfußlaufen. Immer betrachten: SV, PE, MN und Tradition ungleich Sport. Und jeder Kämpfer ist anders.

    Ich glaube wir sollten Sport vollkommen isoliert von allem anderen Betrachten - das ist nicht einfach auseinander zu halten.

    Zitat Zitat von period Beitrag anzeigen
    Ich bin Archäologe, natürlich will ich den «Urtopf» finden
    Ein unerreichbares Ziel verspricht ja auch den besten Weg

  4. #34
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    Zitat Zitat von Julian Braun Beitrag anzeigen
    @Period
    Jetzt kommt natürlich das "Aber" :-)
    Zum einen: Ist mir jetzt nicht so richtig klar, wie das in Bezug zur Schrittarbeit beim z. B. Karate oder TKD zu setzen ist. Da haben wir ja doch ein ganz anderes Kampfsetting, d. h. es passiert insgesamt doch viel mehr auf den Beinen (rein, raus, längere Distanz).
    Zum anderen würde mich interessieren, wie das gemeint ist, dass das die Grundlage für Waffenkampf sein soll? Die vier Punkte die du genannt hast, lassen sich ja - wenn ich jetzt mal so schnell durchdenke, was mir zum Waffentraining so einfällt - teils ja teils nein, mal mehr mal weniger finden. Und sind zum anderen ja auch sehr allgemein, so dass wieder die Frage wäre, ob man da von einer "Grundlage für" sprechen kann, oder es sich nicht einfach um allgemeine, rationale Zugänge handelt.
    Wenn ich jetzt mal auf die Schnelle die obigen Videos nehme (reicht in jedes kurz reinzuschauen), finde ich es ziemlich schwer, da ausgerechnet das was ich beim Ringen an Beinbewegung sehe, als Grundlage zu erkennen. Da erscheint mir die Beinarbeit vor dem Grappling - mit dem Ziel zu stechen, oder schlagen - zwischen waffenlos und bewaffnet sehr viel ähnlicher.
    Die Quelle, auf die sich diese Aussage bezieht, ist das Pol’sche Hausbuch (Pol Hausbuch (MS 3227a) aus dem 15. Jh. und zwar genau auf diese Stelle:
    D|Er/ do wil lernen Ringen / |der sal czu dem ersten / merken vnd wissen das dy pñcipia / |vor · noch · Rischeit kunheit list vnd klugheit / etc| dy gehören och czu deme Ringen / |Vnd wisse das alle höbischeit kompt von deme ringe~ |vnd alle fechte~ kome~ ursachlich vnd gru~tlich vom ringe~ / |Czum erste~ das fechte~ mit dem lange~ messer / aus dem ku~pt das fechten mt dem sw°te / etc
    (Transkription: Dierk Hagedorn, Quelle https://www.wiktenauer.com/wiki/Pol_...27a)/86r_-_89r )

    Nun könnte man das in unterschiedliche Richtungen diskutieren. Zuerst mal müsste man festhalten, dass die Waffengattungen, auf die sich das Hausbuch bezieht, folgende sind: 1. Langes Messer (ungerüstet) 2. Langes Schwert (gerüstet) 3. Kurzschwert (gerüstet) 4. Dolch (im Gambeson oder gerüstet) 5. Halbe Stange

    Damit fällt der Florettvergleich schon mal flach, weil das wesentlich später kommt. Sehen wir uns stattdessen die anderen an: Langes Messer wird zum Ringen, wenn nicht der erste Schlag die Entscheidung bringt und eine Bindung zu Stande kommt; alle gerüsteten Fechtformen werden zum Ringen, wenn man nicht einen «lucky Stich» im Halbschwert oder einen «lucky strike» im Mordschlag setzen kann. Und der Dolch wird in den mittelalterlichen Quellen fechterisch ohnehin mehrheitlich als Ringhilfe eingesetzt. Die Stange wird z.T. als generelles Trainingsmittel beschrieben; ist sie z.B. ein Mordaxt-Simulator (siehe Talhoffer 1467), dann ist das Technikrepertoire wieder zu einem guten Teil aus dem Ringen entlehnt.

    Ich würde also sagen, dass ich der Aussage aus dem Hausbuch durchaus zustimmen würde, allein schon was das Technikrepertoire angeht. Um das ringerische Technikrepertoire umsetzen zu könnnen, brauchst Du eine ringerisch sinnvolle Beinarbeit (wie gesagt, den shot vergessen wir dabei, den gibt’s in der Zeit nicht). Ringerische Beinarbeit bedeutet auch zu wissen, wie Du Dein Körpergewicht hinter eine ringerische Technik bringst und mit Druck und Zug (plötzlich oder über einen längeren Zeitraum) umgehst – und damit schliesst sich der Kreis.
    Ich würde mir hierfür übrigens nicht die Highlights anschauen, da geht’s nämlich fast ausschliesslich um die Ausführung und Weiterführung von Angriffen. Ringerische Beinarbeit siehst Du eher, wenn Du nach «basics» oder «set-ups» suchst.

    Zu guter Letzt: was gäbe es für Alternativen? Zu der Zeit ist Ringen in seinen unterschiedlichen Spielformen praktisch die einzige waffenlose KS in Europa. Boxen kommt erst ca. 250 Jahre später auf, alles andere nochmal später. Sprich, die einzige echte Alternative für einen Vergleich wäre Tanzen. Ich würde argumentieren, dass bei den spätmittelalterlichen Systemen die Parallelen zum Ringen doch überwiegen (wobei Tanzen auch als zusätzliches Trainingsmittel empfohlen wird, bei Talhoffer zusammen mit Springen, Steinstossen, Stangendrücken etc.). In der Renaissance und im Barock verlagert sich dann das Gleichgewicht eher Richtung Tanzen, der Fechtmeister am französischen Hof ist dann oft auch der Tanzmeister.

    Beste Grüsse
    Period.

  5. #35
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    Zitat Zitat von ETARAK Beitrag anzeigen
    Ja, solche Diskussionen kann ich mir sehr gut vorstellen. Der tatsächlich primäre Grund ist aber viel unromantischer und liegt in der im Mittel durch blanke Fäuste sehr stark verkürzten Kampfzeit - das ist, nicht nur finanziell, höchst unattraktiv. Gleich an zweiter oder dritter Stelle steht dann die Gesundheit der beiden Opfer Unbestritten, jeder Kopf-Treffer, welcher Art auch immer, wird sich nachteilig auf das Gehirn auswirken. Ob nun aber Faust oder Fuß, bei einem (noch) bei Bewusstsein seienden (oh man, was für ein Konstrukt), da entscheidend auseinanderliegen, wage ich mal zu bezweifeln. Biomechanische Verletzungen -> GAMBIT -> noch offen. Klar wurde wohl, dass der Aufschlag des Kopfes auf den Boden (Stein z.B. aber auch Ringboden), nach dem Verlust des Bewusstseins wesentlich fataler ist, als ein Schlag oder Tritt selbst. Das bei "blanken Fäuste Kämpfen" (Sport) so wenig strukturelle Schädelverletzungen auftreten wirft da vielleicht Fragen auf - aber, nicht böse gemeint, die Schlagen doch auch immer sehr...suboptimal.
    Also, zumindest in Europa haben Bare Knuckle fights in der Regel länger gedauert als die mit Handschuhen – allerdings gab es da auch kein TKO. Dokumentierte Todesfälle gab es im Boxen mit Handschuhen viel öfter. Wie das im Karate ausschauen würde, wissen wir soweit ich sehen kann nicht, weil es dort keine Bareknuckle-Kämpfe mit Schlägen zum Kopf zu geben scheint. Bis wir da Daten haben, würde ich dafür plädieren, noch keine voreiligen Schlüsse zu ziehen, was den Vergleich angeht.
    Zitat Zitat von ETARAK Beitrag anzeigen
    Beim Boxen wird vorrangig Kondition verglichen, beim Kyokushin die körperliche "Härte", beim MMA die Submission-Qualität am Boden - die Regeln dienen da nur dieser Zielerfüllung. Bei der SV vergleicht man strukturelle Schäden pro Zeiteinheit und in der Tradition vergleicht man was man schon so alles kann und weiß.
    Das würde ich anders formulieren, und ich bin mir sicher, die Leute aus den betreffenden Sportarten auch. Auch die SV-Definition kann ich nur teilweise teilen – was Du beschreibst, ist im Prinzip ein Duell. Bei der SV «vergleicht» man erstmal nichts, sondern möchte gesund und nach Möglichkeit ohne juristisches Nachspiel nach Hause kommen.
    Zitat Zitat von ETARAK Beitrag anzeigen
    Mir klar - doch Du schienst verwundert im Bezug auf "Stil"
    Was mich angeht – nein, ich bin ganz zufrieden mit meiner Stildefinition. Ob sich die mit Deiner deckt, kann ich so nicht sagen.
    Zitat Zitat von ETARAK Beitrag anzeigen
    Schau, "gefühlt" langt z.B. ein Profi-Boxer, verglichen mit der überwiegenden Mehrheit an SVlern und Traditionalisten, "mehr hin", resp. hat mehr praktische Erfahrung (Sport) - doch die Hände eines Boxers haben mich auf der Straße (SV) immer sehr beruhigt. Ich hatte da zum Teil mehr Hornhaut auf meinen Händen, als unter meinen Füßen, trotz Barfußlaufen. Immer betrachten: SV, PE, MN und Tradition ungleich Sport. Und jeder Kämpfer ist anders.
    Wenn Dir die Hornhaut und das, wofür sie steht ein Gefühl der Sicherheit gibt, ist doch gut – dann hast Du ja bekommen, was Du haben wolltest. Meine Sichtweise ist da etwas anders, ich würde da Reflexe und universelle Beinarbeit stärker bewerten, aber gut. Meiner Erfahrung nach verschwimmen die Grenzen zwischen Sport, SV etc. auch in der Praxis wesentlich mehr, als die Definition vermuten lassen würde (auch mit Blick auf das Vorstrafenregister bestimmter Leute, denen man im Sport so begegnet), und Sport kann ebenso Tradition sein wie eine reine Bewegungsschule – grade in Europa sind z.B. Ranggeln, Schwingen, Gouren, Glima so ziemlich die einzigen lebendigen «traditionellen» Bewegungsformen, die bis ins Mittelalter zurückgehen.

    Beste Grüsse
    Period.

  6. #36
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    Zitat Zitat von period Beitrag anzeigen
    Die Quelle, auf die sich diese Aussage bezieht, ist das Pol’sche Hausbuch (Pol Hausbuch (MS 3227a) aus dem 15. Jh. und zwar genau auf diese Stelle:
    D|Er/ do wil lernen Ringen / |der sal czu dem ersten / merken vnd wissen das dy pñcipia / |vor · noch · Rischeit kunheit list vnd klugheit / etc| dy gehören och czu deme Ringen / |Vnd wisse das alle höbischeit kompt von deme ringe~ |vnd alle fechte~ kome~ ursachlich vnd gru~tlich vom ringe~ / |Czum erste~ das fechte~ mit dem lange~ messer / aus dem ku~pt das fechten mt dem sw°te / etc
    (Transkription: Dierk Hagedorn, Quelle https://www.wiktenauer.com/wiki/Pol_...27a)/86r_-_89r )

    Nun könnte man das in unterschiedliche Richtungen diskutieren. Zuerst mal müsste man festhalten, dass die Waffengattungen, auf die sich das Hausbuch bezieht, folgende sind: 1. Langes Messer (ungerüstet) 2. Langes Schwert (gerüstet) 3. Kurzschwert (gerüstet) 4. Dolch (im Gambeson oder gerüstet) 5. Halbe Stange

    Damit fällt der Florettvergleich schon mal flach, weil das wesentlich später kommt. Sehen wir uns stattdessen die anderen an: Langes Messer wird zum Ringen, wenn nicht der erste Schlag die Entscheidung bringt und eine Bindung zu Stande kommt; alle gerüsteten Fechtformen werden zum Ringen, wenn man nicht einen «lucky Stich» im Halbschwert oder einen «lucky strike» im Mordschlag setzen kann. Und der Dolch wird in den mittelalterlichen Quellen fechterisch ohnehin mehrheitlich als Ringhilfe eingesetzt. Die Stange wird z.T. als generelles Trainingsmittel beschrieben; ist sie z.B. ein Mordaxt-Simulator (siehe Talhoffer 1467), dann ist das Technikrepertoire wieder zu einem guten Teil aus dem Ringen entlehnt.

    Ich würde also sagen, dass ich der Aussage aus dem Hausbuch durchaus zustimmen würde, allein schon was das Technikrepertoire angeht. Um das ringerische Technikrepertoire umsetzen zu könnnen, brauchst Du eine ringerisch sinnvolle Beinarbeit (wie gesagt, den shot vergessen wir dabei, den gibt’s in der Zeit nicht). Ringerische Beinarbeit bedeutet auch zu wissen, wie Du Dein Körpergewicht hinter eine ringerische Technik bringst und mit Druck und Zug (plötzlich oder über einen längeren Zeitraum) umgehst – und damit schliesst sich der Kreis.
    Ich würde mir hierfür übrigens nicht die Highlights anschauen, da geht’s nämlich fast ausschliesslich um die Ausführung und Weiterführung von Angriffen. Ringerische Beinarbeit siehst Du eher, wenn Du nach «basics» oder «set-ups» suchst.

    Zu guter Letzt: was gäbe es für Alternativen? Zu der Zeit ist Ringen in seinen unterschiedlichen Spielformen praktisch die einzige waffenlose KS in Europa. Boxen kommt erst ca. 250 Jahre später auf, alles andere nochmal später. Sprich, die einzige echte Alternative für einen Vergleich wäre Tanzen. Ich würde argumentieren, dass bei den spätmittelalterlichen Systemen die Parallelen zum Ringen doch überwiegen (wobei Tanzen auch als zusätzliches Trainingsmittel empfohlen wird, bei Talhoffer zusammen mit Springen, Steinstossen, Stangendrücken etc.). In der Renaissance und im Barock verlagert sich dann das Gleichgewicht eher Richtung Tanzen, der Fechtmeister am französischen Hof ist dann oft auch der Tanzmeister.

    Beste Grüsse
    Period.
    Hmm, ich bin da immer noch bisschen am Hängen. Viellicht auch, weil mir oftmals (nicht speziell auf dich oder dein Post bezogen) die Aussagen zu allgemein sind.
    Dass es über Bindung und Verkürzen zum Waffenclinch kommt - d´accord.
    Dass man durch Ringen (Raufen) lernt mit Zug und Druck umzugehen, sich zu positionieren etc. - d´accord.
    Jetzt haben wir das ja schon mal bisschen eingeschränkt hinsichtlich der Zeit und Waffengattungen.
    Vielleicht stelle ich mir da auch einfach was Falsches vor, und es geht eher um Selbstverständlichkeiten als um irgendwie ganz spezielle Sachen oder Lehren... Ich glaube die exakten Fragen zu finden ist das eigentliche Problem.

    Grüße!

  7. #37
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    Zitat Zitat von Julian Braun Beitrag anzeigen
    Hmm, ich bin da immer noch bisschen am Hängen. Viellicht auch, weil mir oftmals (nicht speziell auf dich oder dein Post bezogen) die Aussagen zu allgemein sind.
    Dass es über Bindung und Verkürzen zum Waffenclinch kommt - d´accord.
    Dass man durch Ringen (Raufen) lernt mit Zug und Druck umzugehen, sich zu positionieren etc. - d´accord.
    Jetzt haben wir das ja schon mal bisschen eingeschränkt hinsichtlich der Zeit und Waffengattungen.
    Vielleicht stelle ich mir da auch einfach was Falsches vor, und es geht eher um Selbstverständlichkeiten als um irgendwie ganz spezielle Sachen oder Lehren... Ich glaube die exakten Fragen zu finden ist das eigentliche Problem.

    Grüße!
    Du, kein Problem, ich habe mich bemüht, die Frage(n), die ich erkennen konnte so gut wie mir möglich zu beantworten. Falls Dir weitere dazu einfallen sollten - jederzeit gerne, auch per PN.

    Beste Grüsse
    Period.

  8. #38
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    Zitat Zitat von Julian Braun Beitrag anzeigen
    Hmm, ich bin da immer noch bisschen am Hängen. Viellicht auch, weil mir oftmals (nicht speziell auf dich oder dein Post bezogen) die Aussagen zu allgemein sind.
    Nun ja, die Füße sind ja das eine Ende der Bewegungsketten und somit der Punkt wo ein permanenter Wechsel zwischen punctum fixum und punctum mobile entsteht.
    Wenn wir von Beinarbeit reden, dann sind wir also zum einen bei der Körperarbeit und zum anderen bei der Bewegung im Raum. Das muss man also schon einmal unterscheiden.
    Über welche Art der „Beinarbeit“ willst du reden? Wie man die Beine/Füße im Bereich der Körperarbeit nutzt, oder wie man die Beine/Füße im Bereich der Raumarbeit nutzt? Beides gehört natürlich zusammen, aber trotzdem sind es ja unterschiedliche Konzepte. Die Körperarbeit ist sehr viel basaler und verbindet ja gerade die verschiedenen Bereiche (Waffen/waffenlos/Bewegung im Raum).
    Geändert von kanken (28-02-2021 um 11:43 Uhr)

  9. #39
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    Zitat Zitat von period Beitrag anzeigen
    Also, zumindest in Europa haben Bare Knuckle fights in der Regel länger gedauert als die mit Handschuhen – allerdings gab es da auch kein TKO.
    Korrelation != Kausalität? Du bist genervt oder?

    Zitat Zitat von period Beitrag anzeigen
    Dokumentierte Todesfälle gab es im Boxen mit Handschuhen viel öfter.
    Mag das vielleicht daran liegen, dass das Gehirn weniger gut stetige geringe Belastungen wegsteckt, statt eine einmalige höhere Belastung?

    Zitat Zitat von period Beitrag anzeigen
    Wie das im Karate ausschauen würde, wissen wir soweit ich sehen kann nicht, weil es dort keine Bareknuckle-Kämpfe mit Schlägen zum Kopf zu geben scheint. Bis wir da Daten haben, würde ich dafür plädieren, noch keine voreiligen Schlüsse zu ziehen, was den Vergleich angeht.
    Oh, wir haben die historischen "Geschichten" über Auseinandersetzungen von Karateka - die in der Breite als Kern immer die Kürze der Auseinandersetzung betonen? Darüber hinaus würde eine Studie, die medizinische Gutachten nach Körperverletzungen den verwendeten Methoden zuordnet schon sehr erhellend sein, mit!


    Zitat Zitat von period Beitrag anzeigen
    Das würde ich anders formulieren, und ich bin mir sicher, die Leute aus den betreffenden Sportarten auch. Auch die SV-Definition kann ich nur teilweise teilen – was Du beschreibst, ist im Prinzip ein Duell. Bei der SV «vergleicht» man erstmal nichts, sondern möchte gesund und nach Möglichkeit ohne juristisches Nachspiel nach Hause kommen.
    Wenn Du nicht genervt bist, wäre ich an Deinen Definitionen ernsthaft sehr interessiert.

    Meine SV-Definition: kein Duell - Duelle sind dem Sport und der "Tradition" zuzuordnen. SV hat schon Dein Teil-Ziel, möglichst Gesund aus der Situation zu kommen, mit. Aber, juristisch wird da in dem Moment nichts betrachtet, wie auch, es ist ein Notstand per Definition.

    "Ey, komm mit vor die Tür" zu folgen, ist ein Duell und das wäre keine Notwehrhandlung. Ich gebe Dir recht, dass es eine juristische Betrachtung in der Vorbereitung gibt, z.B. wähle ich mein Messer, dass ich bei mir trage, nach bestimmten Kriterien aus und betrachte hin und wieder auch diverse strategische Argumentationsketten bei einer evtl. Gerichtsverhandlung. Aber, in der Situation? Nein, da wird nur zerstört. Und das ist das primäre Ziel! Da müssen wir ganz scharf zum Duell abgrenzen, wo das dominieren das Ziel ist und man den Luxus hat, über juristische Dinge nachzudenken. In die SV-Situation werde ich immer gegen meinen Willen gebracht und damit direkt mein Leben bedroht - da ist jedes Mittel recht und an Folgen zu denken, höchst hinderlich.

    Zitat Zitat von period Beitrag anzeigen
    Was mich angeht – nein, ich bin ganz zufrieden mit meiner Stildefinition. Ob sich die mit Deiner deckt, kann ich so nicht sagen.
    Ich glaube Du trennst da nicht scharf genug zwischen SV und Sport - aber ich rate da doch nur.


    Zitat Zitat von period Beitrag anzeigen
    Wenn Dir die Hornhaut und das, wofür sie steht ein Gefühl der Sicherheit gibt, ist doch gut – dann hast Du ja bekommen, was Du haben wolltest.
    Schwer zu vermitteln. Ich schaue, wie jeder von uns (?), wenn Zeit bleibt, in einer SV-Situation zuerst auf die Hände. Neben einem Messer interessiert mich vor allem die Qualität derselben. Weiche Hände sind da nicht beunruhigend halt. Mir haben meine Hände nie ein beruhigendes Gefühl vermittelt, sondern klare Daten was sie zerstören können. Das kann man für sich sehr gut ermitteln - egal.

    Zitat Zitat von period Beitrag anzeigen
    Meine Sichtweise ist da etwas anders, ich würde da Reflexe und universelle Beinarbeit stärker bewerten, aber gut. Meiner Erfahrung nach verschwimmen die Grenzen zwischen Sport, SV etc. auch in der Praxis wesentlich mehr, als die Definition vermuten lassen würde (auch mit Blick auf das Vorstrafenregister bestimmter Leute, denen man im Sport so begegnet), und Sport kann ebenso Tradition sein wie eine reine Bewegungsschule – grade in Europa sind z.B. Ranggeln, Schwingen, Gouren, Glima so ziemlich die einzigen lebendigen «traditionellen» Bewegungsformen, die bis ins Mittelalter zurückgehen.
    Wieder Korrelation? Was heißt es schon, wenn eine Menge X aus dem Sport Vorstrafenregister füllt? Nichts.

    Klar verwischt (hier) Sport und SV - das versuche ich ja auch auseinander zu bekommen

    Reflexe und Beinarbeit - ich würde da einen Plan (Gesicht zertrümmern) und die richtigen Werkzeuge (meine Fäuste) nicht gegen eintauschen wollen (SV) - die sind da eindeutig zweitrangig. Die SV kann halt schon mit extrem wenig erfolgreich sein, da muss man sich nicht wirklich gut bewegen können.

    Hatte bei der letzten Antwort ganz was vergessen - da hattest Du etwas über Dirty Tricks geschrieben. Da wollte ich noch anmerken, dass SV nur aus diesen besteht. Wenn das nicht der Fall ist, vermischt man meist SV mit PE oder Tradition. Das, was wir zur Manipulation von Wettkämpfen da so gelernt und uns ausgedacht haben, fällt da aber nicht drunter, da zu harmlos.

  10. #40
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    Zitat Zitat von kanken Beitrag anzeigen
    Nun ja, die Füße sind ja das eine Ende der Bewegungsketten und somit der Punkt wo ein permanenter Wechsel zwischen punctum fixum und punctum mobile entsteht.
    Wenn wir von Beinarbeit reden, dann sind wir also zum einen bei der Körperarbeit und zum anderen bei der Bewegung im Raum. Das muss man also schon einmal unterscheiden.
    Über welche Art der „Beinarbeit“ willst du reden? Wie man die Beine/Füße im Bereich der Körperarbeit nutzt, oder wie man die Beine/Füße im Bereich der Raumarbeit nutzt? Beides gehört natürlich zusammen, aber trotzdem sind es ja unterschiedliche Konzepte. Die Körperarbeit ist sehr viel basaler und verbindet ja gerade die verschiedenen Bereiche (Waffen/waffenlos/Bewegung im Raum).

    Die Frage(n) um die es mir ging/geht, kreisen im großen und ganzen darum, was genau gemeint ist wenn gesagt wird, Ringen oder ringerische Beinarbeit sei die Grundlage für Waffenkampf.
    Allerdings denke ich, dass ich da zu speziell rangehe. Wenn ich Period richtig verstanden habe, geht es ihm eher darum, dass man durch Ringen ein Körpergefühl und Qualitäten entwickelt, welche einem den Einsatz von mittelalterlichen Waffen sehr erleichtern oder den Weg dafür vorbereiten können. Dem ich zustimmen würde. Was aber so halt sehr allgemein gefasst ist.

  11. #41
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    Zitat Zitat von ETARAK Beitrag anzeigen
    Du bist genervt oder?
    Würde ich nicht sagen. Aber ebenso wie Du bei mir den Eindruck hast, dass meine Definitionen verwischen, habe ich den umgekehrten Eindruck fast zwangsläufig auch bei Dir.
    Zitat Zitat von ETARAK Beitrag anzeigen
    Mag das vielleicht daran liegen, dass das Gehirn weniger gut stetige geringe Belastungen wegsteckt, statt eine einmalige höhere Belastung?
    Nun, die Belastungen auf das Gehirn sind meines Wissens auch im Sachen Grössenordnung mit Handschuhen höher, was die Energiemenge angeht. Es scheint so etwas wie ein «Polsterungsoptimum» für Schlaghärte zu geben. Dass bareknuckle mit mehr Energie zugeschlagen werden kann, ist eine Aussage, zu der mir nach wie vor die Belege fehlen.
    Zitat Zitat von ETARAK Beitrag anzeigen
    Oh, wir haben die historischen "Geschichten" über Auseinandersetzungen von Karateka - die in der Breite als Kern immer die Kürze der Auseinandersetzung betonen?
    Die haben wir, doch geben die z.T. reichlich wenig Aufschluss über das Szenario und was genau passiert ist, soweit ich das beurteilen kann.
    Zitat Zitat von ETARAK Beitrag anzeigen
    Meine SV-Definition: kein Duell - Duelle sind dem Sport und der "Tradition" zuzuordnen. SV hat schon Dein Teil-Ziel, möglichst Gesund aus der Situation zu kommen, mit. Aber, juristisch wird da in dem Moment nichts betrachtet, wie auch, es ist ein Notstand per Definition.
    Meiner Definition nach beginnt SV mit Aufmerksamkeit und Situationsbeurteilung als A und O. Notstand wird es nur dann, wenn die Situation nicht vermeidbar ist (ist sie vermeidbar, bewegt sie sich bereits in Richtung Duell), und auch da gibt es noch die Klausel des mildesten zur Verfügung stehenden Mittels. Ich für meinen Teil möchte nach Möglichkeit lieber nicht erklären müssen, warum ich mich mit meiner klar eruierbaren sportlichen Vorgeschichte entschieden habe, ein Messer zum Einsatz zu bringen, wenn die Situation das nicht klar erfordert hat. Aber das muss jede*r selbst beurteilen. Ich betone das, weil mir im Bereich der traditionellen KS und der SVler teilweise schon sehr sonderbare Ideen von Notwehr (und sehr sonderbare Ideen zum Thema Aufmerksamkeit und Kampfkraft, wie ich hinzufügen darf) begegnet sind.
    Zitat Zitat von ETARAK Beitrag anzeigen
    Schwer zu vermitteln. Ich schaue, wie jeder von uns (?), wenn Zeit bleibt, in einer SV-Situation zuerst auf die Hände. Neben einem Messer interessiert mich vor allem die Qualität derselben. Weiche Hände sind da nicht beunruhigend halt. Mir haben meine Hände nie ein beruhigendes Gefühl vermittelt, sondern klare Daten was sie zerstören können. Das kann man für sich sehr gut ermitteln - egal.
    Natürlich kann man auf die Hände schauen, jedoch sind diese immer nur Teil des Pakets. Die Frage ist auch, worauf Du schaust, und ob Du ggf, auch die Hände eines Grapplers erkennen kannst, ob Du Messernarben richtig einschätzen kannst etc.
    Zitat Zitat von ETARAK Beitrag anzeigen
    Wieder Korrelation? Was heißt es schon, wenn eine Menge X aus dem Sport Vorstrafenregister füllt? Nichts.
    Oh, aus meiner Sicht sagt es durchaus was aus. Zum einen was zum Thema Gewaltbereitschaft, zum anderen zum Thema einschlägige Erfahrungen in bestimmten Milieus… und schliesslich kann ich noch anfügen, dass in den mir bekannten Fällen praktisch immer Waffen um Einsatz gekommen sind, in der Regel Schusswaffen. Und schliesslich und endlich sagt es uns etwas darüber aus, was diese Leute als sinnvolle indirekte Vorbereitung für ihre Tätigkeiten betrachten.
    Zitat Zitat von ETARAK Beitrag anzeigen
    Reflexe und Beinarbeit - ich würde da einen Plan (Gesicht zertrümmern) und die richtigen Werkzeuge (meine Fäuste) nicht gegen eintauschen wollen (SV) - die sind da eindeutig zweitrangig. Die SV kann halt schon mit extrem wenig erfolgreich sein, da muss man sich nicht wirklich gut bewegen können.
    Das kannst Du gerne so halten, wie gesagt trifft das meine Definition nur sehr begrenzt. Mit Beinarbeit ist auch gemeint, sich sinnvoll aus der Gefahrenzone zu bewegen, wenn es keinen Grund gibt, dort zu bleiben – und ja, dafür ist gute Bewegungsqualität von Vorteil.
    Zitat Zitat von ETARAK Beitrag anzeigen
    Hatte bei der letzten Antwort ganz was vergessen - da hattest Du etwas über Dirty Tricks geschrieben. Da wollte ich noch anmerken, dass SV nur aus diesen besteht. Wenn das nicht der Fall ist, vermischt man meist SV mit PE oder Tradition. Das, was wir zur Manipulation von Wettkämpfen da so gelernt und uns ausgedacht haben, fällt da aber nicht drunter, da zu harmlos.
    Wie gesagt, das deckt sich wiederum nicht mit meiner SV-Definition. Es deckt sich auch nicht mit einer Kontrolle des Gegners, die in vielen grenzwertig SV-artigen Szenarien (Sicherheitsdienst, Umgang mit bestimmten Patientengruppen…) erforderlich ist. Im üblichen würde ich argumentieren, dass das, was in meinem Sport als regelkonforme Technik läuft – Leute Kopf voraus zu werfen, während man das eigene Körpergewicht hinzufügt – alles andere als harmlos ist. Und inwieweit da Schläge oder «dreckige Tricks» wirklich schlimmer sind, lasse ich an der Stelle mal offen. «Dreckig» bedeutet in meinem Sport alles zwischen Kopfstössen und dem ansatzlosen Durchreissen von Submissions.

    Beste Grüsse
    Period.

  12. #42
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    Zitat Zitat von Julian Braun Beitrag anzeigen
    Die Frage(n) um die es mir ging/geht, kreisen im großen und ganzen darum, was genau gemeint ist wenn gesagt wird, Ringen oder ringerische Beinarbeit sei die Grundlage für Waffenkampf.
    Allerdings denke ich, dass ich da zu speziell rangehe. Wenn ich Period richtig verstanden habe, geht es ihm eher darum, dass man durch Ringen ein Körpergefühl und Qualitäten entwickelt, welche einem den Einsatz von mittelalterlichen Waffen sehr erleichtern oder den Weg dafür vorbereiten können. Dem ich zustimmen würde. Was aber so halt sehr allgemein gefasst ist.
    Nicht nur die Beinarbeit, und nicht nur die Qualitäten. Wenn Du Dich etwas in den Codices umsiehst (auf Wiktenauer und Co unter Talhoffer, Wallerstein, Fiore, Lecküchner etc), dann wirst Du sehen, dass in grossem Umfang mit der Waffe und an der Waffe gerungen bzw. die Waffe als Ringhilfe verwendet wird. Ringen ist an sich schon komplex genug, wenn dann noch die Waffe dazukommt sollte man die grundlegende Mechanik schon beherrschen, ansonsten wird das Ergebnis recht fraglich werden, wenn Du nicht ein bewegungstechnisches Genie bist.

    Beste Grüsse
    Period.

  13. #43
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    Zitat Zitat von period Beitrag anzeigen
    Nicht nur die Beinarbeit, und nicht nur die Qualitäten. Wenn Du Dich etwas in den Codices umsiehst (auf Wiktenauer und Co unter Talhoffer, Wallerstein, Fiore, Lecküchner etc), dann wirst Du sehen, dass in grossem Umfang mit der Waffe und an der Waffe gerungen bzw. die Waffe als Ringhilfe verwendet wird. Ringen ist an sich schon komplex genug, wenn dann noch die Waffe dazukommt sollte man die grundlegende Mechanik schon beherrschen, ansonsten wird das Ergebnis recht fraglich werden, wenn Du nicht ein bewegungstechnisches Genie bist.

    Beste Grüsse
    Period.
    Okay, ich denke jetzt kann ich den Gedankengang ganz gut nachvollziehen.
    Prinzipiell würde ich sagen, volle Zustimmung.

    Leider haben wir ja keine Videoaufzeichnungen davon, wie ein solcher Händel damals dann tatsächlich ausgesehen hat; nehmen wir mal einen mustergültigen (d. h. beide Kontrahenten haben das damalige Ringen mit und ohne Waffen gelernt und geübt). Gibt es moderne Beispiele aus Trainingsgruppen oder Kampfkunststilen für Waffenkampf-Sparring mit Ringen wo du sagen würdest, du könntest dir vorstellen dass das so ähnlich aussehen könnte wie das damals?

  14. #44
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    Zitat Zitat von period Beitrag anzeigen
    Also, zumindest in Europa haben Bare Knuckle fights in der Regel länger gedauert als die mit Handschuhen – allerdings gab es da auch kein TKO. Dokumentierte Todesfälle gab es im Boxen mit Handschuhen viel öfter. Wie das im Karate ausschauen würde, wissen wir soweit ich sehen kann nicht, weil es dort keine Bareknuckle-Kämpfe mit Schlägen zum Kopf zu geben scheint. Bis wir da Daten haben, würde ich dafür plädieren, noch keine voreiligen Schlüsse zu ziehen, was den Vergleich angeht.
    Zitat Zitat von ETARAK Beitrag anzeigen
    Mag das vielleicht daran liegen, dass das Gehirn weniger gut stetige geringe Belastungen wegsteckt, statt eine einmalige höhere Belastung?
    Zitat Zitat von period Beitrag anzeigen
    Nun, die Belastungen auf das Gehirn sind meines Wissens auch im Sachen Grössenordnung mit Handschuhen höher, was die Energiemenge angeht. Es scheint so etwas wie ein «Polsterungsoptimum» für Schlaghärte zu geben. Dass bareknuckle mit mehr Energie zugeschlagen werden kann, ist eine Aussage, zu der mir nach wie vor die Belege fehlen.
    Period ich denke Du hast Recht und ich meine ich habe auch schon irgendwo Vergleiche gesehen, dass jemand mit schweren Boxhandschuhen im Endeffekt härter zuschlägt, als jemand bare knuckle. Und genau deswegen dauerten auch die Kämpfe ohne Handschuhe früher viel länger und weil ein Schädel mehr aushält, als ein Handknochen. Es gibt ja immerhin auch heute noch div. bare knuckle Events und die Leute sind auch nicht sofort KO. Und im Karate gab es sowas auch mal in Japan. Nannte sich glaube ich "Chaos Mad Max" oder sowas in der Art. Sah aber technisch nicht besonders hochwertig aus. Und dass ein Bare Knuckle Boxer oder Wetkämpfer egal welchen Formats weniger Schlagpower entwickelt als ein shobu ippon oder WKF Wettkämpfer glaube ich auch nicht so Recht (und im Zuge dessen müsste man sich Fragen, wer von den Leuten dann wirklich einen ikken hissatsu hinbekommt oder ob das nicht alles Wunschgedanken sind....).

  15. #45
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    Zitat Zitat von Julian Braun Beitrag anzeigen
    Leider haben wir ja keine Videoaufzeichnungen davon, wie ein solcher Händel damals dann tatsächlich ausgesehen hat; nehmen wir mal einen mustergültigen (d. h. beide Kontrahenten haben das damalige Ringen mit und ohne Waffen gelernt und geübt). Gibt es moderne Beispiele aus Trainingsgruppen oder Kampfkunststilen für Waffenkampf-Sparring mit Ringen wo du sagen würdest, du könntest dir vorstellen dass das so ähnlich aussehen könnte wie das damals?
    Na ja, wir haben schon bestimmte Quellen dazu; besonders interessant finde ich dabei den sog. Königsegger Codex (MS XIX 17-3, https://wiktenauer.com/wiki/Hans_Tal..._.281446-59.29), der ist von fol. 02r bis fol. 24r gewissermassen eine Graphic Novel von Luithold von Königseggs Duell. Generell können wir davon ausgehen, dass im 15. Jh. praktisch jeder in dem entsprechenden Metier zumindest die Grundlagen des Ringens beherrscht haben dürfte. Das erklärt auch die "Einstiegshöhe" der Codices im entsprechenden Bereich.
    Ich muss leider gestehen, "die" super Umsetzung habe ich noch nicht gesehen, die beste Kombination würde ich noch im Langen Messer sehen (Hans Heim, Martin Enzi). Das Ringniveau im HEMA ist mehrheitlich ziemlich unterirdisch wenn ich das mal so sagen darf. Es gibt ein paar Leute, die sind ganz passabel unterwegs (mehrheitlich die, die in mindestens einer Grapplingsdisziplin Cross-Training machen, vorzugsweise nicht im BJJ), und eine noch kleinere Handvoll würde ich als "verhältnismässig gut" bezeichnen. Wirklich gut nach ringerischen Masstäben ist mir unter den Leuten, die auch fechten noch nicht begegnet.

    Beste Grüsse
    Period.

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