Hi,

ich dachte ich bringe es endlich mal hinter mich und gebe auch mal mein eigenes Kommentar zum bisher 1maligen VT-Schnuppern ab:


Aber Achtung... wie ihr seht, ist der Bericht sehr lang. ^^


Hier also der Bericht:

Nach Jahrelangem Vt-Posting studieren und 1,5 jährigen WT-Experimenten ist es endlich so weit. Meine Neugier siegt und ich rufe bei einer VT Schule in meiner Nähe an.
Endlich möchte ich herrausfinden, was denn nun wirklich der Unterschied zwischen VT und WT ist. Zahllose Versuche dies im Forum zu erfahren wurden immer nur mit: "Komm vorbei, dann zeig ichs dir." beantwortet.

Sinnmäßiger Telefonatsverlauf:

"Hallo? xxx, Guten Tag."
"Guten Tag!"
"Ich interessiere mich für Ihr VT."
"Ah das ist schön!"
"Was ist denn der genaue Unterschied zwischen dem VT was ihr macht und dem WT?"
" Kein Problem! Komm vorbei, dann zeig ichs dir."




Am selben Tag später Abend stehe ich in einer kleinen, schmutzigen, dunklen Gasse, in der es unangenehm riecht.
"Alles klar" denke ich mir. Hier müssen echte Männer trainieren, denn welche Frau geht freiwillig an so einen Ort?
Aber schließlich geht es mir um die Qualität des Trainings. Von hochglanz-Freizeitaerobickungfu habe ich momentan genug gehabt.

Als ich das Dojo betrete fallen mir gleich 2 Dinge auf:

1. Alle Anwesenden haben einen normalen Körperumfang und wirken sportlich.
2. Die Dojodecke ist kaum höher, als mein Kopf.

Die Luft ist hier drinnen angenehmer. Die Umkleidekabine ist noch kleiner, als das Dojo und sollte mal gestaubsaugt werden. Wahrscheinlich fehlt auch hier die Frau im Haus. Dann fällt mir noch etwas auf... überall liegen Handschuhe... Machen die hier etwa Sparring im normalen Training? Cool.


Ich zieh mich also um und der Trainer kommt direkt auf mich zu. Er fragt mich, was ich bisher trainiert habe und beginnt mir sein VT Konzept zu erklären.
Ich bin nicht überrascht, als er mir davon berichtet, dass auch hier viele ehemalige WT-Trainer mit trainieren und auf VT umsatteln.

Ausgelassen diskutiert er mit mir meine Vorstellungen vom Sinn und Unsinn der verschiedenen Formen und der verschiedenen Techniken, die ich bisher kennenlernen durfte.

Hier spielt es keine Rolle, ob mich als kleinen Wt-Schülergrad Holzpuppentechniken oder Biuujee-Elemente interessieren. Alle Fragen werden interessiert aufgenommen und offen beantwortet. Schon in den ersten paar Minuten, bevor wir mit dem Training überhaupt beginnen, gibt es bei mir mehrere "Aha"-Effekte.

Nicht unbedingt ein: "WOW! Ich war ja so blind.", denn darüber war ich schon länger hinweg, da ich bereits meine Erfahrungen mit WT und den üblichen WT Problemen gesammelt hatte, sondern "Ahh... jaa, das ist eine interessante Idee, ich glaube damit könnte ich evtl. arbeiten."

Das Training beginnt.

Der Trainer stellt sich mit mir vor den Spiegel um mit mir die Siu Nim Tau durchzugehen. Primär um mir die Unterschiede zur WT Siu Nim Tau zu zeigen.

Noch bevor er mir seine Version des ingung Stands erklärt hat, muss ich mich ducken um den umherfliegenden Fauststößen auszuweichen.
Mehrere Paare haben sich mittlerweile in intensivem Sparring vertieft. Die Kämpfe gefallen mir. Die Schläge sehen dynamisch und kraftvoll aus, obwohl es nur semi-Sparring mit verschiedenen Absprachen ist.

Aber definitiv kein Tanz-Chisau.

Der Stand ist nicht so merkwürdig nach innen gedreht, wie bei den Wtlern. Die VTler stehen nicht auf dem hinteren Bein.
Dies zeigt sich auch deutlich darin, dass die Sparringspartner solide stehen, wenn sie denn mal kurz stehen, denn sie machen auch kein Standchisau, sondern bewegen sich im Raum.

Erst neulich habe ich wieder einen meiner meinung nach sehr guten Wtler gesehen, der immer wieder aus dem Gleichgewicht kam, da nicht viel Kraft nötig war um ihn über sein hinteres Bein rüberzudrücken.

Flott ist der Trainer mit mir die ganze Siu Nim Tau durchgegangen und hat mir die Änderungen im VT beigebracht. Jede meiner Fragen nach Sinn und Grund für dieses oder jenes wurde direkt beantwortet und demonstriert. Auch wenn ich Zwischenfragen zur ChumKiu gestellt habe - Kein Problem.


Was nicht beantwortet wurde war folgende Frage:


"Wie hältst du denn hier die Hand? Soll die eher so oder so sein? Bisschen mehr rüber?"

Es ist schon ein Weilchen her, aber sinngemäß meine ich mich zu erinnern, dass hier sinnvollerweise nicht die millimeter genaue Position der Hand entscheidend war. Darauf wollte der Trainer auch gar nicht eingehen. Es ginge ums Gesamtkonzept - um eine schlüssige starke Struktur. Ob die Hand dann einen Zentimeter weiter links oder rechts wäre, ist völlig egal.

"Ganz meine Meinung" denke ich mir. Wie oft habe ich mich schon darüber gewundert, dass viele Kampfkunstsysteme Jahre damit verschwenden eine Kampfhaltung auf den Millimeter genau einzuüben, nur um dann festzustellen, dass ein realer Kampf sowieso zu dynamisch ist um eine millimetergenaue Position einzunehmen, geschweige den zu halten.


Als nächstes habe ich ein wenig ChiSau mit einem Anderen Partner probieren können. Das hat mich schon immer interessiert. Soweit war ich in der Ewto nicht gekommen, da die Trainer immer aus irgendeinem Grund meinten, dass gehöre noch nicht in mein Program.

Als ich gestehe, dass ich die Regeln vom ChiSau noch nicht explizit kenne, schlägt der Trainer mir vor statt dessen DanShi(?) zu probieren. Also einarmig.

Dies lehne ich strikt ab, da ich heute nicht vorbeigekommen bin um mich zu langweilen und weiter zu unterfordern. Wt-ungewöhnlicherweise ist dies gar kein Problem.
Ich möchte ChiSau trainieren? Wieso nicht! Schnell werden mir ein paar einfache Abläufe gezeigt und die nächsten 15 Minuten verbringe ich damit, diese zu trainieren. Eine spannende Aufgabe, die ganz wie von mir erwartet, auch prima funktioniert.

Dann geht das Training in ein Linientraining über. Wir üben ein einfaches Ausweichen mit gleichzeitigen Zurückschlagens, als Antwort auf einen geraden Punch.

Kein Problem denke ich mir.. Das habe ich schon tausend Mal im privaten Sparring gemacht.

Joa, dachte ich mir. Nur dass ich diesmal einen ehemaligen(?) Türsteher(?) als Trainigspartner habe, der Wert darauf legt, dass hier auch etwas realistisches ankommt.
Wie sagen die VTler hier im Board immer? Wir sind im Training nicht beim Tanzunterricht. Das durfte ich dann auch feststellen. Für eine empfindliche Frau wäre das wahrscheinlich schon zu hart gewesen. Ich habe mir auch eine _ganz_ leicht blutige Lippe geholt bei der Demonstration und auch mein Trainigspartner wollte, dass ich ihn immer leicht treffe. Bzw. das weiß ich nicht, aber wenn meine Hand nicht da angekommen ist, wo ich ihn selbst treffe, hat er mir das immer so schmerzhaft nochmal vorgemacht. =)
Auf die leicht blutige Lippe hätte ich gerne verzichtet, abe in den paar Minuten habe ich _einiges_ neues über diese (eigentlich sehr einfache)Technik gelernt, wovon ich mittlerweile schon sehr profitiert habe.


Das Training ging dann seinem Ende zu. Es wurde sich verbeugt und die meisten Leute gehen sich umziehen. Jetzt will ich s aber wissen! Sind wir im Tanzverein, oder interessiert man sich hier ernsthaft für die Kampfkunst?
Ich frage also einen von den Sparringsleuten, ob er Lust auf freundschaftliches Sparring hat. Ich hatte aber nur große (Box)Handschuhe dabei und keine kleinen Freefight-Handschuhe. Deswegen lehnt der Sparringspartner entschuldigend ab. Er wüsste nicht, wie man mit den großen Handschuhen umgeht und kenne nur die kleinen. Da hatte er anscheinend Angst mich zu verletzen. Sagte er zumindest.

Also frage ich direkt den Trainer. Obwohl dieser es eigentlich eilig hat, lässt er sich tatsächlich auf das Training ein.

Wow.. ein Trainer, der sich auf einen fairen Vergleich einlässt? Als Regeln legen wir Semikontakt(sprich Kontakt ohne festes Durchziehen fest. Immerhin beklagen wir auch einen deutlichen Mangel an mitgebrachter Schutzausrüstung. =) ) Ansonsten alles erlaubt, außer dass wir den Bodenkampf momentan ausgeschlossen haben. Dafür gehe ich sowieso noch ins BJJ.

Im Kampf habe ich ein paar schöne Treffer gelandet, mit den großen Boxhandschuhen fühle ich mich in meinem Element. Bin mit fast 4 Jahren Training mit regelmäßigem Sparring auch kein richtiger Neuling mehr.
Jedoch merke ich gleich, dass er im Infight sehr viel sinnvoller vorgeht, als ich. Jedesmal wenn ich ihn rankommen lasse, läuft er mich irgendwann aus, kriegt mich ungünstig am Genick, oder verpasst mir gleich eine.

Der Kampf ist vorbei. Wir geben uns die Hände ich bedanke mich.

Das war mal wirklich ehrlich. Kein merkwürdiges Gurugetue. Kein "Du-Darfst-Dich-Nicht-Wehren-Sonst-Verletze-Ich-Dich".

Hoch zufrieden verabschiede ich den Trainer.

Da bietet der eine Sparringspartner, der vorher den Kampf abgelehnt hatte mir an noch ein bisschen meine Schlagtechnik zu trainieren.

Hier habe ich ein Defizit... das ist mir durchaus klar. In unserm Taekwondotraining schlagen wir meistens in die Luft. Das in die Luftschlagen macht es schwierig seine Technik auf Durchschlagskraft zu überprüfen und im Sparring hatte ich schon oft den Eindruck, dass es ein wenig an Schlagkraft fehlt.

Er hält die Bratze und bittet mich mal so fest ich kann reinzuhauen.

1. Versuch.. Kein besonderer Effekt.
2. Versuch jetzt lasse ich meinen taekwondoschlag taekwondoschlag sein und hole richtig aus. Haue so fest ich kann in die Bratze. Er taumelt ein bisschen.

Gar nicht schlecht, sein Kommentar. Gibt mir die Bratze.

Ich stelle mich fest hin. Und er holt kaum aus, schlägt aber sehr dynamisch aus der Hüfte und ich flieg durch den halben Raum. =)
Das konnte ich auch beim 5ten Halteversuch nicht verhindern.

Das würde ihm bei fast jedem so gehen. Auch bei den ganz großen, schweren Typen.

Die nächsten 20 Minuten habe ich mir von ihm beibringen lassen, wie er schlägt und siehe da.. nach 20 Minuten sind meine Schläge _deutlich_ fester geworden.

Mittlerweile habe ich das alles in mein taekwondo integriert und versuche generell so zu schlagen. Prima. Das haben mir tausende Kettenfauststöße ohne hüfteinsatz vorher nicht vermittelt.


So far so good.

Das war dann meine VT Impression. Ich werde mich definitiv noch länger mit VT beschäftigen, wenn ich aus Japan zurück bin.


Mfg,

Gerrie