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Thema: Welche Art von Schwertkampf ist das?

  1. #1
    Gandalf Gast

    Standard Welche Art von Schwertkampf ist das?

    hallo zusammen !

    ich würde mich sehr für den kampf mit dem schwert interessieren. rein von der optik her gesehen würde mir der kampfstil gefallen wie er in z.B: den Highlander Filmen, Gladiator, Herr der Ringe, usw.. gezeigt wird oder aber auch wie in fantasybüchern beschrieben (wer sowas liest, weiss was ich meine). gibt es sowas überhaupt?

    danke für jegliche anregungen !

    mfg Gandalf

  2. #2
    Andreas Weitzel Gast

    Standard

    Hallo, Gandalf,

    ich kann nicht beurteilen, wie schön unser Schwertkampf ist, aber eins weiß ich sicher: Er ist effektiv und realistisch. Komm doch mal vorbei

    Gruß
    Andreas

  3. #3
    Gandalf Gast

    Standard

    mag sein, aber du kannst trotzdem einen vergleich anstellen
    würd ich gerne, nur von wien ist das ein weiter weg !

    Gandalf

  4. #4
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    Standard Re: Welche Art von Schwertkampf ist das?

    Hallo Gandalf!

    Original geschrieben von Gandalf

    ich würde mich sehr für den kampf mit dem schwert interessieren. rein von der optik her gesehen würde mir der kampfstil gefallen wie er in z.B: den Highlander Filmen, Gladiator, Herr der Ringe, usw.. gezeigt wird oder aber auch wie in fantasybüchern beschrieben (wer sowas liest, weiss was ich meine). gibt es sowas überhaupt?
    Also, zuerst einmal: ALLES was Du im Film siehst nennt man "Bühnenfechten". Die grundlegende Überlegung dahinter ist "Wie schaffe ich es, einen Kampf so darzustellen, daß er aussieht, als wäre er echt, aber für die Darsteller völlig sicher ist?"

    Und da ist schon zweimal das Schlüsselwort gefallen: DARSTELLUNG! Alles, wirklich alles ist bis ins letzte choreographiert und wird immer und immer wieder geübt, bis es wirklich "sitzt".
    Alle Darsteller arbeiten beim erzeugen der Illusion eines Kampfes zusammen.

    Außerdem gibt es noch so den ein oder anderen Trick, um wirklich jedwede Gefährdung auszuschließen, Schauspieler sind teuer und meist hoch versichert, kein Regisseur oder Produzent würde sich eine Klage einhandeln wollen, weil beim Üben einer Kampfszene etwas daneben ging.

    Angriffe werden meist so geführt, daß sie entweder kurz vor dem Ziel gestoppt,oder (für den Zuschauer nicht sichtbar) vorbeigezielt werden.
    Und dann kann man immer noch am Computer nachhelfen, die Kampfszenen im ersten Teil von "Der Herr der Ringe" sind größtenteils ein bißchen "geboostet".

    Was die rein technische Seite angeht, gibt es im Prinzip drei große Blöcke.

    1) Man überträgt Techniken aus dem Sportfechten auf historisch anmutende Waffen. Bestes Beispiel hierfür sind die alten Hollywood-Schinken wie "Robin Hood" mit Errol Flynn.

    2)Man nimmt ein Amalgam aus verschiedensten KK (Kendo, Sportfechten, FMA etc.) und mixt daraus einen Kampfstil zusammen, der zur dargestellten Rolle passt. Die "Highlander"-Filme und die TV-Serie fallen hierunter, ebenso wie z.B. "Der Herr der Ringe" oder "Gladiator".

    3) Man nimmt historische Techniken der im Film verwendeten Waffen und modifiziert sie unter dramaturgischen und sicherheitstechnischen Aspekten. Bestes Beispiel hierfür sind eigentlich alle Filme, die William Hobbes als Kampf-Choreograph betreut hat, z.B. "Die Duellisten, Rob Roy,oder "Die drei Musketiere" mit Michael York, Richard Chamberlain und Oliver Reed.

    Ein weiterer Vertreter dieser Linie ist John Waller, "Head of Interpretation" der Royal Armouries und bekannter Bühnenfechtlehrer.Er hat u.A. den Kampf zwischen dem schwarzen und dem grünen Ritter in Monty Python's "Die Ritter der Kokusnuß" choreographiert, so albern der Film auch sonst ist, dieser Kampf ist erstaunlich realistisch.
    Die Vorführungen, die man in den RA sehen kann, wurden nach seiner Methode entwickelt und basieren zum großen Teil auf historischen Techniken der jeweiligen Epoche. Die "European Historical Combat Guild (EHCG)" trainiert ebenfall nach seiner Methode, leider wurden sie von der EWTO assimiliert.

    Ansonsten gibt es zum Thema noch einiges an Literatur, bei Interesse bitte PM.

    Gruß,
    Jörg

  5. #5
    Gandalf Gast

    Standard

    vielen dank jörg !

    wenn ich das alles richtig verstanden habe suche ich einen kampfstil der viel wert auf flüssige bewegungen (schritte) und kombinationen legt. vielleicht lässts sich nun was finden

    mfg Gandalf

    ps: pn ist unterwegs

  6. #6
    Hong Kong Phooey Gast

    Standard

    Du wohnst in Wien wieso nicht im Theater?

  7. #7
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    "Die "European Historical Combat Guild (EHCG)" trainiert ebenfall nach seiner Methode, leider wurden sie von der EWTO assimiliert."

    Ich habe immer gedacht, Bill hätte sich die Techniken ausgedacht. Die EWTO-Schwertkampftechniken haben also einen historischen Hintergrund?
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  8. #8
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    Standard

    Hallo Christian!

    Original geschrieben von christianvonpraun
    Ich habe immer gedacht, Bill hätte sich die Techniken ausgedacht. Die EWTO-Schwertkampftechniken haben also einen historischen Hintergrund?
    Jein. Bill (ich nehme an, daß Du Bill Newman meinst), hat damit so weit ich weiß nichts zu tun.

    John Waller hat schon in den späten 60'er Jahren angefangen, Kämpfe auf der Bühne und im Film nach historischen Grundlagen zu choreographieren. (So sagt er bzw. sein Sohn Jonathan jedenfalls). Sein System basiert in erster Linie auf Grundlagen der Biomechanik und Kampftaktik und erst sekundär auf historischen Techniken.

    Fakt ist, die meisten Techniken finden sich in historischen Handschriften/ Fechtbüchern wieder, aber nicht alle für eine Waffe gelehrten Techniken stammen zwingend aus einer Epoche.

    Beim ersten EHCG-Seminar in Deutschland im August 2001 in Rheinbach-Wormersdorf haben Jonathan Waller und Steve Tappin einen Basisdrill mit dem einhändigen Schwert vorgeführt, der zunächst linear und ohne Stiche geübt wurde, und in den später weitere Techniken und zirkuläre Bewegungen integriert wurden. An manchen Stellen hatte ich das Gefühl, daß einige Aktionen dem modernen Fechten entnommen, bzw. verschiedene "Stile" munter gemischt wurden.

    Eine "Glissarde" aus dem Degenfechten des 18. und 19. Jhd. ist vielleicht auch mit einem Einhänder des 15.Jhd. möglich, belegbar ist diese Technik für diese Zeit aber nicht.

    Insgesamt nicht übel, aber halt nichts "wirklich" historisches, eher ein Amalgam historischer (und IMO teilweise auch moderner) Techniken, immer mit dem Hintergrund der leichten Erlernbarkeit und Sicherheit, die fürs Bühnenfechten essentiell ist.

    Mein Ding ist es nicht.

    Gruß,
    Jörg

  9. #9
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    Danke.
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  10. #10
    dino Gast

    Standard @Jörg B.

    1.
    "Sein System basiert in erster Linie auf Grundlagen der Biomechanik und Kampftaktik und erst sekundär auf historischen Techniken."
    ------------
    2.
    "Fakt ist, die meisten Techniken finden sich in historischen Handschriften/ Fechtbüchern wieder, aber nicht alle für eine Waffe gelehrten Techniken stammen zwingend aus einer Epoche."
    ---------
    3.
    "Insgesamt nicht übel, aber halt nichts "wirklich" historisches, eher ein Amalgam historischer (und IMO teilweise auch moderner) Techniken, immer mit dem Hintergrund der leichten Erlernbarkeit und Sicherheit, die fürs Bühnenfechten essentiell ist.

    Mein Ding ist es nicht"

    ---------------------
    Hallo Jörg B.

    Aus Verständnisgründen muss ich noch mal nachfragen:

    zu 1.
    Sind "Grundlagen der Biomechanik und Kampftaktik" nicht ein gutes und notwendiges Fundament für jedes System?

    zu 2.
    Würdest Du zustimmen, das dieser Gesichtspunkt eher für den historisch Interessierten als für den Techniker/Praktiker von Bedeutung ist?

    zu 3. Warum nicht ( wenn es funktioniert)? Wegen der historischen "Untreue"?

    Gruss

    dino

  11. #11
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    Standard Re: @Jörg B.

    Hallo Dino!

    Original geschrieben von dino

    zu 1.
    Sind "Grundlagen der Biomechanik und Kampftaktik" nicht ein gutes und notwendiges Fundament für jedes System?
    Im Prinzip ja. Aber: Einige der Prinzipien sind so gewählt, daß die Techniken mit maximaler Sicherheit und Vorhersehbarkeit durchgeführt werden können.
    Zum Beispiel wird gelehrt, dem Partner immer in die Augen zu schauen. Dies ist zur Wahrnehmungsschulung sicherlich nicht zu beanstanden.
    Eins der wichtigsten Elemente der historischen Techniken mit denen ich mich befasse ist aber, den Gegner mit der eigenen Blickrichtung zu täuschen, sprich, nicht da hin schauen, wo man hinschlagen will.

    Ein anderes Prinzip sagt, daß der Angreifer zuerst sie Waffe bewegt und dann den Körper.

    Ein Fechter benutzt dieses Prinzip ebenfalls, zuerst eine Bedrohung erschaffen, bevor man dem Gegner ein Ziel gibt.

    Hier dient es aber dazu, dem Verteidiger meine Angrifsabsicht gewissermaßen zu "telegraphieren", damit er weiß, da kommt was, ich muß jetzt was tun. In einem tatsächlichen Gefecht wird man aber versuchen, den Zeitabstand zwischen dem Beginn der Hand- und der Körperbewegung so kurz wie möglich zu halten, und Angriffe möglichst ansatzlos bzw. im Ansatz nicht erkennbar zu machen.

    Der Verteidiger soll zuerst den Körper bewegen und dann erst die Waffe.
    Dies ist (von der historischen Nachweisbarkeit mal ganz abgesehen) unter "Ernstkampfbedingungen" nicht sinnvoll, denn Ausweichbewegungen können zu kurz geraten.
    Außerdem "telegraphiere" ich durch ein vorzeitiges Ausweichen meine Absichten, so daß der Hieb des Angreifers leicht umgelenkt oder als Finte ausgeführt werden kann, der tatsächliche Angriff erfolgt dann dahin, wohin ich ausgewichen bin.

    In einem durchchoreographierten Kampf ist dieses System der Bewegung sicherlich sinnvoll, da es beiden Beteiligten maximale "Vorwarnzeiten" gibt.

    In einem echten Gefecht muß ich aber versuchen, meinem Gegner sowenig Informationen über meine Absichten wie möglich zu geben, denn er spielt ja nicht *mit* mir, sondern ficht *gegen* mich.


    Original geschrieben von dino

    zu 2.
    Würdest Du zustimmen, das dieser Gesichtspunkt eher für den historisch Interessierten als für den Techniker/Praktiker von Bedeutung ist?
    Für beide. Techniken wurden immer für die jeweiligen Waffen entwickelt.
    Wenn man versucht, Techniken des Degenfechtens aus dem 18.Jhd. mit einem langen Schwert des Mittelalters zu machen. *kann* das funktionieren. Warscheinlich aber nicht.
    Sicherlich sind manche Sachen übertragbar, aber im Zweifelsfalle sind es immer sub-optimale Lösungen, will sagen, für alle Situationen haben sich die zeitgenössichen Fechter auch eine effiziente Lösung ausgedacht, die im Zweifel besser funktioniert und besser zu den Charakteristika der jeweiligen Waffe passt.


    Original geschrieben von dino

    zu 3. Warum nicht ( wenn es funktioniert)? Wegen der historischen "Untreue"?
    Ja. Wenn ich herausfinden will, wie man zu einer bestimmten Zeit mit einer bestimmten Waffe gefochten hat, dann muß ich die Techniken genau so machen, wie sie in den über diese Waffe verfassten Fechtbüchern drinstehen.

    Ein Freund aus den USA hat es sehr treffend gesagt:
    "Don't do what seems natural, or even what seems logical. Do exactly what the manuals say! If it doesn't make sense, do it some more."

    Wenn ich Techniken aller möglicher Waffen aus allen möglichen Zeiten zusammenmixe und daraus ein System mache, daß leicht zu erlernen ist, gut aussieht und für die Beteiligten relativ sicher ist (immer dran denken: John Waller hat seine Methode fürs BÜHNENFECHTEN entwickelt, nicht als KK!), dann ist das für den Bereich Bühnenfechten/ choreographierte Vorführungen absolut OK.
    Wenn ich ich dieses System aber als "historisches Fechten", sprich, Fechten, wie es früher war, verkaufe (so wie es die EHCG/EWTO tut), dann betreibe ich schlichtweg Etikettenschwindel, oder platt gesagt Volksverarschung.

    Es ist sicher möglich, auch mit diesem System Einblicke zu bekommen, wie unsere Altvorderen gefochten haben könnten. Aber hierzu ist ein Studium der tatsächlichen Handschriften und Fechtbücher unabdingbar. Bis man aber in diesem System dazu kommt, hat man eine Menge Dinge gelernt, die man sich wieder abgewöhnen muß, wenn man tiefer in die eigentliche Materie einsteigt.

    Außerdem hat man seinem Schulleiter einen Haufen Geld in den Rachen geworfen, den man besser in Mikrofilme/Kopien von Fechtbüchern , ordentliche Waffen und Schutzkleidung/Rüstung investiert hätte.

    Die Kommerzialisierung des Systems ist das, was mich am meisten ankotzt. Ein Bonner WT-Sifu, der im Januar 2000 von historischem Fechten soviel Ahnung hatte, wie es das Curriculum von WT und Latosa Escrima hergeben (nämlich gar nix), und der nicht einmal die wichtigsten Primärquellen kannte, war im August 2001 auf einmal zum EHCG-Chapter-Leiter für Bonn und Umgebung mutiert.

    Bin ich der einzige, der das seltsam findet?

    Gruß,
    Jörg

  12. #12
    dino Gast

    Standard

    Bin ich der einzige, der das seltsam findet?

    Hallo Jörg B.

    Nein , Du bist nicht der einzige. Zumindest sind wir schon zu zweit.
    Danke für die erhellenden Ausführungen.
    Was die Kommerzialisierung angeht gebe ich dir vollkonmmen Recht.

    Gruss

    dino

    P.S. Ausführlicher Gedankenaustausch übers Netz ist leider etwas umständlich und langsam. Ich würde deshalb gerne mal mit Dir persönlich sprechen. Lässt sich das arrangieren

  13. #13
    sportler Gast

    Standard Re: Re: @Jörg B.

    Original geschrieben von Jörg B.
    ....Ja. Wenn ich herausfinden will, wie man zu einer bestimmten Zeit mit einer bestimmten Waffe gefochten hat, dann muß ich die Techniken genau so machen, wie sie in den über diese Waffe verfassten Fechtbüchern drinstehen.....
    Tut mir leid, aber jeder, der heutzutage behauptet, er betreibe "historische europäische Fechtkunst" macht sich doch etwas vor. Die einzige Verbindung zu unserem "kämpferischen Erbe" besteht heute aus alten Fechtbüchern mit einzelnen, kryptischen Bildern und teilweise noch kryptischeren Texten, entstanden in einem historischen Kontext, den wir heute nicht mehr wirklich verstehen. Der Versuch daraus ein Kampfsystem zu rekonstruieren ist nicht mehr als ein Stochern im Nebel. Sicher, man kann die eine oder andere nützliche Sache daraus ableiten, aber man wird niemals auch nur mit annähernder Sicherheit sagen könne "so ist es wirklich gewesen". Egal, wieviele Originalquellen man sichtet und wie sehr man damit herumexperimentiert. Wie überall, wo Leute versuchen, komplexe, interaktive Fähigkeiten allein aus Büchern zu lernen.

    cu
    sportler

  14. #14
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    Standard

    Sportler,

    ich muß Dir teilweise recht geben, einen "wirklich" exakten Einblick in die Fechtkunst vergangener Zeiten können wir nicht bekommen, es sei denn, jemand erfindet eine Zeitmaschine und holt sich seine Erkenntnisse aus "erster Hand".

    Man kann die Vergangenheit nicht rekonstruieren, das ist klar. Insofern habe ich mich falsch ausgedrückt.

    Was man kann, ist Geschichte (also der Teil der Vergangenheit,der uns überliefert worden ist) versuchen zu interpretieren.

    Und genau das tun ich und andere.

    All unsere Interpretationen sind mehr oder weniger ein "educated guess", wirkliche 100%ige Gewissheit gibt es aber nicht, dessen sind wir uns aber durchaus auch bewußt!

    Kein ernsthafter historischer Fechter den ich kenne würde sagen "So, wie ich es mache, war es damals wirklich!", sondern er wird sagen "So wie wir es machen könnte es damals gewesen sein!", das ist mehr als nur sein semantischer Unterschied.

    Ich habe in den letzten 12 Jahren meine Interpretationen unzählige Male über den Haufen geworfen, wenn ich neue Erkenntnisse (entweder durch eigene Forschungen oder Austausch mit anderen) gewonnen habe.

    Und das tun alle Leute, die sich weltweit damit ernsthaft beschäftigen.

    Die Tatsache, daß man eine nicht-schriftliche Aktivität wie Fechten nicht allein aus schriftlichen Quellen rekonstruieren kann, ist ebenfalls klar.

    Aber: die biomechanischen Grundlagen haben ich nicht geändert, und die taktischen Prinzipien eines Kampfes ebensowenig.

    Ob ich eine Aktion im modernen Fechten "Vorhieb" oder "Umgehung" oder im historischen Fechten "nachreisen" bzw. "durchwechseln" nenne, ist relativ egal, das taktische Prinzip das dahintersteht, ist dasselbe und die eigentliche Technik ist nahezu zu 100% identisch.

    Die rein technischen Aspekte des Fechtens kann man mit einem Hintergrundwissen aus modernem Fechten oder anderen KK durchaus auf dem Wege des "reverse engineering" recht exakt wiedererlernen bzw. interpretieren, da viele alten Hs. doch recht präzise sind.

    Hier ein kleines Beispiel aus dem Fechtbuch von Peter von Danzig, das in der Mitte des 15.Jhd. entstanden ist:

    / wenn du mit dem zu vechten zu ym
    kumst / haut er dir denn von seiner rechten seitten oben ein zu dem kopff / So haw auch
    von deiner rechten seitten von oben an alle vor saczung / mit im zornigklich ein auf sein
    swert / Ist er denn waich öm swert / so seüß im den ort gericht für sich lanck ein / und
    stich im zu dem gesicht oder der prüst

    /.../ wirt er denn ortß gewar / und vor seczt starck und druck dir dein swert auf die seitten / So reiß mit deinem swert an seiner swercz clingen vber sich auf oben ab von seinem swert / und haw ÿm zu der anderen seitten aber an seiner swertz klingen wider ein zu dem kopff daß haist oben ab genommen
    Ist das in irgendeiner Form unpräzise? An anderer Stelle in der Hs. wird erklärt, wie man zu hauen hat und wie die Fußarbeit dazu aussieht. Es wird erklärt, was eine "Versatzung" ist und was es bedeutet, wenn der Gegner "weich" am Schwert ist.

    Ich bin durchaus in der Lage anhand der o.g. Beschreibung die Technik auszuführen, und die Positionen von Körper und Waffe, die ich und mein Gegner dabei einnehmen, sehen genauso aus, wie es in den Bild-Hs. dargestellt ist.

    Insofern stochern ich und andere durchaus nicht Nebel.

    Was die kulturellen oder soziologischen Hintergründe angeht, so ist uns das Europa des Mittelalters und der Renaissance genauso fern wie das historische Japan oder die Phillippinen.

    Diese haben sogar noch den "Nachteil", daß es sich hier nicht nur um eine vergangene Epoche, sondern um einen ganz anderen Kulturkreis handelt.

    Das hindert aber Leute, die sich mit japanischer oder phillippinischer KK befassen auch nicht daran, Ihre KK ernsthaft zu üben und ein gutes Verständnis der Techniken zu erlangen.

    Ob sie aber ein tatsächliches Verständnis der jeweiligen Kultur erreichen, möchte ich mal dahingestellt lassen.

    Sie haben halt nur den unschätzbaren Vorteil, daß Ihre KK weiter tradiert wurden, und dadurch die Zeit des Lernens deutlich verkürzt wird.

    Außerdem gibt es einen ganzen Haufen Leute (Historiker der unterschiedlichsten Ausprägungen), die sich mit diesen Aspekten der europäischen Geschichte sehr eingehend befassen, insofern kann und muß man sich dort auch schlau machen, wenn man wirklich etwas verstehen will.

    Es ist nicht nur wichtig zu wissen, wie die Techniken gemacht wurden, sondern auch wann, vom wem und unter welchen Umständen, und da können sich einige KK'ler von der Intensität, mit der sich die ernsthaften historischen Fechter mit den "Begleitumständen" befassen, IMO durchaus eine Scheibe abschneiden.

    Ich bitte, das oben gesagte nicht als einen Angriff auf japanische oder phillippinische KK mißzuverstehen, ich habe großen Respekt vor diesen Künsten.
    Leider beruht dieser Respekt nicht immer auf Gegenseitigkeit.

    Fazit:
    Zum historischen Fechten gehört deutlich mehr, als zu versuchen, mit einem tschechischen Schaukampfprügel auf dem Mittelaltermarkt die Bildchen aus dem Talhoffer nachzuvollziehen.

    Das ist im besten Falle nett fürs Publikum und im schlimmsten Falle grob lächerlich und die meisten KK'ler sehen das auch genau so und urteilen zu Recht negativ über derartige Versuche. Wir tun das auch.

    Da Du aber offenbar niemand kennt, der etwas anderes macht(zumindest hast Du es nicht geschrieben), muß ich Dir das beim Lesen Deines doch recht kritischen Posts zugute halten.

    Sei Dir gewiss, es gibt auch Leute, die es anders machen.
    Ob wir es aber *richtig* machen, nunja, daß führt mich wieder zu meiner Bemerkung mit der Zeitmaschine...

    Ich hoffe, das hat Dir ein bißchen weitergeholfen.

    Viele Grüße,
    Jörg
    Geändert von Jörg B. (13-12-2002 um 09:26 Uhr)

  15. #15
    sportler Gast

    Standard

    Hallo Jörg,

    du sprichst davon, daß seriöse historische Fechter Geschichte nicht rekonstruieren, sondern nur interpretieren. Damit entziehst du dich auf den ersten Blick sehr elegant meiner Kritik, denn eine Interpretation ist natürlich immer "Interpretationssache"
    Allerdings gibt es für mich dabei zwei Probleme.

    1. Diese Art von "Disclaimer" wird zwar gern benutzt. Allerdings nehme ich diese Einstellung vielen Leuten aus der HES Szene schlicht und einfach nicht ab. Meiner Meinung nach ist das eine Aussage, die immer dann gemacht wird, wenn die berechtigte Kritik am "Lernen aus Büchern" zu stark wird. Ansonsten wird doch gern und oft aus den einschlägigen Fechtbüchern zitiert und so getan, als ob diese klare und unmißverständliche Anleitungen enthielten. Du selbst hast doch gerade einen Textabschnitt gepostet und behauptet, hieraus eine eindeutige Technik ableiten zu können. An anderer Stelle hast du jemanden darauf hingewiesen, daß man mit einer bestimmten historischen Waffe nur auf eine ganz bestimmte Art und Weise kämpfte. Berühmt ist auch das ewige Streitthema "Blocken mit der Klinge oder der Seite", wo sich die Anhänger der unterschiedlichen Lehrmeinungen teilweise auf dieselben historischen Abbildungen beziehen, die "gegnerische Interpretation" aber nicht anerkennen.

    2. Wenn die Leute allerdings wirklich der Meinung sind, daß alles eine Interpretationssache ist. Wenn allgemein akzeptiert wird, daß zehn verschiedene Leute die Texte lesen und zehn verschiedene, teils völlig entgegengesetzte, Meinungen zur Ausführung haben können (Siehe Diskussion über das Blocken). Das also alte Fechtbücher höchsten als eine vage Quelle der Inspiration und nicht als Lehrbücher dienen können. Was für eine Sinn macht das Quellenstudium dann überhaupt. Unter diesen Umständen braucht man keine historischen Quellen sichten, sondern kann sich selbst Techniken ausdenken, oder sie von heutigen Stilen abkupfern und damit versuchen, per "try and error" sein eigenes System zu erfinden. Kommt im Endeffekt auf dasselbe raus und verdient auf keinen Fall das Etikett "historisch (annähernd) korrekt".

    Nun noch etwas zum Thema "Lernen ausschließlich aus historischen Fechtbüchern". Meiner Meinung nach kommt es auf vier Dinge an, wenn man einen Bewegungsablauf lernen will.

    1. Man muß das Ganze in einem flüssigen Ablauf mit korrekter Geschwindigkeit, Timing und Rythmus sehen, um überhaupt zu verstehen, warum es geht.
    2. Man muß die wichtigsten Punkte erklärt bekommen und die Möglichkeit zu Rückfragen haben. Insbesondere bei solchen Details, die man beim normalen Betrachten nicht erkennen kann.
    3. Man muß die Wirkung der Technik am eigen Leibe spüren (wann und wie verliere ich mein Gleichgewicht, wo wird Druck ausgeübt, usw.)
    4. Man muß die Bewegungen selbst ausführen und ein Feedback über etwaige Fehler bekommen.

    Was die Punkte 3 und 4 angeht, so kann man Bücher jeder Art offensichtlich ganz vergessen. Punkt zwei kann ein Buch nur zum Teil erfüllen. Die meisten Texte sind in ihrer Aussagekraft nur sehr dürftig. Rückfragen offensichtlich nicht möglich. Bleibt noch Punkt 1. In den allermeisten historischen Fechtbüchern werden selbst komplizierte Technikfolgen durch einzelne wenige (teilweise nur ein einziges) Bild(er) dargestellt. Man sieht quasi einzelne statische Momentaufnahmen. Über 99 % der Bewegungen geschehen sozusagen vor, hinter oder zwischen den gezeigten Bildern. Weiterhin sind diese Bilder natürlich keine Fotos sondern handgemalte Zeichnungen. Zeichnungen, die teilweise mit sehr viel künstlerischer Freiheit erstellt wurden. Das bedeutet, es läßt sich aus heutiger Sicht nicht mehr zweifelsfrei sagen, welche Details (Fußstellung, Griffhaltung des Schwerts, Gewichtsverteilung auf den Beinen, usw.) auf den Bildern "technisch korrekt" dargestellt sind und welche Details nicht. Alles in allem fehlt bei der ganzen Sache ein wichtiger Punkt. Nämlich ein lebender Mensch, der Erfahrung hat und mit dem man interagieren kann. Nicht zuletzt deswegen holen sich viele HES Leute diese fehlenden Erfahrungen nebenbei in den diversen modernen Stilen.

    Was will ich damit sagen. Glaube ich, das HES Anhänger nur ihre Zeit vergeuden. Ganz sicher nicht. Wenn Leute zusammen trainieren und Dinge austesten, wird das Wissen zunehmen und über kurz oder lang zu einem ordentlichen Ergebnis führen. Das ist schließlich der Weg auf dem alle Kampfkünste entstanden sind. Allerdings verdient dieses Ergebnis mit Sicherheit nicht die Bezeichnung "Historischer Europäischer Schwertkampf". Es wird ein neuer, eigener Stil sein, der jetzt noch ganz am Anfang steht und keinesfalls die Wiederbelebung alter europäischer Traditionen ist. Meiner Meinung nach ist es eine Illusion zu glauben, man könnte einfach nach mehreren Jahrhunderten Pause an derselben Stelle und auf dem selben Niveau weitermachen.

    cu
    sportler


    PS: Ich frage mich, wie die Leute hier reagieren würden, wenn jemand ihnen erzählt, daß er sich ein Paar Judo/Karate Bücher gekauft hat und nun versucht, ohne Vorkenntnisse diese Stile zu "interpretieren".

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