Worauf gründet der Respekt vor dem Kung Fu-Meister?
Ein Artikel über die Ursprünge der Meisterverehrung in den chinesischen Kampfkünsten
Inhalt:
Einleitung
Wie ein Schüler seinen Respekt ausdrücken soll
Die patriarchalische Familie
Die Bedeutung des Lernens
Der Kung Fu-Meister, ein Lehrer-Vater
Die Kung Fu-Familie
Das Wude - Die Moral des Kriegers
Diskussion - Wie zeitgemäß ist die traditionelle Verehrung des Meisters?
Einleitung
Die Verehrung des Meisters ist im Kung Fu ein zentraler Aspekt der Lehrmethode, ja sie ist ein zentraler Aspekt der chinesischen Kampfkunst überhaupt. Jeder ernsthafte Schüler des Kung Fu (Wushu) ist traditionell zur deutlichen Demonstration von Respekt und Wertschätzung gegenüber seinem Meister verpflichtet. Dabei gehen die Forderungen nach Respektsbekundung weit über das hinaus, was einem Europäer einsichtig erscheinen mag.
Hier stellt sich also zumindest für Nichtasiaten die Frage, auf welchen Bedingungen die Sitte der Meisterverehrung in der chinesischen Kampfkunst beruht. Haben wir es hierbei lediglich mit einem anderen Verständnis dessen zu tun, was ein Schüler generell seinem Lehrer schuldet? Geht es um die Frage der Anerkennung überlegenen Könnens?
Aus den genannten Problemstellungen ergibt sich natürlich eine grundsätzliche Diskussion - eine Diskussion, in der darüber gestritten werden muß, ob die in den chinesischen Kampfkünsten übliche Meisterverehrung inbesondere in Europa eine heute noch gültige Sitte darstellt oder ob sie eher als Relikt einer veralteten, feudalistischen Unterwerfungsmentalität zu werten ist.
Wie ein Schüler seinen Respekt ausdrücken soll
Es existieren in den Schulen der chinesischen Kampfkunst sehr genaue Vorstellungen darüber, wie ein Schüler seinen Respekt gegenüber dem Lehrer ausdrücken soll. Die wichtigsten Punkte dabei sind:
1. Der Lehrer darf (im Unterricht) niemals nur mit seinem Namen angesprochen werden. Die korrekte Anrede nennt immer den ehrenden Titel, also entweder Shifu bzw. Laoshi oder einen anderen Meistertitel, der in der entsprechenden Schultradition verwendet wird.
2. Es ist für die Schüler (Dizi) unangemessen, ja man kann sagen verboten, den Meister im Unterricht kameradschaftlich zu berühren, zu umarmen, zu necken usw. Viele Meister wünschen derartige "Intimitäten" auch außerhalb des Unterrichts nicht, da eine so große körperliche Nähe die Grenzen der Hierarchie verwischt.
3. Befindet sich der Meister in der unmittelbaren Nähe des Schülers, dann soll dieser gerade und aufrecht stehen, nicht seine Arme in die Seiten stemmen, sie nicht vor der Brust verschränken, nicht die Hände in den Hosentaschen halten, nicht auf dem Boden sitzen oder liegen, generell es sich nicht "bequem" machen (z.B. auf einer Bank oder einem Sessel loungieren).
4. Findet eine Unterweisung oder Demonstration durch den Meister statt, dann gilt es als hochgradig unangemessen, nicht zuzuhören, die Augen zu schließen, wegzuschauen usw.
5. Ein Schüler sollte niemals zu spät zum Unterricht erscheinen, denn dies sagt, daß er die Unterweisung durch den Meister, die traditionell als unbezahlbares Geschenk gilt, nicht wertzuschätzen weiß.
Im Gegensatz dazu ist der Schüler verpflichtet auf den Lehrer zu warten, falls dieser später zum Unterricht erscheint. Es existieren viele Geschichten darüber, wie Kung Fu-Meister ihre Schüler immer wieder warten lassen, um herauszufinden, welche Schüler die nötige Geduld aufbringen und den traditionell geforderten Respekt demonstrieren.
6. Ein Schüler sollte den Unterricht nicht vorzeitig abbrechen, und er sollte die Unterrichtshalle (Guan) auch nicht vor dem Meister verlassen. Traditionell kommt der Meister als letzter und geht als erster. Erklärt der Meister nach dem Ende des Unterrichts einigen Schüler noch etwas, dann sollten sich die Schüler, die die Halle verlassen, zunächst in Richtung des Meisters verbeugen und erst danach aus der Halle gehen.
7. Bei gesellschaftlichen Zusammenkünften gilt als selbstverständlich, daß die Schüler niemals sitzen, wenn der Meister steht, außer er fordert sie dazu auf. Dem Meister wird immer der beste Platz zum Sitzen angeboten, man beginnt niemals mit dem Essen oder Trinken, bevor der Meister ißt oder trinkt. Überreicht man dem dem Meister einen Gegenstand, dann ist dies stets mit beiden Händen zu tun.
8. Es versteht sich außerdem von selbst, daß es einem Schüler absolut verboten ist, sich gegenüber seinem Meister in irgendeiner Weise frech, provokant oder besserwisserisch zu verhalten oder sonstwie anmaßend zu sein. So ist es beispielsweise völlig unangemessen, auf eine Unterweisung oder Erklärung des Lehrers zu antworten, daß man dies bereits wisse, auch wenn das der Wahrheit entspricht.
9. Niemals darf sich ein Schüler anmaßen, dem Lehrer vorzuschlagen oder gar vorzuschreiben, was oder wie dieser ihn zu unterrichten hätte. Eine solche Verfahrensweise unterstellt dem Lehrer, daß er nicht wüßte, was zu tun sei und ist deshalb völlig inakzeptabel.
10. Schließlich soll ein Schüler Respekt gegenüber seinem Meister ausdrücken, indem er drei wesentliche Qualitäten eines Kung Fu-Übenden demonstriert: den Wunsch zu lernen, die Hingabe zur Übung und die Disziplin beim Training. Diese drei Qualitäten zeigen dem Lehrer, daß sein Schüler sich als würdig erweist, in der Kunst unterrichtet zu werden.
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