Einführung
Wer sich die aktuellen Medienberichte anschaut, kann sehr schnell den Eindruck gewinnen, als habe eine neue und breite Welle der Kinder- und Jugendgewalt ihren Höhepunkt erreicht. Gewalt ist nicht nur ein Thema der Medienlandschaft, die noch dazu oft reißerisch berichtet. Auch in der Fachöffentlichkeit wird darauf hingewiesen, dass es eine bestimmte Gruppe von männlichen Jugendlichen gibt, die seit Jahren mit intensiven Gewaltdelikten auffällt. Die Gewaltanwendung dieser Gruppe sei brutaler und rüder geworden; das Opfer werde beispielsweise getreten, auch wenn es bereits auf dem Boden liegt, so die öffentliche Annahme.
In der pädagogischen Praxis werden unterschiedliche Methoden angewendet, um der Jugendgewalt präventiv entgegenzuwirken. Große Nachfragen erfahren nicht nur die Streitschlichtungs-Programme, sondern auch die sog. Konfrontative Methode für schwierige Jugendliche, die mit herkömmlichen Methoden nicht erreicht werden können. Zu dieser Methodenvielfalt gehören auch die Ansätze der Selbstverteidigung oder Selbstbehauptung, die sich der Methoden der Kampfsportarten bedienen.
Entstehungshintergrund
Das von Rüdiger Lenz entwickelte Konzept, das das DAU-BOXEN zum Thema hat, zielt darauf, das Kämpfen zu überwinden und zu mehr Menschlichkeit und Friedfertigkeit zu erziehen. Rüdiger Lenz begann 1978 mit Taekwon-Do und Shaolin Kung-Fu. Er wurde 1981 internationaler deutscher Meister im Vollkontaktsport Taekwon-Do und schreib 1993 sein erstes Buch "Stretching für Kampfsportler". Seit 2002 beschäftigt er sich intensiv mit dem Anti-Aggressivitäts-Training und begründete durch seine Mitarbeit im "Hamelner Modell" eine neue Do-Philosophie, die sich auf die Lehre vom Überwinden des Zweikampfes und auf die Lehre vom Weg des Nichtkampfes gründet. Daraus ergaben sich viele Möglichkeiten der De-Eskalation, die sehr weitreichend sind und deren Ergebnisse im folgenden Buch zusammengefasst sind.
Aufbau und Inhalt
Das Buch ist im Wesentlichen in drei Hauptkapiteln aufgeteilt.
Das erste Kapitel erläutert, wie der Angriff die schlechteste Verteidigung sein kann. Hier macht der Autor in kurzen Gedanken deutlich, dass die friedlichen Werte bei einem Zweikampf entscheidend sind, nämlich das Prinzip des Nichtkampfs. Die weiteren Unterkapitel dieses ersten Abschnitts beschäftigen sich mit dem Thema des fehlgeleiteten Selbstverteidigungsmythos und der Schlägeridentität. Das letztgenannte Unterkapitel stammt allerdings nicht vom Autor selbst, sondern von Thomas Ramm.
Der zweite Abschnitt trägt den Titel "Von der Unversehrtheit zur Friedfertigkeit". Die Hauptaussage des Autors in diesem Kapitel ist die These, dass Selbstverteidigung in erster Linie De-Eskalation sein muss und niemandem Schaden zugefügt werden darf. Diese These untermauert Lenz mit der folgender Aussage: "Kampfkunst darf nie zum Schaden anderer eingesetzt werden, ihn selbst anrichten, verursachen oder an seiner Vergrößerung mitwirken." (S. 92f.).
Das letzte Hauptkapitel beschäftigt sich mit dem Thema "Das Tao vom Nichtkampf". Ein Kapitel mit dem Titel "Bonusmaterial", in dem zwei weitere Essays vom Autor selbst und ein Essay von Rüdiger Ramm untergebracht sind, komplettiert diesen Band.
Zielgruppen
Zielgruppe des Buches sind in erster Linie KampfsportlerInnen. Aber auch SozialpädagogInnen im Bereich der Gewaltprävention kommen auf ihre Kosten. Vor allem aber nichtpädagogische Fachkräfte, die mit Kindern und Jugendlichen Selbstverteidigungs- und Selbstbehauptungskurse machen werden sich angesprochen fühlen.
Fazit
Selbstverteidigungs- und Selbstbehauptungskurse haben momentan großen Zulauf. Vor allem werden die Mädchen zu solchen Kursen seitens der Eltern verpflichtet, um sich besser vor (sexuellen) Übergriffen zu schützen. Neben seriösen Anbietern mit klaren und nachvollziehbaren Konzepten tummeln sich auf dem Markt viele dubiose Anbieter mit finanziellen Interessen. Auch deren Konzepte sind nicht nachvollziehbar, weil sie zu oft auf die "Zerstörung" des Feindes, also des Angreifers setzen. Gerade das von Lenz vorgestellte Konzept verdeutlicht, dass das Nichtkampf-Prinzip zu Konfliktlösung und Deeskalation führt. Das Konzept überzeugt mit der deutlichen Aussage, dass der Angriff nicht die beste Verteidigung ist, sondern die Überzeugung, mit friedlichen Mitteln einen Zweikampf zu deeskalieren. Alle Anbieter der Selbstbehauptungskurse sollten das Buch lesen und ihr eigenes Konzept reflektieren und ggf. die Philosophie des Autors verinnerlichen. Ich kann mir auch sehr gut vorstellen, die Aspekte des Prinzips flächendeckender in die sog. Anti-Aggressivitäts-Trainings einzubauen.