Zitat von
Julian Braun
Meine Fragen waren ja nicht speziell auf Kata bezogen, sondern eben ganz allgemein: Was wurde unter dem Namen "Karate" bzw. denn früheren Bezeichnungen den tatsächlich trainiert; mit welchem Zweck; und von wem?
Naja, da wo noch „in einer authentischen Linie“ trainiert wird, machen die das doch genau so: Kihon, Kumite (Ein-Schritt, Mehr-Schritt, frei, etc.) und Kata nebst ihren Anwendungen. Also nicht nur beim Goju Ryu, sondern auch im Shorin Ryu Seibukan beispielsweise. Im Shotokan wird auch so geübt, allerdings mag es da zu mancherlei Abweichungen von der ursprünglichen Linie gekommen sein.
Als Leibwächter im Okinawa des späten 19 Jh. z. B. macht man m. M. n. keine SV. Man trainiert eine militärische Angriffskunst, die natürlich auch Methoden beinhaltet, sich selbst zu schützen. Mit speziellen Waffen und für spezielle Szenarien. Hat aber nichts mit SV im heutigen Sinne zu tun. Aber auch hier die Frage: Was genau hat den Matsumura Sokon trainiert, und wie? Weiß man da Bescheid?
Ich hab mal gelesen, dass am Hofe keine Waffen erlaubt waren und seine Arbeit eher war potentielle Attentäter präventiv auszuschalten, weswegen sein „Karate“ auch eher auf Distanz ausgelegt gewesen sein soll als bspw. andere Stile von Okinawa. Mal sehen, ob ich das noch finde. Wäre aber natürlich nicht direkt SV im engeren Sinne aber immerhin noch geeignet, jemanden umzunieten.
Wieso gibt es so krass viele unterschiedliche Ausführungen in den Kata?
Wo genau gibt es die denn. Habe letztens mal Seisan vom Seibukan „gelernt“. so krass unterschiedlich zu unserer Hangetsu war die jetzt nicht? Und deren Naihanchi ist auch nicht so wahnsinnig groß anders als unsere Tekki.
Warum sind verschieden Stile in den CMA so unterschiedlich?
Vielleicht doch, weil es beliebig ist, weil sie keinen großen Beitrag für die kämpferische Fertigkeit liefern?
Vielleicht. Vielleicht auch, weil der persönliche Zugang der verschiedenen Lehrer zum Kämpfen recht unterschiedlich war? Und auch die Situationen, in denen sie das mussten? Angeblich war es ja früher durchaus üblich, in Naha ins Rotlichtviertel zu gehen und seine Skills zu testen. Das ist natürlich was anderes als als Leibwächter jemand ausknipsen zu müssen. Und vermutlich auch was anderes als als Wandermönch sich mit einem Stab zu schützen.
Vor allem aber, was sagt die Unterschiedlichkeit von Stilen über ihre kämpferische Relevanz in SV aus?
Hat Funakoshi Karate nicht auch als Charakterschulung verstanden?
Später schon, wenn ich das richtig verstanden habe. Als er der Meinung war, SV werde „heutzutage“ (also damals) nicht mehr (oder nur noch anders) gebraucht. Und insbesondere Waffen, die er ja (fast) komplett weggelassen hat (sein Sohn hat ja noch eine Ausbildung mit Waffen genossen, wenn man Hennings „Zwei Kampfkunstmeister“ folgt).
Im Karate Do Kyohan von 1935 (Übersetzung von H. Bittmann) gibt es zudem sowohl zu SV für Frauen als auch zu SV gegen Waffen ein eigenes Kapitel. So ganz irrelevant kann es dementsprechend auch nicht gewesen sein.
Es hat sich wohl eher der Fokus verschoben: Körperschulung, Fitness und mentales Training ergänzt um SV-Elemente. Kann man doof und nutzlos finden, ich persönlich finde hingegen, dass es in der Kombination viel besser in die heutige Zeit passt als reines SV-Training, wenn man es nicht gerade beruflich benötigt.
Vielleicht war die Kata mehr der Teil um das zu schulen, und ansonsten haben die Sparring gemacht?
Das ist soweit ich das überblicke das, was die Japaner daraus gemacht haben. Womit ich das nicht werten will.
Ich weiß es auch nicht - aber die bisherigen Antworten befriedigen mich halt auch nicht.
Ich denke, am Ende muss man entweder jemanden finden, der es für einen passend unterrichtet oder selber für sich passend machen. Oder halt einfach was anderes machen.
Fragt sich, ob dieses Nicht-Wissen sonderlich schlimm oder dramatisch ist. Für mich nicht (mehr).
„Grau teurer Freund, ist alle Theorie. Und grün des Lebens goldner Baum.“