Generell kann man das spätmittelalterliche Fechten als "Ringen mit der und um die Waffe" (Rainer Welle) zusammenfassen - über alles vor dem Spätmittelalter haben wir wenige verlässliche Quellen. Bis in das späte 16./frühe 17. Jh. war Ringen also ein elementarer Teil des bewaffneten Kampfes, ob zu Fuss oder zu Pferd, mit Klingen- oder Stangenwaffen; zumindest nach einigen Quellen wohl auch der, mit dem die Ausbildung begonnen wurde. Es gab im 15. Jh. Fechtmeister wie den ominösen Liechtenauer, Talhoffer, Kal, Fiore und Monte, die den mehr oder weniger querbeet unterrichtet haben, wenn auch in der Regel mit einem bestimmten Anwendungsspektrum wie dem gerichtlichen Zweikampf. Auf der anderen Seite gab es auch Spezialisten, etwa Lecküchner (Langes Messer) oder Ott und Auerswald (Ringen). Einige davon waren Geistliche (Döbringer, Lecküchner), einige bürgerlich (Meyer, Mair), andere vermutlich einfacher Herkunft (z.B. der anonyme Autor des jüngeren Teils des Codex Wallerstein), wieder andere soziale Aufsteiger aus Randgruppen (Ott war getaufter Jude). Ringen dürfte damals auch Volkssport gewesen sein, die Hauptkunden der Fechtmeister düften im 15. Jh. vorwiegend adelig, im 16. Jh. dann vermehrt bürgerlich gewesen sein.
Im Laufe des 16. bzw. frühen 17. Jh. verlieren dann das Ringen an der Waffe und zugleich der unbewaffnete Kampf weitestgehend ihre militärische Bedeutung; es werden verschiedene Gründe angegeben, sei es nun die Entwicklung der höfischen Kultur oder eine Professionalisierung des Ringkampfes. Ich für meinen Teil schiebe das mal wieder auf die Feuerwaffen, die generell gerne als Haupfaktor für den militärischen Bedeutungsverlust des Adels ("Ritter" ist da ein schwieriger Begriff, nachdem der den Ritterschlag beinhaltet - im 15. Jh. haben den aber schon längst nicht mehr alle Adeligen, die beritten in den Kampf gezogen sind erhalten, weil teuer und mit bestimmten Auflagen verbunden; "ritterbürtig" wird daher ein wichtiger Begriff) angeführt werden. Feuerwaffen führen dazu, dass Rüstungen nach und nach sinnlos werden; das wiederum führt zur Entwicklung anderer Klingenwaffen (Rapier, Florett, Smallsword, Säbel), die in einer weiteren Kampfdistanz (Mensur) verwendet wurden. Das wiederum bedeutet, dass weniger an und mit der Waffe gerungen wurde, bis schliesslich das Ringen nur noch als rohe und gefährliche, nicht adelstaugliche und ilitärisch irrelevante Disziplin gesehen wurde. Auch für gewöhnliche Soldaten war es spätestens ab dem Zeitpunkt weniger attraktiv, sodass der bewaffnete Kampf vom unbewaffneten entkoppelt wurde und letzerer nur noch gelegentlich als "zivile SV" (Paschen, Petters) in Erscheinung tritt. Ansonsten wurde die kämpferische Ausbildung neben den Schusswaffen vom Hieb- und Stossfechten dominiert.
Im Zuge der nationalistischen Bestrebungen im 19. Jh. (z.B. Turnerbewegung, gibt aber auch in anderen europäischen Ländern ähnliche Tendenzen) hat man die alten Meister dann wieder ausgegraben und wiederzubeleben versucht. Die offizielle Rückkehr des unbewaffneten Nahkampfes in der militärischen Ausbildung "auf breiter Front" kommt dann erst wieder mit dem Grabenkampf des ersten Weltkrieges, im Zuge dessen sich die Mensur verkürzt und wieder "close quarter" gekämpft wurde. Lustigerweise wurde zum Teil zumindest zeitweise auch dafür mittelalterliche Quellen verwendet (die italienischen Arditi haben anfangs ein an Fiore orientiertes Dolchsystem verwendet, sind dann aber auf eine Mischung aus italienischen Messersystemen und italienischen Ringkampfstilen umgeschwenkt); ansonsten hat man im ersten und zweiten Weltkrieg wieder vermehrt Ringer (z.B. de Relwyskow, Cosneck) und Boxer (z.B. Dempsey) beauftragt, die Nahkampfausbildung in die Hand zu nehmen. Imi Lichtenfeld war beides in Personalunion.
Soweit meine - naturgemäss stark vereinfachte und keineswegs vollständige - Sicht auf das Phänomen
Als Überblickslektüre zum Thema empfehle ich Sydney Anglo "Martial Arts of Renaissance Europe", zum unbewaffneten Kampf im deutschsprachigen Raum des 15.-16. Jh. die gesammelten Werke des Rainer Welle.