Die bürgerlichen Kampfmethoden mit der roncola (der Hippe) und der accetta (dem Beil)



Am 22. Dezember fuhr ich mit einem guten Freund erneut zu unserem Lehrer Antonio Merendoni nach Ravenna. Der eigentliche Zweck der Reise waren zwei Methoden:

1) die roncola (die Hippe)
2) l`accetta (das Beil)

Die Tatsache, daß beide Methoden ihre Wurzeln u. a. im Norden Italiens haben und die roncola zudem aus der Heimat meiner Mutter, dem Piemont, stammt, erfüllte mich mit großer Vorfreude.

Nach neun Studen fahrt und einer kurzen Begrüßung widmeten wir uns unverzüglich der Kunst.


La Roncola
Der Sinti-Piemontesische Umgang mit der Hippe

Der genaue Ursprung dieser Methode ist nicht auszumachen. Man weiß lediglich, daß es sich um eine Symbiose piemontesischer Techniken und Strategien mit denen französischer- und (vermutlich) spanischer Sinti handelt.

Die roncola (Hippe) ist ein landwirtschaftliches- bzw. ein Gartenmesser. Sie dient u. a. zum Abschlagen von Ästen, zum Schneiden von Pilzen oder zum Veredeln von Holz. Die Klinge der Hippe ist geschwungen und die Spitze der Klinge ist nach unten gebogen.

In erster Linie handelt es sich um eine Schnitt- und Rissmethode. Augenmerklich dient ein `siebener Muster´ als Orientierung für den Verlauf der Schnittsequenzen. Des Weiteren bestechen sehr eigene Festlege- bzw. Entwaffnungstechnik beim Parieren (aus der möglichen Entwaffnung geht man bei Bedarf in die tödlichen Angriffe - den sogenannten mortali -, über).

Im Nahkampf und zum Überbrücken der langen Mensur behilft man sich durch das Einnehmen tiefer Positionen und dem Einsatz von Tritten. Speziell die tiefen Positionen - die z. T. auch beim Kontern verwendet werden (man spricht hierbei von evasimenti) -, entspringen dem Einfluß der Sinti und erfordern ein hohes Maß an Beweglichkeit und Geschick.

Auch der ständige Wechsel zwischen geradlinieger Aktionen und einem ausgekügelten Winkelspiel sind für die roncola bezeichnend.

Alles in allem handelt es sich um eine simple und sehr pragmatische, jedoch auch anspruchsvolle und ausdrucksstarke Methode ländlichen Klingenkampfes. Eine norditalienische Methode, die wie ihre mittel- und süditalienischen Schwestermethoden, bis in die heutige Zeit erhalten geblieben ist.

Aufgrund ihrer gebogenen Klinge lassen sich Prinzipien, Strategien und Techniken der roncola ideal auf kerambit-ähnliche Messer übertragen. Dadurch hat diese traditionelle und einst spezifische Methode den Einzug in die Moderne gefunden.


L`Accetta/ la Scure
Der Kampf mit dem Beil

Das Beil dient im ländlichen Italien als Werkzeug. Bereits seit dem 17. Jahrhundert gibt es nachweißlich eine bürgerliche Kultur des Kampfes mit diesem bäuerlichen Waffe. Vorwiegend fand und findet sie in der Provinz um Padua und in Kalabrien Anwendung.

Die Methode ist aufgrund der spezifischen Eigenschaften des Beiles schlicht und besteht im Angriff aus sechs Schlägen, einem Stich und dem Wurf. Die Paraden gleichen denen des manganello (Kurzstock, Knüppel). Die Folgetechniken hingegen unterscheiden sich aufgrund der Klinge.

Im Nahkampf verwendet die Methode Schulterstöße (spallate), die freie Hand und Fußfeger (spunta piede). Das Gewicht des Beiles nuzt man um sich nach erfolgtem Konter aus der Gefechtslinie, wieder dem Gegner zuzu-wenden.

Obwohl die Methode des Kampfes mit dem Beil auf den ersten Blick sehr begrenzt wirkt, entfalltet sich durch das Kombiniren der wenigen Aktionen ein schneller und effizienter Weg der Kampfesführung.


Roberto Laura