Hallo, ich möchte eine Diskussion anstoßen über die Frage,
ob Klassisch Fechten wirklich so anders ist als Sportfechten?
Nach meinen bisherigen Erfahrungen und Beobachtungen ist es das nicht.
Ich habe viele Sportfechter, sowohl Trainer als auch Leistungssportler kennengelernt. Nur ganz wenige Ausnahmen (eigentlich nur einer) lehnten eine klassische Form und klassische Fechtausbildung ab oder hielten es für "nicht mehr zeitgemäß".
Alle anderen führten das mehr oder weniger starke Fehlen von klassischem Stil beim Sportfechten lediglich darauf zurück, daß zu wenig Zeit bleibt für eine klassische Ausbildung.
Der Leistungssdruck in den Vereinen zwingt dazu so schnell wie möglich aus Kindern und Jugendlichen erfolgreiche Wettkampfsportler zu machen. Dabei werden ausbildungsmäßige Abkürzungen eingeschlagen und oft auf das Einüben einer korrekten Fechtstellung oder korrekter Beinarbeit verzichtet.
Das ganze technische Repertoire des Sportfechtens (Florett u. Degen) ist nichts neues, alles schon in den Fechtbüchern vergangener Zeiten beschrieben. Wirklich neue Aktionen wie im Florett das Hochspringen und auf den Rücken klatschen sind letztlich nicht wirklich relevant, zumal das ja jetzt durch die neuen Regeln (längere Auslösezeiten für die Spitze beim Florett) erheblich erschwert wurde.
Von der Idee, "Klassisch Fechten" sei so zu fechten als ob die Waffen scharf sind, bin ich persönlich weggekommen. Der Grund: Wenn ich mit dieser Vorstellung fechte dann gehe ich mit einer ganz anderen Risikoeinschätzung an die Sache heran. Die darin resultiert, daß ich mich in meinem Repertoire sehr beschränke und sehr vorsichtig fechte. Der "Nachteil" davon in meinen Augen ist, daß der Spaßfaktor abnimmt.
Fechten macht mir zumindest ja gerade deshalb Spaß, weil man so viel ausprobieren kann an Techniken, auch sehr spontan und sehr spielerisch, und man dabei absolut nichts befürchten muß (Verletzungen).
Abgesehen davon funktioniert die Simulation eines ernsten Kampfes nur, wenn sich beide Fechter sehr verläßlich an diese Abmachung halten. Und das ist schwerer als man glaubt.
Denn derjenige, der die persönliche Risikoeinschätzung für sich herabsenkt weil er ja doch eigentlich treffen möchte, hat sofort einen Vorteil gegenüber dem der tatsächlich so ficht als ob die Waffen scharf sind. Das zu verhindern erfordert eine enorme mentale Selbstdisziplin, die die meisten meiner Erfahrung nach nicht aufbringen.
Anders gesagt: Der erste der aus dem Konsens "als ob die Waffen scharf sind" aussteigt und sich daran erinnert daß die Waffen harmlos sind, trifft.
Wenn man "Klassisch Fechten" so definiert "als ob die Waffen scharf sind" dann wäre meines Erachtens der Unterschied zum Sportfechten nur die verschiedene Risikoeinschätzung. Technik und Taktik sind völlig gleich.
Ein guter Sportfechter ist in der Lage, sehr genau das Risiko seiner Aktionen zu kalkulieren. Er oder sie kann genau abschätzen, was ein sicherer Einzeltreffer wird und darauf hinarbeiten, oder einen Doppeltreffer zu riskieren oder aber eine riskante Aktion zu wagen.
Gruß, Träumerin