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Thema: Marc Aurel und die antiken Stoiker bis zum neuzeitlichen Stoizismus

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  1. #1
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    Standard Marc Aurel und die antiken Stoiker bis zum neuzeitlichen Stoizismus

    Marcus Aurelius Antonius, Selbstbetrachtungen. V. 9

    "Meine nicht, dass die Philosophie ein Zuchtmeister sei. Denn nichts wird dich zwingen, der Vernunft zu gehorchen. Man muss sich ihr vielmehr vertrauensvoll hingeben."

    Quelle: Gutenberg Projekt

    Marcus Aurelius Antonius (seine Selbstbetrachtungen werden im englischsprachigen Raum heutzutage Meditationen genannt) findet unter anderem großen Anklang in der Kampfkunst-Szene in den USA, zusammen mit Sun Tzu (der chinesische Meister der Strategie und der Kriegführung) und Miyamoto Musashi (Das Buch der fünf Ringe - Klassische Strategien aus dem alten Japan).

    Auch früher schon wurde Marcus Aurelius Antonius (im deutschsprachigen Raum oft kurz Marc/Mark Aurel genannt) vor allem von Adligen und Militärangehörigen zum Vorbild genommen, während die Kirchen und Franziskanerklöster im Sinne des einfachen Lebens eher Epiktet favorisierten. Auch ich ordne Epiktet eher dem Minimalismus zu (Reduktion von Besitz & Reizüberflutung), während Marc Aurel Zitat für Zitat zu meiner eigenen optimierten Handlungsanleitung passt, was derzeit für mich im Vordergrund steht.

    Interessant übrigens, wie der erste römische Kaiser Augustus als Pontifex maximus (höchster Priester) auftrat, weil die römische Bevölkerung unzufrieden war mit der aufkommenden Unmoral. Das erklärt wohl auch den eigenen stoisch-moralischen Anspruch des späteren Philosophenkaisers Marcus Aurelius Antonius.

    Das Schlichte und Einfache am Stoizismus entspricht dem stoizistischen Bestreben nach Reduktion auf das Wesentliche. Gerade das gefällt mir besonders gut. Es kommt ohne diesen (für mich unnötigen, dogmatisch starren) Überbau der Religionen aus und trifft gleichzeitig doch den noch lebendigen Wesenskern der Religionen als gemeinsamen Hauptnenner der Achtsamkeit, Ethik, Religiosität und Spiritualität. Ich fühle mich ausgesprochen wohl mit dem Stoizismus und bin dort wirklich angekommen. Es setzt die in den Religionen gebundene Energien frei, da es im Gegensatz zu den traditionellen Religionen kein geschlossenes, sondern ein offenes philosophisches System darstellt.

    Marcus Aurelius Antonius, Selbstbetrachtungen. XII 6+9, X 34.

    "Gewöhne dich auch an Dinge,
    deren Ausführbarkeit du anfangs bezweifelst.
    Fasst du ja auch mit der linken Hand
    dennoch die Zügel kräftiger an als mit der rechten;
    obgleich die linke aus Mangel an Übung gewöhnlich schwächer ist,
    doch hierzu wird sie beständig gebraucht.

    Bei Anwendung deiner Grundsätze
    sei dem Ringer und nicht dem Zweikämpfer ähnlich.
    Dieser nämlich wird niedergestochen,
    sobald er sein Schwert verliert,
    jenem aber steht sein eigener Arm immer zu Gebote,
    und derjenige hat weiter nichts nötig,
    als ihn recht zu gebrauchen.

    Wer von den Grundsätzen der Wahrheit durchdrungen ist,
    für den ist auch der kurze und allseits bekannte Spruch genügend,
    um ihn an ein getrost furchtloses Wesen zu mahnen."


    Quelle: Projekt Gutenberg

    Die philosophisch weltoffene Lehre der Stoa weist auf den eigenen intuitiven Zugang zur geistigen Welt hin ohne Hilfsmittel von außen, wie ein Ringer, der sich nur mit den eigenen lebendigen Armen behauptet ohne künstliche, tote Hilfsmittel wie ein Schwert, das nicht Teil von ihm ist, sondern ihm in die Hand gegeben wird als Vorlage und Methode, welche nicht von innen kommt.

    Auch mir erscheinen all die Schwerter der Religionen, spirituellen Systeme, Ideologien und Denksysteme letzten Endes als nicht mehr lebendige, brüchige, erstarrte (Schwert-) Gerüste, die nur wie wegweisende Pfeile zur Inspiration & Erstorientierung taugen, mehr aber nicht.

    Es ist gut, die Konstrukte zu kennen, aber letztlich gehe ich den Weg des Ringers und nicht des Schwertkämpfers. Lieber nicht alles im Schnellgang mit dem Schwert oberflächlich ergründen wollen, dafür profunde eigene Erfahrungen "erringen", die umgesetzt werden und sich in meinem Leben manifestieren. Nur das bringt die Mehrdimensionalität einer qualitativen Weiterentwicklung. Darauf will ich mich künftig noch mehr beschränken, um mehr Tiefe und Höhe zu erfahren.

    Wer bestimmt die Richtung? Der Kutscher oder die Pferde? Es geht letztlich um Eigenständigkeit, Selbstbestimmung und Selbststeuerung.

    Philosophische Grüße!
    eure Joykey

  2. #2
    Gast Gast

    Standard

    Zitat Zitat von Joykey Beitrag anzeigen
    .

    Es ist gut, die Konstrukte zu kennen, aber letztlich gehe ich den Weg des Ringers und nicht des Schwertkämpfers. Lieber nicht alles im Schnellgang mit dem Schwert oberflächlich ergründen wollen, dafür profunde eigene Erfahrungen "erringen", die umgesetzt werden und sich in meinem Leben manifestieren. Nur das bringt die Mehrdimensionalität einer qualitativen Weiterentwicklung. Darauf will ich mich künftig noch mehr beschränken, um mehr Tiefe und Höhe zu erfahren.
    Also übst du tatsächlich Ringen, oder ist das alles nur Theorie?

  3. #3
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    Nicht Ringen zu üben , bedeutet in diesem Kontext , nicht automatisch nur zu theoretisieren. Wenn ich es richtig verstanden habe geht es ihr um eine bestimmte Art an Dinge heran zu gehen , zu erforschen . Nicht über fremde Hilfsmittel , sondern mit den eigenen , von Natur aus gegebenen vertrauten Werkzeugen . und das dann ganz praktisch .
    Die verstehen sehr wenig , die nur das verstehen , was sich erklären lässt. ( Marie v. Ebner-Eschenbach)

  4. #4
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    so ein schwert ist doch ganz praktisch. hat so manch ambitionierten ringer den arm "verlieren" lassen... und ohne ist der ringer nicht mehr zu "gebrauchen" und unfähig geworden seine ziele zu erreichen.

    "I prefer them to be awake when I severe their arms and beat them to death with it." Maul Mornie und sein Verhältnis zu k.o.s

  5. #5
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    Zitat Zitat von amasbaal Beitrag anzeigen
    so ein schwert ist doch ganz praktisch. hat so manch ambitionierten ringer den arm "verlieren" lassen... und ohne ist der ringer nicht mehr zu "gebrauchen" und unfähig geworden seine ziele zu erreichen.

    Ich finde die Schwerter ganz schön unpraktisch. Die stören dauernd beim Fahrradfahren, die Äpfel werden immer nur gespalten und nicht geschnitten und im Bus beschweren sich immer alle

    @TE: Ich meine den Ringervergleich verstanden wollen zu haben, aber mir ist nicht ganz klar, ob du über M.A., den Stoizismus oder Philosophie an sich reden möchtest?

  6. #6
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    Den metaphorischen Ringervergleich hat ja Marcus Aurelius gebracht im Zitat, worauf ich mich dann beziehe in meinem anschließenden Kommentar dazu. Obwohl Marcus Aurelius (oder kurz Marc Aurel) als römischer Feldherr (und Kaiser) den Ringkampf von Grund auf körperlich beherrschte, konnte er darüber hinaus eine stoisch-philosophische Bedeutung aus der praktisch-körperlichen Anwendung des römischen Ringkampfes ziehen. Jetzt mal auf den körperlichen Aspekt bezogen, favorisiere ich Selbstverteidigung ohne Waffengebrauch. Von daher ist auch das für mich stimmig.

    Thematisch geht es im Thread um den Stoizismus, wobei Marcus Aurelius der beste Einstieg ist. Es gab in den englischsprachigen Stoiker-Gruppen Umfragen dazu. Marc Aurel wurde am meisten genannt, insbesondere von den Kampfkunst-Stoikern. Und ich persönlich habe auch gleich Marc Aurel favorisiert, weil er anschauliche Gleichnisse bringt und sehr handlungs- und zielorientiert denkt.

    Der Schwertkämpfer in Marc Aurels Ringergleichnis ist wie ein junger Falke, der nicht selbst fliegen lernen will, sondern sich lieber auf das Segelfluggestell seines Falkners setzt. Dadurch entsteht Abhängigkeit von einem nicht immer zur Verfügung stehenden Objekt (Schwert, Segelfluggestell). Die gleiche Abhängigkeit, die vielfach streng geschlossene Religionen, Ideologien und vorgebende Denksysteme im Menschen bewirken.

    Die weltoffene Philosophie der antiken Stoiker hilft mir, mich innerlich zu entlasten und räumt auf mit meinen persönlichen Diskrepanzen zu den Religionen, von denen ich mich entfernt habe, auf stoische Weise, ohne dass ich meinen Glauben verloren hätte, ganz im Gegenteil. Aber ich habe meinen individuellen Glauben gefunden und der sympathisiert mit dem Stoizismus. Sobald ich mich irgendwie belastet fühle, hilft es mir, stoizistische Texte und Zitate zu lesen.
    Geändert von Joykey (01-08-2021 um 08:58 Uhr)

  7. #7
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    @period: ich hatte beim Lesen des Zitats tatsächlich denselben Gedanken. Es gibt noch ne zweite Möglichkeit, wie die Situation gemeint sein könnte: Beide (Ringer und Schwertkämpfer) treten gegen einen Schwertkämpfer an.

    Ein Hinweis darauf kommt aus dem Kontext davor mit der starken linken Hand. Die Aussage wäre dann bei beiden Bildern dieselbe: Wenn man genügend übt, "Gewöh[nt man sich] auch an Dinge,
    deren Ausführbarkeit du anfangs bezweifelst." = die linke Hand wird stärker als die rechte und der Arm wird stärker als das Schwert.

  8. #8
    gast Gast

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    Period hat sich ja schon eindeutig geäußert, der Begriff "Schwertkampf" ist
    untrennbar mit dem Begriff "Ringen" verknüpft, das ist nicht nur in den HEMA so

    wenn heutzutage sportive Bewegungsformen wie olympisches Fechten, Boxen, Ringen
    das getrennt darstellen, führt das halt zu Interpretationsfehlern
    wenn der gute Mann das also im Text so trennt (sofern die Übersetzung korrekt ist), kann man
    da sicherlich drüber nachdenken, ist halt problematisch 2000 Jahre später ohne ernsthafte Kenntnisse
    von "Schwertkampf" auswerten zu wollen

    liest man den Beitrag zum "Weg" geht es da ja um "Seele" bzw. "Herrschaftsführende", ich
    würde das heutzutage anders lesen als vor 10 Jahren, da hätte ich mich am Begriff ""Seele"
    hochgezogen und "Herrschaftsweise" überlesen, heute würde ich jetzt erstmal forschen,
    wie Stoiker "Seele" definieren und das Originalwort für "Herrschaftsweise" ergründen
    kann ich mir persönlich aber sparen, ich habe da meine eigene Definition und würde
    das auch anders beschreiben als er

  9. #9
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    Die antiken Stoiker entwickelten eine Ethik, die in der Natur des Menschen gründet und im göttlichen LOGOS des Kosmos verankert ist (Allnatur). Logos (Geist Gottes) gestaltet die Hyle (stoffliche Materie) und durchdringt diese, so wie die vergeistigte Seele den materiellen Körper durchströmt und durch diesen tätig wird, dabei jedoch ihre eigene Existenz beibehält.

    Logos ist im Judentum das ewige Denken des einen G-ttes, das bei der Schöpfung wirkt, und im Christentum ist Logos von Gottes Wesen und als Wort bei Gott im Anfang aller Dinge. Also klare Parallelen.

  10. #10
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    Was mir zum Weg noch einfällt: Gehe es in Etappenzielen an!

    Dazu passend gibt es eine schöne Beschreibung zum römischen Brückenbau über Stromflussläufe im Youtube-Video "Antike: Wissen - Fakten - Hörbücher - Die Adoptivkaiser Teil 3: Antoninus Pius und Mark Aurel (Cassius Dio)" von 8:40-10:20

    "Die Flussläufe (der Ströme) werden von den Römern fast mühelos überbrückt, da die Soldaten dauernd auch dies wie sonst eine Kriegsmaßnahme üben, sowohl an Ister (der Donau), als auch am Rhein und Euphrat. Der Vorgang, wahrscheinlich nicht allgemein bekannt, vollzieht sich folgendermaßen: Die Schiffe, mit deren Hilfe der Fluss überbrückt werden soll, sind breit gebaut und werden ein kurzes Stück stromaufwärts vor der geplanten Übergangsstelle verankert. Auf ein gegebenes Zeichen hin lassen sie als Erstes ein einzelnes Schiff nahe dem eigenen Ufer flussabwärts treiben. Kommt es dann auf die Höhe des Punktes, wo die Brücke entstehen soll, werfen sie einen mit Steinen gefüllten und an einem Seil befestigten Weidenkorb ins Wasser, der als eine Art Anker dient. Nachdem das Schiff derart vertäut ist, bleibt es in Ufernähe an seinem Ort. Und nun legt man zugleich mit Brettern und sonstigen Brückenbau-Materialien, welche das Schiff in großer Menge mit sich führt, ein Verdeck bis zum Landeplatz. Hierauf lässt man ein weiteres Schiff in geringem Abstand zum ersten und wiederum ein anderes jenseits davon flussabwärts fahren, bis so die Brücke das Gegenufer erreicht."

    Quelle: Youtube-Video "Antike: Wissen - Fakten - Hörbücher - Die Adoptivkaiser Teil 3: Antoninus Pius und Mark Aurel (Cassius Dio)":

  11. #11
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    Auf kürzestem Weg, wie es sich bei den geradlinig bauenden Römern als gängige Bauweise erfolgreich etabliert hat, führt die fortlaufend selbst erbaute Römerstraße zur steilen Küste mit Strand, wo nun vor Ort ein Schiff zu errichten wäre für die nächste Etappe.

    Entwickle für Dein Ziel eine klare Vision - wie ein Schiff und behalte dies im Fokus
    - indem Du Ablenkungen davon loslässt.

    "Wenn Du ein Schiff bauen willst,
    dann trommle nicht Männer zusammen,
    um Holz zu beschaffen,
    Aufgaben zu vergeben
    und die Arbeit einzuteilen,
    sondern lehre die Männer die Sehnsucht
    nach dem weiten, endlosen Meer."

    (Antoine de Saint-Exupery)

    “Wenn auf einer Seefahrt das Schiff am Lande hält
    und du steigst aus, um Wasser zu holen,
    so magst du wohl nebenher eine Muschelschale auflesen
    oder einen Tintenfisch;
    dein Augenmerk aber muss aufs Schiff gerichtet sein,
    und du musst dich immer wieder umsehen,
    ob nicht vielleicht der Steuermann ruft.
    Ruft er dich, so musst du alles liegen lassen,
    damit du nicht gebunden in das Schiff geworfen wirst,
    wie es mit den Schafen geschieht.”

    (Der Stoiker Epiktet)

    Eine sachoffene innere Haltung sowie eine positive Einstellung und Bereitschaft zur Herangehensweise helfen, um EINEN Fokus zu finden!

    Der Bunkerblick des Singletasking reicht bei mir noch nicht, um mich ausreichend zu fokussieren. Das geht nur, indem ich mich nicht von den Problemen treiben lasse (viel Willensaufwand nötig), sondern von meinen Zielen beflügelt werde (die Zielvorstellung ist stärker als der Wille).

    Die Konzentration auf EINEN Fokus erinnert mich an den bekannten Leitsatz des römischen Philosophenkaisers Aurelius zu diesem Thema:

    Marcus Aurelius Antonius,
    Selbstbetrachtungen. VIII 36, VII 29:

    “Lass dich nicht durch die Vorstellung deines Lebens
    *in seiner Gesamtheit* entmutigen!
    Fasse nicht *alle* Leiden, welche vielleicht noch an dich kommen können,
    nach Beschaffenheit und Menge *auf einmal* in Gedanken zusammen,

    sondern frage dich vielmehr bei jedem gegenwärtigen Vorfalle:
    Was ist denn daran eigentlich so gar nicht zu ertragen und auszuhalten?

    Erinnere dich ferner, dass weder das Zukünftige noch das Vergangene,
    sondern immer nur das Gegenwärtige dich drücken könne,
    letzteres aber vermindert werde, wenn du *es allein* ins Auge fasst
    und deine denkende Seele davon überführst,
    dass sie nicht einmal diese *kleine Bürde* aushalten könne.

    Mach den Einbildungen ein Ende!
    Hemme den Zug der *Leiden*-schaften!
    Behalte die Gegenwart in deiner Verfügungsgewalt!
    Mache dich mit dem, was dir oder einem anderen begegnet, vertraut.
    Trenne und zerlege jeden Gegenstand in seine Ursache und seinen Stoff!”


    Quelle: Projekt Gutenberg

    Solche Zitate oder Redewendungen können helfen, sich in Schwung zu bringen. Mir hilft der Slogan "Go with the Flow", aber ich schrieb dazu vorgängig eine persönliche Handlungsanleitung und dieser Slogan und ähnliche Sätze verankern es in meinem Gedächtnis, um es jederzeit abrufen zu können. Marc Aurel weist auch auf diese Methodik der Durchdrungenheit hin mit seinem Hinweis auf den allseits bekannten Spruch als Mahnung und Ankerformel zur Furchtlosigkeit. Einfache anschauliche Bilder haben eine größere Wirkungskraft als Worte allein.

    Marcus Aurelius Antonius, Selbstbetrachtungen. Quelle: Projekt Gutenberg.
    "Wer von den Grundsätzen der Wahrheit durchdrungen ist,
    für den ist auch der kurze und allseits bekannte Spruch genügend,
    um ihn an ein getrost furchtloses Wesen zu mahnen."


    Auf diese Weise versuche ich, mich in den aktiven Flow des Singletasking zu versetzen, damit der anfängliche Aufwand weniger weh tut und der Antrieb besser fließt. So hilft es mir, vorgängig meine selbst geschriebene Handlungsanleitung und dazu passend Zitate des Stoikers Marc Aurel sowie Kerninhalte der antiken Stoiker zu lesen, z. B. Logos als gestalterisch tätiges Prinzip, Materie als zu gestaltendes passives Prinzip, wie Yin und Yang.

    Es braucht jedoch für die Umsetzung eine ausreichend eigenreflektierende lebensthematische "Durchdrungenheit" und Selbstkonditionierung wie beim Reiten & Ringen, damit es sozusagen auf Knopfdruck aktiviert wird, worauf Marc Aurel hinweist. Deshalb lese ich die Zitate öfter.

    Marcus Aurelius Antonius, Selbstbetrachtungen. Quelle: Projekt Gutenberg.
    "Gewöhne dich auch an Dinge,
    deren Ausführbarkeit du anfangs bezweifelst.
    Fasst du ja auch mit der linken Hand
    dennoch die Zügel kräftiger an als mit der rechten;
    obgleich die linke aus Mangel an Übung gewöhnlich schwächer ist,
    doch hierzu wird sie beständig gebraucht."


    Synchronisiere dabei Deine linke mit Deiner rechten Gehirnhälfte, damit sie im Einklang miteinander arbeiten!
    z. B. durch schöne Erinnerungen der Selbstwirksamkeit.

    - Youtube: Acerting Art - Klänge der Natur mit entspannenden Ozean-Sounds zum Schlafen
    - Youtube: Super Focus - Flow State Music - Alpha Binaural Beats, Study Music for Focus and Concentration
    Geändert von Joykey (02-08-2021 um 18:23 Uhr)

  12. #12
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    Zitat Zitat von Kirke Beitrag anzeigen
    @period: ich hatte beim Lesen des Zitats tatsächlich denselben Gedanken. Es gibt noch ne zweite Möglichkeit, wie die Situation gemeint sein könnte: Beide (Ringer und Schwertkämpfer) treten gegen einen Schwertkämpfer an.

    Ein Hinweis darauf kommt aus dem Kontext davor mit der starken linken Hand. Die Aussage wäre dann bei beiden Bildern dieselbe: Wenn man genügend übt, "Gewöh[nt man sich] auch an Dinge,
    deren Ausführbarkeit du anfangs bezweifelst." = die linke Hand wird stärker als die rechte und der Arm wird stärker als das Schwert.
    Na ja, ich weiss nicht so recht. Ich würde da im römischen Kontext eher auf den Schwertkämpfer setzen - der hat nämlich immer noch den Schild, den man als Angriffswaffe nicht unterschätzen sollte. Ein Jab mit dem 8kg Schild gegen den Kopf kann jemanden noch in der Luft waagrecht hinlegen - ich war mal in so nem Fall indirekt beteiligt, und zwar als der, der den Jabber spezifisch darauf gedrillt hat Ich habe übrigens auch schon bei diversen unchoreografierten Kämpfen mit stumpfen Waffen mit dem Dolch gegen Schwert und Schild gerungen. Wenn man es schafft, in den Clinch zu kommen und dann einen outside arm drag mit der hinteren Schildkante zu machen, ist der ganze Rücken als Trefferfläche frei und der Typ kann sich im Leben nicht mehr rechtzeitig umdrehen. Allerdings ist es schwierig, da hin zu kommen wenn der Typ mit Schwert und Schild in der Distanz Zeit hat. Für mich ist das eigentlich immer gut ausgegangen, weil sich die Situation daraus ergeben hat, dass jemand an meiner Stangenwaffe vorbei wollte, aber mit dem Dolch oder sogar ohne gegen Schild und Schwert anzufangen ist eine ziemlich eklige Situation.

    Beste Grüsse
    Period.

  13. #13
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    Zitat Zitat von Joykey Beitrag anzeigen
    Marcus Aurelius Antonius (seine Selbstbetrachtungen werden im englischsprachigen Raum heutzutage Meditationen genannt) findet unter anderem großen Anklang in der Kampfkunst-Szene in den USA, zusammen mit Sun Tzu (der chinesische Meister der Strategie und der Kriegführung) und Miyamoto Musashi (Das Buch der fünf Ringe - Klassische Strategien aus dem alten Japan).

    Auch früher schon wurde Marcus Aurelius Antonius (im deutschsprachigen Raum oft kurz Marc/Mark Aurel genannt) vor allem von Adligen und Militärangehörigen zum Vorbild genommen, während die Kirchen und Franziskanerklöster im Sinne des einfachen Lebens eher Epiktet favorisierten. Auch ich ordne Epiktet eher dem Minimalismus zu (Reduktion von Besitz & Reizüberflutung), während Marc Aurel Zitat für Zitat zu meiner eigenen optimierten Handlungsanleitung passt, was derzeit für mich im Vordergrund steht.

    Interessant übrigens, wie der erste römische Kaiser Augustus als Pontifex maximus (höchster Priester) auftrat, weil die römische Bevölkerung unzufrieden war mit der aufkommenden Unmoral. Das erklärt wohl auch den eigenen stoisch-moralischen Anspruch des späteren Philosophenkaisers Marcus Aurelius Antonius.
    Ich habe in der Schriftenreihe der Eidgenössischen Militärbibliothek (EMB) und des Historischen Dienstes eine Quelle gefunden, welche aufzeigt, dass der Einfluss des griechisch-römischen Stoizismus auf die militärischen Zielgruppen von vornherein angestrebt und verquickt wurde durch eine stoische Militärmetaphorik, um die verwilderten Heere zu disziplinieren und ethisch zu schulen, da diese vorher völlig unkontrolliert herumzogen und die Zivilbevölkerung des römischen Reichs ausbeuteten, vergewaltigten und ermordeten.

    Damit kann "der Stoizismus als (weitreichende) Konstitutionsbedingung der Neuzeit anerkannt werden" (Günter Abel).
    Und: "Senecas Adressaten sind nicht Fachphilosophen, sondern in Militär und Politik avancierte Männer von Stand."
    Außerdem: "Denn was für die Philosophie des Seneca gilt, gilt ebenso für die Philosophie des Justus Lipsius (1547 - 1606), des Hauptvertreters neustoischer Philosophie. Lipsius war [...] Verfasser einiger militärhistorischer und militärtheoretischer Schriften, die für die Entwicklung des niederländischen und später des preussischen Heerwesens richtungweisend wurden."

    Quelle: S. 6, 7, 19, 20, 24 Andreas Urs Sommer, Zur militärischen Metaphorik im Stoizismus, Nr. 2 aus: Schriftenreihe der Eidgenössischen Militärbibliothek (EMB) und des Historischen Dienstes, Bern, Oktober 2002.

  14. #14
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    Zitat Zitat von Joykey Beitrag anzeigen
    Ich habe in der Schriftenreihe der Eidgenössischen Militärbibliothek (EMB) und des Historischen Dienstes eine Quelle gefunden, welche aufzeigt, dass der Einfluss des griechisch-römischen Stoizismus auf die militärischen Zielgruppen von vornherein angestrebt und verquickt wurde durch eine stoische Militärmetaphorik, um die verwilderten Heere zu disziplinieren und ethisch zu schulen,
    Um Soldaten zu disziplinieren braucht man keine besondere philosiophische Ausbildung. Dieses Bild von den edelen, philosophisch gebildeten Kriegern findet man eigentlich nur bei Leuten die mit dem Kämpfen direkt nicht viel oder gar nichts zu tun haben. Und disziplinierte Heere gab und gibt es auch ohne eine aufs Militär zugeschnittene Philosophie. Wobei sie natürlich unterstützen kann. Das ist aber noch mal ein anderes Thema.
    Ich würde auch bezweifeln, dass der Stoizimus entwickelt wurde und dann dem Militär übergestülpt wurde. Eher umgekehrt. Ja auch heute findet man bei vielen Soldaten, Kämpfern, Kriegern einen Hang zum Stoizismus. Das liegt daran, dass der Stoizismus ganz gut zum Leben eine Kämpfers passt. Bzw du den Bewältigungsstrategien. Ich würde also behaupten, dass bei den meisten Kämpfern, die sich mit den Stoikern beschäftigen und sich dementsprechen verhalten, ihr Verhalten nicht durch den Stoizimus geprägt wurde, sondern dass sie sich die Stoiker ausgesucht haben, weil sie zu ihrem Weltbild passen. Einige Richtline oder Grundsätze des Stoizismus können sich einfach bei einer bestimmten Lebensweise ergeben.
    Von daher würde ich behaupten dass die Prägung hauptsächlich vom Militär Richtung Stoizismus ausging und nicht umgekehrt.
    “Das ist zwar peinlich, aber man darf ja wohl noch rumprobieren.”
    - Evolution

  15. #15
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    Zitat Zitat von OliverT Beitrag anzeigen
    Von daher würde ich behaupten dass die Prägung hauptsächlich vom Militär Richtung Stoizismus ausging und nicht umgekehrt.
    Beides. Im frühen Stoizismus in Griechenland spielt die Militärmetaphorik eine noch unbedeutende, untergeordnete Rolle. Der vernünftige Stoizismus kam den pragmatischen Römern mit ihrem rational organisierten Behördenapparat (Rechtswesen, Politik, Militär) im ganzen römischen Reich sehr entgegen.

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