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Thema: Freefight - Kämpfe ohne Regeln

  1. #1
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    Standard Freefight - Kämpfe ohne Regeln

    Hallo zusammen,
    hier etwas Training für die Gehirnzellen. Autor ist Nils Baratella, Doktor (der Philosophie) an der Uni Oldenburg. Trotzdem befaßt er sich mit Kampfsportarten wie Boxen und hier eben Freefights. Da endet die Philosphie mit Platzwunden; er scheint selber zu boxen.

    Kleiner Ausschnitte, Link folgt:
    >Meine These ist, dass Free-Fight eine Entsprechung in Gegenwartsphänomenen hat, die als Zeitgeist des Neoliberalismus bezeichnet werden können. Kampfsportarten sind besonders zeigekräftige, popular-kulturelle Phänomene, da Gesellschaften in ihnen ihr Verhältnis zu zwischenmenschlicher, körperlicher Gewalt verhandeln. In den Konflikten um Kampfsport wird sichtbar, wie die Grenzen öffentlich zugelassener, körperlicher Gewalt, in den reglementierten Formen des Sports, verhandelt werden. Popularität von Kampfsport und die Begründungen staatlicher Einschränkungen stehen sich hier häufig gegenüber – doch gerade in diesem Gegensatz zeigt eine Gesellschaft ihr ambivalentes Verhältnis zu Gewalt.<

    https://brandenburg.rosalux.de/filea...02.pdf#page=79

    Es geht also eigentlich um Gewalt, das Individuum in der aktuellen bzw. modernen Gesellschaftsformation, und das alles im Zusammenhang mit eben hier Freefights.

    Wem Boxen da näher ist:
    https://brill.com/view/book/97838467...58823-s007.xml
    oder
    https://brill.com/view/book/97838467...58823-s004.xml

    und für die MMA-Enthusiasten:
    https://www.degruyter.com/document/d...2021-0023/html
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  2. #2
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    Seit diesem Jahr ist Nils Baratella übrigens Professor an der Hochschule Düsseldorf.

    Mich hat sein Aufsatz "Boxen und MMA. Die Liberalisierung des Kampfsports" von 2017 sehr beeindruckt. Da geht es auch um genau diese These. Er legt für mich eine gesellschaftliche Entwicklung im Spiegel des Kampfsports offen, die über Norbert Elias' Zivilisierungstheorie hinausreicht. Die komplette Kampfsportgeschichte in Europa – eingerahmt in der ganzen Gesellschaftsgeschichte – macht unter dem Blickwinkel absolut Sinn. Warum es zu welchem Zeitpunkt wie viel Regulierung gegeben hat. Warum also die starke Regulierung des Boxens etwa Ausdruck der Verstaatlichung und des allgemeinen Bestrebens ist, die Welt durch Schaffung von Ordnung begreif- und bewältigbar zu machen. Und wieso die Liberalisierung des Kampfsports am Beispiel des MMA die allgemeine gesellschaftliche Öffnung im Westen ausdrückt, der den Individualismus als höchstes Gut sieht und dem Individuum (wieder) mehr Eigenverantwortung und Entwicklungsfreiheit zugesteht. Das ist super spannend!

  3. #3
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    Zitat Zitat von marasmusmeisterin Beitrag anzeigen

    Kleiner Ausschnitte, Link folgt:
    >Meine These ist, dass Free-Fight eine Entsprechung in Gegenwartsphänomenen hat, die als Zeitgeist des Neoliberalismus bezeichnet werden können. Kampfsportarten sind besonders zeigekräftige, popular-kulturelle Phänomene, da Gesellschaften in ihnen ihr Verhältnis zu zwischenmenschlicher, körperlicher Gewalt verhandeln. In den Konflikten um Kampfsport wird sichtbar, wie die Grenzen öffentlich zugelassener, körperlicher Gewalt, in den reglementierten Formen des Sports, verhandelt werden. Popularität von Kampfsport und die Begründungen staatlicher Einschränkungen stehen sich hier häufig gegenüber – doch gerade in diesem Gegensatz zeigt eine Gesellschaft ihr ambivalentes Verhältnis zu Gewalt.<

    https://brandenburg.rosalux.de/filea...02.pdf#page=79

    Es geht also eigentlich um Gewalt, das Individuum in der aktuellen bzw. modernen Gesellschaftsformation, und das alles im Zusammenhang mit eben hier Freefights.
    Würd ich auf den ersten Blick mitgehen, aber "ambivalentes Verhältnis (einer Gesellschaft) zur Gewalt" ist natürlich ein Euphemismus. Zu der Frage "Was ist Gewalt" sollte man sich vielleicht das mal zu Gemüte führen: https://rap.education/hintergrundwissen/gewalt/ . Um das aktuelle Beispiel aufzugreifen: Heimbewohnern nachweislich nutzlose Masken aufzuzwingen fällt für mich in jedem Fall unter den Begriff.
    Geändert von Bücherwurm (27-10-2022 um 19:12 Uhr) Grund: l

  4. #4
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    Zitat Zitat von Bücherwurm Beitrag anzeigen
    https://rap.education/hintergrundwissen/gewalt/ . Um das aktuelle Beispiel aufzugreifen
    Galtung ist EINER, da gibts aber noch mehr.
    Und eine Diskussion über Gewalt ff. ist hier überhaupt nicht intendiert, sondern es geht mir, da im KKB, um eine Kampfweise im Zusammenhang einer bestimmten Gesellschaftsformation. Also um ein wesentlich weiter ausgreifendes Thema.
    Übrigens ...
    kritisch zu Galtung siehe hier:
    https://d-nb.info/1034312189/34
    oder hier:
    https://d-nb.info/1217250719/34
    Geändert von marasmusmeisterin (27-10-2022 um 09:44 Uhr)
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  5. #5
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    Meist unordentlich.
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    Zitat Zitat von Sojobo Beitrag anzeigen
    Und wieso die Liberalisierung des Kampfsports am Beispiel des MMA die allgemeine gesellschaftliche Öffnung im Westen ausdrückt, der den Individualismus als höchstes Gut sieht und dem Individuum (wieder) mehr Eigenverantwortung und Entwicklungsfreiheit zugesteht. Das ist super spannend!
    Ah. Und der Osten reißt sich ja unter den Nagel, was er aus dem Westen nur kriegen kann.
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  6. #6
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    Zitat Zitat von marasmusmeisterin Beitrag anzeigen
    um eine Kampfweise im Zusammenhang einer bestimmten Gesellschaftsformation.
    Ohne den Gewaltbegriff innerhalb der Formation zu definieren?

    Übrigens ...
    kritisch zu Galtung siehe hier:
    https://d-nb.info/1034312189/34
    oder hier:
    https://d-nb.info/1217250719/34
    Danke für die Links. Ein "Aber" findet sich natürlich immer. Schließlich müssen die Thinktanks auch was zu tun haben. Aber ich schau es mir auf jeden Fall an.

  7. #7
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    Zitat Zitat von Bücherwurm Beitrag anzeigen
    Ohne den Gewaltbegriff innerhalb der Formation zu definieren?
    J-ein. Ich hab das bislang nur überflogen, aber es geht eben nicht in erster Linie um Gewalt. So wichtig ist die in diesem Zusammenhang dem Autor nicht. Und nun können wir das Thema hier wirklich in Ruhe lassen. Schreib mir doch eine PN, wenn dich das weiter interessiert, und wenn ich den Artikel durch habe, kann ich solide antworten.

    Zitat Zitat von Bücherwurm Beitrag anzeigen
    Schließlich müssen die Thinktanks auch was zu tun haben.
    Wie ist das jetzt gemeint?
    Wer nicht kotzt, ist nicht am Limit

  8. #8
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    Ich bin beim ersten Lesen etwas zwiegespalten. Ich finde interessant, dass jemand sich dem Thema widmet. Die Aufsätze wirken auf mich leider oberflächlich (soweit ich lesen konnte, teils ist ja nur die Zusammenfassung zugänglich). Dass Sport und Kultur in Verbindung stehen, könnte man wohl eine Binse nennen. Die Gleichsetzung von reduziertem sportlichen Regelwerk zu gesellschaftlichen Liberalismus finde ich zu vereinfacht, jedenfalls solange es nicht besser begründet wird als durch die Parallele von weniger Regeln. Und die Bemerkung über fehlende Ästhetik des MMA wundert mich von einem Philosophen, weil er das Wort hier scheinbar recht unreflektiert umgangssprachlich nutzt, wo doch eine riesige Begriffsgeschichte dranhängt.
    Am Ende spricht er Authentizität an und endet dann leider direkt, aus dem Thema könnte man viel machen, wenn man es gut anpackt.

  9. #9
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    Zitat Zitat von Kirke Beitrag anzeigen
    Die Gleichsetzung von reduziertem sportlichen Regelwerk zu gesellschaftlichen Liberalismus finde ich zu vereinfacht, jedenfalls solange es nicht besser begründet wird als durch die Parallele von weniger Regeln.
    Und selbst Letztere würde ich anzweifeln. Im normalen Leben sehen wir doch eher eine immer stärkere Regulierung (in der Wirtschaft, bei Corona, Energiemärkte, AGG, usw.).
    „Grau teurer Freund, ist alle Theorie. Und grün des Lebens goldner Baum.“

  10. #10
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    Ja, dass diese Gleichsetzung viel zu einfach ist, sehe ich ähnlich. Der olle Theogenes hätte der These auch schwerlich zustimmen können, denk ich.
    Ernst Bloch hat mal etwas über diese martialischen Tanzwettbewerbe (tanzen bis die Füße bluten- wortwörtlich) in der Morgendämmerung des Dritten Reichs geschrieben. Die gesellschaftliche Misere zeigt sich u.a. an einem gesteigertem Interesse am Obskuren, Archaischen, Martialischen. Dazu eine Brise von Debords ohnehin aktueller "Spektakelgesellschaft" plus das, was man heute allgemein als "das Internet" bezeichnet - also eine Produktions- und Distributionsweise von Information, der psycho-soziale Wissenschaften krampfhaft bei deren Erklärung hinterherhinken. ... Das alles wären auch Zutaten die das gesteigerte Interesse (!) am Free-Fight erklären könnten.
    Der Authentizitätsgedanke macht mich da schon mehr an - direkte Wirkmächtigkeit erleben als Kontrastprogram zu einer Gesellschaft, die im Guten wie im Schlechten zur Abstraktion und Simulation tendiert (genau, so Baudrillard-zeugs, ihr fleißigen Matrix-gucker^^)

  11. #11
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    Zitat Zitat von marasmusmeisterin Beitrag anzeigen
    Schreib mir doch eine PN, wenn dich das weiter interessiert, und wenn ich den Artikel durch habe, kann ich solide antworten.
    Das wird wohl besser sein.

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