@ alle die diesem Forum und insbesondere diesem Thread seit langem beiwohnen:
In den letzten zwei Tagen las ich mehrere Beiträge in diesem Forum, aber vor allem die Reaktionen auf die Beiträge von Rylet fielen mir dabei auf.
Obwohl ich in Bezug auf Thailand und somit im Bereich des Muay Thai nicht kompetent bin, um mich an den bis in die thailändische Geschichte reichenden Argumenten zu beteiligen, so ist mir Thailand als asiatisches Land und somit Muay Thai als in Asien entstandene Kampfkunst bzw. -sport nicht unverständlich.
Was mir auffällt ist folgendes:
Besonders Europäer und Nord-Amerikaner geben oft an an traditionellen Stilen in ihrer originalen Form interessiert zu sein. Während den letzten Jahren in Asien traf ich vermehrt Franzosen, Deutsche, Italiener und US-Amerikaner, die aus eben diesem Grund nach Asien reisten und dort für Wochen, Monate, ja wenn nicht gar für Jahre verweilten. Wahrscheinlich kann man auch einen großen Teil der Besucher dieses Forums und anderer vergleichbarer Foren, die sich dem Thema "Kampfkunst/-sport" widmen, dazu zählen.
Nun schreibt einer wie Rylet über die Hintergründe und die Entstehungsgeschichte einer thailändischen Kampfkunst, mit der sich die meisten überhaupt nicht anfreunden können. Ob das, was er schreibt richtig oder falsch ist, das können wohl alle Interessierten nur im Einzelfall für sich selbst herausfinden. Auffällig ist eben nur das immer wiederkehrende Fragen nach Quellenangaben und Nachweisen. Wer einen Stil auf traditionelle Weise lernen will, der sollte wissen, daß er oft Antworten bekommt, die für das Verständnis, welches wir in der heutigen Zeit -besonders in Mitteleuropa- haben, unzureichlich scheinen. Wir sind daran gewöhnt, daß historische Daten und Fakten wissenschaftlich abgeglichen sind und jedes frei erwerbliche Produkt eine entsprechende Prüf- und Zertifizierungsstelle durchlaufen hat. Wie ist das aber in den Ländern, in die wir reisen, mit dem Wunsch richtige Kampfkunst zu lernen und wie war es zu der Zeit, als die Kampfkünste dort das Licht der Welt erblickten? Da gab es und gibt es selbst heute in vielen Bereichen noch keine Einrichtungen der gleichen Art wie in mitteleuropäischen Ländern.
Wer selbst schon etwas längere Zeit im heutigen Asien zugebracht hat und mit Menschen in engeren Kontakt kam, der wird erfahren haben, daß für viele Themen überhaupt keine Diskussionsgrundlage existiert. Und wie war das früher? Zu Zeiten als die Kampfkünste entstanden, herrschten im asiatischen Raum Verhältnisse, in denen das Wort einzelner Personen zur Regel für alle wurde, ungeachtet, ob dies der Wahrheit, an die das Volk glaubte, entsprach oder nicht. Heute ist es genau noch so. Die Geschichte und damit das Entstehen und der Verlauf vieler Ereignisse wird zurecht gebogen und der derzeitigen politischen Verfassung des jeweiligen Landes angepasst. Wie kann es sonst sein, daß man über Personen die "Geschichte schrieben" (z.B. Mao Zedong, Hitler, Stalin u.a.) in Ländern mit unterschiedlichen politischen Gesinnungen unterschiedliche Darstellungen in Schul-Geschichtsbüchern findet.
Ein Großteil von dem, was wir über z.B. Muay Thai wissen, setzt sich zusammen aus Informationen, die wir in eben solchen "Schul-Geschichtsbüchern" finden, die auf eine Weise bearbeitet und verfälscht wurden. Dann mag einer sagen, daß er selbst in Thailand war und von Thailändern persönlich Informationen erhalten hat, nur sollte er bedenken, daß diese ihr Wissen wohl zumeist auch aus solchen Schul-Geschichtsbüchern haben - dann eben nur aus thailändischen. Oftmals entsteht sogar der Eindruck, deutsche Historiker kennen den Verlauf asiatischer Geschichte besser als die Asiaten selbst. Ich habe es mehrmals erlebt, daß man bei Diskussionen zu geschichtlichen Fakten überging und erstaunt angeschaut wurde, da man wohl der erste war, der diese Variante erzählte. Dabei handelte es sich um in Deutschland anerkannte Fakten, die wohl jeder in Deutschland in der Mittelschule oder im Gymnasium im Fach Geschichte gelernt hat.
Was will ich damit sagen?
Es ist heute mit dem besten Willen nicht mehr nachvollziehbar, wann, wo und wie genau sich dieses oder jenes Ereignis abgespielt und dieser oder jener Stil entwickelt hat, da selbst Aufzeichnungen aus dieser Zeit mißinterpretiert werden können und auch, ob politischer Hintergründe willentlich abgeändert wurden. Leider fällt die Entwicklung aller Kampfkünste da nicht heraus und unterliegt somit diesen Beeinflussungen. Die Deutschen wiederum, sehen jegliche Historie -und dazu zählt auch die im asiatischen Raum- vom deutschen Standpunkt aus.
So kann es doch möglich sein, daß die Hintergründe, mit welchen uns Personen wie Rylet bescheren, aus Quellen stammen, die nicht mehr nachvollziehbar sind oder denen schlichtweg nie Beachtung geschenkt wurde, da sie nicht vertrauenswürdig erschienen, was nicht bedeuten muß, daß die Informationen erfunden sind. In Deutschland gibt es eine Vielzahl an Themen, bei denen unzählige Quellen existieren, aus welchen man sich informieren kann, jedoch werden nur jene veröffentlicht, die dem Geschmack der Zeit entsprechen und somit "dienlich" sind. Warum sollte das in Thailand und allen anderen Ländern anders sein?
Zum Schluß weise ich noch darauf hin, daß ich in keiner Verbindung zu Rylet stehe und es mir auch nicht um die Person Rylet als solche geht. Er dient lediglich als klassisches Beispiel, um das Denken und Glauben von uns allen zu beschreiben.
Dann lasst mich nur noch hoffen, daß die Wahl meiner Wörter nicht allzu viele Mißverständnisse hervorruft.