Hallo Daniel, kurz zu Deinen Gedanken:
Die primäre
Zielsetzung in den traditionellen Kampfkünsten, so wie sie heute in 9 von 10 Fällen unterrichtet werden besteht nicht darin, den Schülern Selbstverteidigungsfähigkeiten beizubringen. Ein großer Teil der Budokünste (Karate-Do, Aikido etc.) beispielsweise fokussiert auf eine charakterlich-mentale Schulung, es geht dabei viel eher um Fragen der Selbsterfahrung- und erkenntnis, als um Straßenkampftauglichkeit.
Betrachtet man die Trainingsmethoden klassischer Kampfkünste in realen Kriegszeiten, findet man sehr schnell heraus, daß dort ganz anders geübt wurde. Formen (Kata, Daolu) hatten beispielsweise einen weitaus geringeren Stellenwert als heute.
Die primäre
Zielsetzung in den Kampfsportdisziplinen, besteht ebenfalls nicht darin, den Schülern Selbstverteidigungsfähigkeiten beizubringen. Es geht hier um das Training von Fähigkeiten des Kämpfens gemäß eines bestimmten Reglements. So schlägt man in einer gewissen Karate-Wettkampfdisziplin gründsätzlich mit den Fäusten nicht zum Kopf.
Das ist einfach eine Regel, die alle Beteiligten etwas entlasten soll. Das Resultat davon ist (und ich habe mich Vertretern dieser Schule Sparring erlebt), daß die Wettkämpfer Schwierigkeiten haben, Handschläge zum Kopf zu blocken, decken bzw. parieren. Sie brauchen das einfach nicht für ihr Wettkampftraining. Das wäre unter SV-Gesichtspunkten aber notwendig.
Unter einfachen Techniken verstehe ich ersteinmal Bewegungen, die motorisch leicht erlernbar und auszuführen sind. Damit fällt ein großer Teil des klassischen Kung Fu von vornherein aus. Hier bewegen sich die Hände sehr häufig auf komplexen spiralförmigen Bahnen. Da sieht kein Mensch durch, wenn er nicht wirklich Zeit investiert.
Kommen wir kurz zur
Verwendung von Fausttechniken in der SV. Wenn Du schon einmal mit der nackten Faust gegen einen Sandsack geschlagen hast, weißt Du, daß das keine einfache Angelegenheit ist. Es tut weh, und es fühlt sich an, als könnte da ganz leicht was kaputt gehen.
Bevor jemand hart mit seiner nackten Faust zuschlagen kann, ohne das Risiko einer Selbstverletzung einzugehen, vergehen mindestens 6 Monate. Und das ist eine sehr optimistische Kalkulation. Schläge mit dem Handgrund sind hingegen risikolos nach einer halben Stunde Training anzuwenden. Deshalb würde man diese Variante stets bevorzugen, wenn es darum geht, einem Anfänger etwas über SV zu lehren.
Abschließend zur
Frage des Zuerstschlagens - Eine einfache Regel der SV lautet: Wer zuerst schlägt, siegt. Das klingt brutal und primitiv, aber es ist statistische Wirklichkeit. Deshalb geht es in seriöser SV meiner Meinung nach darum, den Leuten beizubringen, sofort zuzuschlagen, wenn absehbar ist, daß die Situation nicht ohne Gewalt lösbar ist. Wer auf den Angriff des Gegners wartet unterliegt in der Regel, ganz einfach, weil es für einen Nichtkönner unendlich schwieriger ist, einen wirklich entschlossenen Angriff abzuwehren, als selbst effektiv anzugreifen.
So weit meine Sicht der Dinge.
Gruß aus Berlin