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Thema: Chen Wangtings Rang

  1. #16
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    Zitat Zitat von Eistee Beitrag anzeigen
    Nach Chen Wangtings Rang zu forschen wäre ungefähr so, wie etwas über die Offiziere der schwedischen Armee im Dreißigjährigen Krieg herauszufinden.
    Nein. China hatte eine ausufernde Bürokratie, und die Wehrpflicht war mit allen Verpflichtungen erblich, musste also an vielen Stellen registriert werden. Angehörige von Offizieren hatten einen anderen legalen Status als Angehörige von einfachen Soldaten und wurden in der Bürokratie entsprechend anders bezeichnet. Die normale Erbteilung war für Wehrfamilien verboten, es gab zugewiesenes Land, Familienchroniken und Verträge zur Regelung der Erbfolge mit Kompensationszahlungen der freigekauften Söhne an das Opferlamm der Familie. Jedem Militäreinsatz, jeder Truppenverlegung, jeder Einberufung ging ein wochenlanger Papierkrieg voraus. Als mit dem Ende der Ming die Erbwehrpflicht für Hanchinesen wegfiel, mussten die Familienverträge und die Erbteile neu verhandelt werden. Alles musste schriftlich und gerichtsfest aufgezeichnet werden.

    Zitat Zitat von Eistee Beitrag anzeigen
    Aber wer weiß, wie gut die Chinesen des 17. Jahrhunderts das damals registriert haben (und wer versteht überhaupt das Chinesisch dieser Zeit?).
    Da, wo örtlich die Verwaltung zusammengebrochen ist, wurde die Aufzeichnung lückenhaft. Dann müssen bei Erbsachen aber die Angelegenheiten früherer und späterer Generationen da sein. Jede Dynastie hat minutiös und penibel die Akten des Vorgängerregimes fortgeführt und sich bemüht, eventuelle Lücken in den Akten zu schließen. China war immer ein Überwachungsstaat. Man hat sogar exakte amtliche Aufzeichnungen darüber geführt, in welchem Tümpel welcher Drachengott haust und wie die Erfolgsstatistik von Wetterbeschwörungen im Vergleich der lokalen Tümpel aussah. Hätten die einen DFB gehabt, könnte man heute noch die Ballbesitzstatistik jedes Kreisligaspielers aus dem 14. Jahrhundert nachlesen. Ein General der Mingdynastie, der nirgendwo schriftliche Akten verursacht, hat vermutlich nie existiert.

    Zitat Zitat von Eistee Beitrag anzeigen
    Und wie solche Unterlagen Maos Kulturrevolution überstanden haben.
    Maos Terror hat diese Akten bewahrt und fortgeführt, weil sie gebraucht wurden, um Familienverbände zu durchleuchten und zu terrorisieren. In China galt und gilt Sippenhaft als Grundprinzip aller Rechtsfragen. Wird ein Gesuchter nicht gefasst, landen eben seine Familienangehörigen im Lager.
    Geändert von Affenherz (04-06-2021 um 09:40 Uhr)

  2. #17
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    Zitat Zitat von Affenherz Beitrag anzeigen
    Alles musste schriftlich und gerichtsfest aufgezeichnet werden.
    Also, ich hätte erheblich mehr Vertrauen in z.B. die preußische Aktenführung und Justiz als in die chinesische. Weil das chinesische Gerichtssystem nicht so ist, wie sich die EU das wünschen würde, wird ja auch immer noch die "China-EU School of Law" mit einigen Millionen als juristisches Entwicklungshilfeprojekt gefördert und aufrechterhalten.

    Jedenfalls: Für solche Anfragen zur Historie sind bei uns die Archive zuständig. Ich kenne das, denn tatsächlich war mein Vater Archivassessor und hat im "Geheimen Staatsarchiv der Stiftung Preußischer Kulturbesitz" gearbeitet.
    Die Archive speichern solche historischen Verwaltungsvorgänge als "Gedächtnis des Landes".
    Bei unseren heutigen Verwaltungsvorgängen wird nach deren Abschluß allerdings nur im Archiv abgelegt, was als für die Nachwelt bedeutsam angesehen wird. Und dann säuft es nach ein paar Jahren ggf. ab, wie das Kölner Stadtarchiv.
    Man müßte also ausfindig machen, welches Archiv für die Lebenszeit von Chen Wangting örtlich und sachlich zuständig ist, und dann da eine Anfrage stellen.
    So würde man das jedenfalls bei uns machen.

    Aber wie gesagt: Wenn es nur eine Legende ist, könnte es sein, daß die Chen-Familie über eine solche Nachforschung nicht glücklich wäre. Wie sollte sie denn da weltweit das Gesicht wahren?
    Daher: Ich würde das nicht machen. Mein Vater hatte auch immer einen anderen Archivspruch: "Quieta non movere".
    Don't just do something. Stand there.

  3. #18
    gast Gast

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    Du hast mehr Vertrauen in Preußen?
    Die haben das gerade mal geschafft, in 250 Jahren die Deutschen Länder mehrfach in den Untergang zu treiben.
    Die Chinesen haben seit 2000 Jahren ein Weltreich.
    Geschichtsverklärung ist auch kein chinesisches Symptom, das kann man u.a. auch in diesem Land gut beobachten.

  4. #19
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    Aus deutscher Sicht ist es unvorstellbar, daß die Chinesen so alte Verwaltungsakten haben und eine ausgefeilte Bürokratie hatten, bevor es Preußen überhaupt gab. Und wer heute aus dem deutschen Schulsystem kommt, kann sich auch nicht vorstellen, daß man Texte aus dem 19. Jahrhundert lesen kann, geschweige denn Texte aus dem Mittelalter. Wir lernen einfach nichts über Asien in der Schule, wir lernen nicht einmal mehr, unsere eigene Kultur zu lesen. Und die Chinesen, für deren Konservative wir Europäer nur kulturell zurückgebliebene Höhlenmenschen sind, sehen auch keinen Grund, etwas daran zu ändern.

    Wie auch immer, wir wissen von Chen Wangting, weil es Akten und Familienchroniken gibt. Die Auffassung, er sei Offizier gewesen, kann sich daraus ableiten, daß die Angehörigen von Offizieren eben einen anderen rechtlichen Status hatten als die von einfachen Soldaten. Dieser Status wäre dann in den Chroniken verzeichnet, damit man sich im Streitfall vor Gericht darauf berufen kann.

    Wo er sich wann aufgehalten hat, wäre der Schlüssel zur Suche nach seinen Akten in den Staatsarchiven. Dann bekäme man auch seinen Rang und damit seine Pflichten und Aufgaben heraus.
    Ein Gruppenführer hatte andere Aufgaben als ein Hundertschaftsführer, der wieder andere als der Kommandant einer Tausendschaft und so weiter.

    These hereditary soldiers were grouped into guards (wei) and battalions (suo), otherwise known as the wei-suo system. A guard consisted of 5,600 men, each guard was divided into battalions of 1,120 men (qiānhù), each battalion contained 10 companies of 112 men (bǎihù), each company contained two platoons of 56 men (zǒngqí), and each platoon contained five squads of 11 or 12 men (xiǎoqí).
    (https://en.wikipedia.org/wiki/Milita...ttalion_system)

    Sein Rang hätte also ziemlichen Einfluß darauf, wie man die Überlieferung interpetiert, er sei für den Schutz von Karawanen zuständig gewesen.

  5. #20
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    Chen Wangting was the 9th generation of the Chen Family. His father, Chen Fumin was a scholar, holding an official position through imperial decree. Chen Wangting in his young years also is thought to have worked as an escort for merchants, using his boxing skills to defeat bandits and thieves. In 1641 he was listed as a military officer, commander of the Garrison force of Wen county (according to the Annals of Huaiqing prefecture, Wen county annals).
    (http://taipinginstitute.com/courses/...rts/taijiquan1)

    Interessante Sage auf der Website. Der hervorgehobene Teil sollte sich ja nachprüfen lassen. Da müsste man im Falle eines Fundes dann auch herauslesen können, wie groß die ihm unterstellte Truppe war.

  6. #21
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    Ich würde einfach mal abwarten, bis Jarek Szymanski seine Ergebnisse veröffentlicht. Er hat es vor, aber momentan scheint er sich ja mehr auf sein Temple Hu ting Zeug zu konzentrieren. Auf jeden Fall hat er gesagt, er wird mit einigen Mythen aufräumen. Ich bin gespannt.

  7. #22
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    wozu ist das wichtig?
    Ändert es für Euch etwas an der Qualität vom Taiji, ob es nun ein offizieller General zusammengestellt hat oder nicht?

    Soviel ich weiß, war es seine Aufgabe, regional für Ruhe und Ordnung zu sorgen und Räuberbanden zu eliminieren. In seiner Militärzeit.
    Was bedeuten würde, daß er auf jeden Fall reichlich praxisnahe Erfahrung hatte
    Eine Rolle spielen ja auch seine Freunde aus Wudang und Shaolin, deren Einfluß auch nicht ganz geklärt ist.

  8. #23
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    Zitat Zitat von Affenherz Beitrag anzeigen
    Und wer heute aus dem deutschen Schulsystem kommt, kann sich auch nicht vorstellen, daß man Texte aus dem 19. Jahrhundert lesen kann, geschweige denn Texte aus dem Mittelalter.
    Das interessiert mich jetzt doch - was glaubt denn jemand, der heute aus dem deutschen Schulsystem kommt, wie denn Geschichte als wissenschaftliche Disziplin zu ihren Quellen kommt? Nebenbei bemerkt, hierzulande im 19. Jh. verfasste Texte sind in der Praxis z.T. deutlich schwerer zu lesen als die aus dem Mittelalter (Mistdinger...)

  9. #24
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    Zitat Zitat von scarabe Beitrag anzeigen
    Eine Rolle spielen ja auch seine Freunde aus Wudang und Shaolin, deren Einfluß auch nicht ganz geklärt ist.
    ist da denn jetzt mehr bekannt aus wudang?

  10. #25
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    Das wird sich jetzt, rund 400 Jahre später, nicht mehr klären lassen. Sie waren befreundet, bzw. Jiang Fa war wohl CWTs befreundeter Diener, und haben zusammen trainiert, aber wer was von wem gelernt hat und wie das damals mit dem Zusammenstellen der verschiedenen "Einzelteile" zu einer komplexen Kampfkunst war, das werden wir nicht erfahren können. Durften die Freunde mitreden, beraten? Oder waren sie gar nicht mehr da?

    Und dann: Wieviel liegt noch in alten Archiven und was wurde eventuell sogar bewußt vernichtet, um Repressalien zu verhindern?
    Was ist überhaupt der Öffentlichkeit zugänglich? Immerhin stellen alte Dokumente ja auch einen Wert dar und sind teilweise empfindlich. Darf da ein Ausländer überhaupt ran? Wenn ja: Kann er die alten Schriftzeichen und die damals eventuell unterschiedliche Ausdrucksweise gut genug?

    Die Chenfamilie hat ja auch ihre Sammlung alter Aufzeichnungen und Schriften, ihre Chronik, ihre Annalen- da findet man mehr über Chen Wangting. Aber: Hat das der Nachforscher gelesen, bzw. wollte er es überhaupt lesen oder ging es ihm eher darum, die Geschichte des Chen Taiji zu widerlegen- wie objektiv ist er rangegangen?

    Darum die Frage: Welchen Unterschied macht es? Die Kampfkunst wird ja nicht besser oder schlechter deswegen.

    Wer genug Erfahrung und Durchblick hat, hat ja längst entdeckt, daß wir im Chenstil alles finden, was auch in anderen MAs drin ist.
    Wie umfangreich und gut das heute noch praktiziert wird, steht auf einem anderen Tablett.

    Vereinfachungen findet man in jedem Taiji Stil.
    Die Zeit, von Kindheit an täglich mehrere Stunden zu trainieren, hat keiner mehr, bzw. wenn, dann fehlen oft die Trainingspartner.
    Weil wir Taiji heute nicht mehr zum Überleben brauchen. Es gibt Schußwaffen und unsere Gesellschaft bietet- verglichen mit damals- ein sicheres Umfeld.

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