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Thema: Überlieferte Taiji-Anwendungen noch zeitgemäß?

  1. #1
    Freier Geist Gast

    Standard Überlieferte Taiji-Anwendungen noch zeitgemäß?

    Auf der Netzseite eines Taiji-Anbieters stieß ich auf die Aussage, die überlieferten Taiji-Anwendungen seien heute nicht mehr zeitgemäß, weil sie auf Angriffe ausgelegt gewesen seien, die so im Jahr 2008 nicht oder kaum mehr vorkämen.

    Ich halte dies für einen sehr interessanten Aspekt, über den ich zwar schon bei dem einen oder anderen SV-System gestolpert bin – richtig beschäftigt habe ich mich damit jedoch bisher noch nicht, und auf diesem Level leuchtet mir das auch noch nicht richtig ein.

    Bei Angriffen mit neuen Waffen oder im Hinblick auf Waffen, die heute nicht mehr zum Einsatz kommen, ist es mir natürlich klar, bei den noch vorkommenden Waffen und beim waffenlosen Kampf weniger.

    Machen Angreifer heute anderes als vor 200 Jahren?

    Unterliegen Angriffe der Mode?

    Sind die Veränderungen gegebenenfalls wirklich signifikant?

    Und zu guter Letzt: Sind Anwendungen/Techniken ohnehin nicht immer lediglich Beispiele, die dem Schüler ein Gefühl von Möglichkeiten vermitteln sollen, um schließlich komplett frei von ihnen spontan wirksam agieren zu können?

    Bin gespannt auf eure Ansichten (inklusive derjenigen obigen Anbieters ).

    Gruß

    Freier Geist

  2. #2
    Ronny Wolf Gast

    Standard

    Wer spricht von Anwendungen und Techniken beim Taijiquan? Das Ziel ist doch Energie zu verstehen und anzuwenden/umzulenken/abzuleiten/etc., oder nicht? Und wenn man dieses Ziel erreicht hat, braucht man doch keine spezielle Anwendung/Technik mehr, denn dann reagiert man vollkommen natürlich. Dann ist es auch völlig egal, mit was der Gegner im Nahkampf angreift.
    Und was sollen denn Angreifer jetzt anders machen? Die Menschen haben noch immer zwei Arme und zwei Beine.
    Geändert von Ronny Wolf (15-10-2008 um 16:37 Uhr)

  3. #3
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    41470 Neuss
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    Standard

    Hallo, Freier Geist!


    Zitat Zitat von Freier Geist Beitrag anzeigen
    Auf der Netzseite eines Taiji-Anbieters stieß ich auf die Aussage, die überlieferten Taiji-Anwendungen seien heute nicht mehr zeitgemäß, weil sie auf Angriffe ausgelegt gewesen seien, die so im Jahr 2008 nicht oder kaum mehr vorkämen.

    Ich halte dies für einen sehr interessanten Aspekt, über den ich zwar schon bei dem einen oder anderen SV-System gestolpert bin – richtig beschäftigt habe ich mich damit jedoch bisher noch nicht, und auf diesem Level leuchtet mir das auch noch nicht richtig ein.
    In der Tat, eine interessante Behauptung.

    Zitat Zitat von Freier Geist Beitrag anzeigen
    Bei Angriffen mit neuen Waffen oder im Hinblick auf Waffen, die heute nicht mehr zum Einsatz kommen, ist es mir natürlich klar,
    Einverstanden, das erklärt sich von selbst.

    Zitat Zitat von Freier Geist Beitrag anzeigen
    bei den noch vorkommenden Waffen und beim waffenlosen Kampf weniger.
    Das seh' ich ebenfalls wie Du, denn ...

    Zitat Zitat von Freier Geist Beitrag anzeigen
    Machen Angreifer heute anderes als vor 200 Jahren?
    ... wenn wir die Ausnahme oben beiseite lassen, glaube ich z.B. auch nicht, daß Menschen früherer Zeit sich allgemein grundsätzlich anders bewegt haben als wir bzw. unsere Zeitgenossen. So grundlegend hat sich die menschliche Anatomie in den letzten 2000 Jahren auch nicht geändert.

    Zitat Zitat von Freier Geist Beitrag anzeigen
    Unterliegen Angriffe der Mode?
    Nun, das mag schon sein - zu meiner Grundschulzeit (damals hieß es noch Volksschule) gab es beispielsweise in den Pausen fast ausschließlich nur Ringkämpfe mit "Schwitzkasten" und dann war's auch schon gut und Ende; Prügeleien, in denen geboxt/geschlagen (und geblutet) wurden, kamen erst viel später auf und Tritte noch viel später.

    Zitat Zitat von Freier Geist Beitrag anzeigen
    Sind die Veränderungen gegebenenfalls wirklich signifikant?
    Imho und unter dem o.a. Aspekt in gewisser Hinsicht schon - allerdings will ich die Signifikanz meines obigen Beispiels nicht verallgemeinern.

    Zitat Zitat von Freier Geist Beitrag anzeigen
    Und zu guter Letzt: Sind Anwendungen/Techniken ohnehin nicht immer lediglich Beispiele, die dem Schüler ein Gefühl von Möglichkeiten vermitteln sollen, um schließlich komplett frei von ihnen spontan wirksam agieren zu können?
    Bingo - es geht doch im Taijiquan speziell wie in den Neijias überhaupt doch primär um den Erwerb der Fertigkeit, die jeweiligen Prinzipien zur Anwendung zu bringen und nicht darum, an Techniken zu kleben.

    Ein Pangjin z.B. läßt sich imho auf eine Vielzahl von Angriffen anbringen - egal, ob sie "modern" oder "von Anno Schnee" sein mögen - denn ich bin der Ansicht, daß das Verstehen (= auch umsetzen können) von Pangjin auch das Verstehen des Angriffs beinhaltet, und da spielt die äußere Form des Angriffs keine wesentliche Rolle.

    Allenfalls in durch Regelwerke eingeschränkte Sportarten kann ich Veränderungen feststellen - nehmen wir einfach das Boxen. Da hat es eine Menge an "Neuem" gegeben und dennoch - wie schon oben erwähnt - ein Hieb ist ein Hieb; ob er in der Ming-Dynastie ausgeführt wurde oder heute stattfindet.


    Schöne Grüße,
    john_doe
    Nada es más triste que la muerte de un sueño
    http://www.yingmen-schule.de

  4. #4
    nagual Gast

    Standard

    Zitat Zitat von Ronny Wolf Beitrag anzeigen
    Wer spricht von Anwendungen und Techniken beim Taijiquan? Das Ziel ist doch Energie zu verstehen und anzuwenden/umzulenken/abzuleiten/etc., oder nicht? Und wenn man dieses Ziel erreicht hat, braucht man doch keine spezielle Anwendung/Technik mehr, denn dann reagiert man vollkommen natürlich. Dann ist es auch völlig egal, mit was der Gegner im Nahkampf angreift.
    Und was sollen denn Angreifer jetzt anders machen? Die Menschen haben noch immer zwei Arme und zwei Beine.
    Ob es in einer KK wie Taiji als hohes Ideal gilt, alles intuitiv zu machen, oder ob man die Sachen als Techniken beschreibt und übt, finde ich vollkommen nebensächlich. Genau das, was Taijiler im IDEALFALL (!!!) intuitiv machen, üben andere als Technik. Und wenn man sich viele Taijiler anschaut, auch "Profis", dann stellt man bei genauem Hinsehen schnell fest, dass das intuitive Repertoire meistens auf eine relativ enge Bandbreite von Möglichkeiten festgelegt ist, d.h. es ist im Grunde ebenfalls nur eine Reihe von Techniken, aber es wird eben nicht zugegeben, dass es eigentlich nur Techniken sind, weil dieser allumfassende Intuitiv-Firlefanz eben gnadenlos überlegener klingt, als wenn jemand dann automatisch alle Techniken können würde. Das ist aber keineswegs der Fall.
    Einen intuitiven Spielraum an Variationen haben auch Leute, die das, was sie üben, auch Technik nennen, anstatt ein "überlegenes" Intuitionsprinzip darüber zu legen.

    Was "früher" und heute angeht, wird man sicherlich gewisse Unterschiede feststellen können. Fragt sich auch, wann "früher" überhaupt gewesen ist.

    Grundsätzlich sollte man meiner Meinung nach unterscheiden zwischen echten gewalttätigen Überfällen, z.B. zwecks Raub oder gezieltem Mord, und Gewaltverhalten, welches mehr dem Posen und Abreagieren dienen soll, sprich Hooliganismus und Strassenschlägerei nach Provokationen.
    Gewalt nach Provokation und Gepose wird es in den Gassen der Großstädte immer schon gegeben haben, dementsprechend dürften die Methoden, damit fertig zu werden, auch über Jahrhunderte ungefähr gleich bleiben.

    Raubüberfälle und Mordattacken sind aber in der heutigen Zeit sehr selten, während Wegelagerei z.B. früher recht üblich war, und dafür kommen u.U. andere Methoden der Verteidigung in Frage.

    Recht unterschiedlich dürfte auch die Bedeutung von Waffen (bei Angriff und Verteidigung) früher und heute gewesen sein.

    Insgesamt dürfte eine Behauptung, die Methoden von früher wären heute nicht mehr geeignet, völlig übertrieben sein, und mehr der Diffamierung der traditionellen KK dienen. Kein Grund, sich darauf einzulassen.

  5. #5
    Ronny Wolf Gast

    Standard

    Ok, um Mißverständnisse zu vermeiden, müßte man ersteinmal definieren, was man als Technik/Anwendung bezeichnet. Im weitesten Sinne kann man jede Bewegung als Technik/Anwendung bezeichnen. In diesem Sinne kann ich nagual natürlich nur rechtgeben.
    Ich fasse aber die Begriffe Technik und Anwendung etwas enger auf. Je nach Tradition gibt es in den überlieferten Formen unterschiedliche Stellungen/Bewegungen, die ich als Techniken/Anwendungen bezeichnen würde. Würde man aber versuchen, diese in einem Kampf so anzuwenden, wie sie in der Form vorkommen, so wäre das viel zu einschränkend. Wenn man mal einem Großmeister bei einem freien "Kampf" zuschaut, sieht das überhaupt nicht mehr nach Taiji aus, so wie man das aus der Form her kennt. Das meinte ich mit man kämpft "ohne" Technik/Anwendung.
    Es gibt unzählige Geschichten, wo sehr gute Kämpfer aus anderen Systemen eine Taji-Meister herausgefordert haben. Soweit ich weiß, haben sie nicht verloren, weil der Taji-Meister diese oder jene Technik angewendet hat, sondern weil der Taji-Meister verstanden hat, wie die Energie auf ihn gewirkt hat. Sicherlich sind einige dieser Geschichten auch übertrieben, aber ich denke dennoch, dass da etwas dran ist.

  6. #6
    bluemonkey Gast

    Standard

    Zitat Zitat von nagual Beitrag anzeigen
    Genau das, was Taijiler im IDEALFALL (!!!) intuitiv machen, üben andere als Technik. Und wenn man sich viele Taijiler anschaut, auch "Profis", dann stellt man bei genauem Hinsehen schnell fest, dass das intuitive Repertoire meistens auf eine relativ enge Bandbreite von Möglichkeiten festgelegt ist, d.h. es ist im Grunde ebenfalls nur eine Reihe von Techniken, aber es wird eben nicht zugegeben, dass es eigentlich nur Techniken sind, weil dieser allumfassende Intuitiv-Firlefanz eben gnadenlos überlegener klingt, als wenn jemand dann automatisch alle Techniken können würde.
    Es wird weniger behauptet, dass man intuitiv alle möglichen Techniken erfindet, sondern viel mehr, dass man eventuelle Techniken, die man eben aus irgendwelchen Gründen kann (sei es, weil sie Formbewegungen ähneln, sei es, dass man sie anderweitig geübt hat..) wirkungsvoller anwenden kann.
    Beispiel Hebel:
    Man lernt nicht 100 verschiedene Hebelvarianten, sondern eher im einstelligen Bereich.
    Allerdings lernt man (im Idealfall) beim Hebeln den Körper des Gegners zu kontrollieren bzw. beim Gehebeltwerden sich der Kontrolle des Gegners zu entziehen.
    In der Anwendung hat man dann auch keine einstudiertes Reiz-Reaktions-Verhalten, sondern wenn sich ein Hebel ergibt, dann hebelt man halt, sonst macht man etwas anderes.
    Es soll auch schon vorgekommen sein, dass Taijimeister Herausforderer mit ungewohnter Technik einfach wegeschubst haben, bis denen die Lust vergangen ist.
    (Diese Art von Intuition findet sich natürlich mehr oder weniger bei vielen fortgeschrittenen Kampfkünstlern.)
    So wie ich es mitbekommen habe, bekommt man zwar Anwendungen gezeigt, aber ist, wie bei dem Rest des Taijiquantrainings, aufgefordert, weniger stumpf Techniken auswendigzulernen und zu automatisieren, sondern vielmehr die Bewegungsmöglichkeiten und die dahinterstehenden Gesetzmäßigkeiten zu erforschen und damit auch einen persönlichen Stil zu entwickeln.
    Wenn das auf diese Art und Weise geschieht, bleibt die Kunst lebendig, da die Anwendungen immer wieder neu gefunden werden.
    Geändert von bluemonkey (15-10-2008 um 21:28 Uhr)

  7. #7
    bluemonkey Gast

    Standard

    Zitat Zitat von Ronny Wolf Beitrag anzeigen
    Wenn man mal einem Großmeister bei einem freien "Kampf" zuschaut, sieht das überhaupt nicht mehr nach Taiji aus, so wie man das aus der Form her kennt.
    Das würde ich allerdings gerne mal sehen, ich kenne nur die Geschichten

  8. #8
    nagual Gast

    Standard

    Es wird weniger behauptet, dass man intuitiv alle möglichen Techniken erfindet, sondern viel mehr, dass man eventuelle Techniken, die man eben aus irgendwelchen Gründen kann (sei es, weil sie Formbewegungen ähneln, sei es, dass man sie anderweitig geübt hat..) wirkungsvoller anwenden kann.
    In diesem Sinne finde ich das auch vernünftig und angemessen.

    Wenn man mal einem Großmeister bei einem freien "Kampf" zuschaut, sieht das überhaupt nicht mehr nach Taiji aus, so wie man das aus der Form her kennt.
    Ich bin davon überzeugt, dass die Anwendungen in bestimmten Aspekten sehr wohl wie in der Form aussehen sollen, meistens jedoch nur kleiner, so dass man das nicht unbedingt erkennt, bzw. nur dann, wenn man die Form in der gleichen Art entschlüsselt hat wie der beobachtete Kämpfer. Dann müsste man es bei genauem Hinsehen erkennen.

  9. #9
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    Standard

    Mehr oder weniger alle offensive "Techniken" in Tai Chi Chuan sind in vielen anderen Kampfkünsten oder einfach Kloppereien enthalten. Ein Faustschlag zum Bauch oder Rippen, oder eine Handfläche ins Gesicht - gibt's überall. Was Tai Chi in diesem Hinsicht ausmacht ist nicht so sehr das was, sondern das wie. Wie nützt man die (kinetische) Energie des anderen und die eigene Energie, um eine bestimmte Technik in dem Moment entstehen zu lassen? Und wie nutzt man diese Energien und wie setzt man den eigenen Körper ein ("neijia-Körpermechanik"), um diese Technik dann zu "füllen"? Das ist es, meiner Meinung nach, was offensive "Tai Chi-Techniken" ausmacht.

    Es sind die verteidigenden "Tai Chi-Techniken", die wirklich das Besondere von Tai Chi Chuan ausmachen. Das taichitypische Wechselspiel von Peng-jin und Lü-jin erzeugt die Konterangriffe. Natürlich sind Peng-jin und Lü-jin keine "Techniken" im Sinne von Figuren, die man photographisch wiedergeben kann. Und auch die Figuren in (Yang-Stil)Formen, die diese Namen manchmal tragen, sind nur einigermaßen repräsentative Beispiele von den eigentlichen "Techniken", die eher "Settings" vom eigenen Körper und seine Reaktionsmöglichkeiten sind. Die äusserlichen Techniken entstehen dann (mit genug Training) automatisch aus diesen Settings.
    Und diese sind wirklich nicht modeverbunden. Ob jemand mich schlagen, ins Schwitzkasten nehmen, treten, den Arm verdrehen, die Beine wegreissen, einen Kopfnuß verpassen oder ein Messer in den Körper rammen will (Gott verhüte, daß so was wirklich vorkommen sollte!), dann bleiben Peng-jin und Lü-jin bzw. ihr Zusammenspiel genauso gültig. Was nicht bedeutet, daß ich behaupte, alles locker abwehren zu können...!!

    NB. "Peng-jin" hier natürlich im Kontext von Training mit eher "realistischen" Angriffen zu verstehen, nicht mit den Demos à la: Ich halte zuerst einen runden Arm hin, woraufhin mein Partner so nett ist, gegen diesen Arm geradeaus zu drücken. Als Übung nicht falsch, aber nicht mit SV zu verwechseln...

    Schöne Grüsse,

    Giles
    Tai Chi Chuan und Qigong in Neukölln und Treptow, Berlin: cloudhand-taichi.berlin

  10. #10
    Hongmen Gast

    Standard

    Zitat Zitat von Freier Geist Beitrag anzeigen
    Auf der Netzseite eines Taiji-Anbieters stieß ich auf die Aussage, die überlieferten Taiji-Anwendungen seien heute nicht mehr zeitgemäß, weil sie auf Angriffe ausgelegt gewesen seien, die so im Jahr 2008 nicht oder kaum mehr vorkämen.

    Ich halte dies für einen sehr interessanten Aspekt, über den ich zwar schon bei dem einen oder anderen SV-System gestolpert bin – richtig beschäftigt habe ich mich damit jedoch bisher noch nicht, und auf diesem Level leuchtet mir das auch noch nicht richtig ein.

    Bei Angriffen mit neuen Waffen oder im Hinblick auf Waffen, die heute nicht mehr zum Einsatz kommen, ist es mir natürlich klar, bei den noch vorkommenden Waffen und beim waffenlosen Kampf weniger.

    Machen Angreifer heute anderes als vor 200 Jahren?

    Unterliegen Angriffe der Mode?

    Sind die Veränderungen gegebenenfalls wirklich signifikant?

    Und zu guter Letzt: Sind Anwendungen/Techniken ohnehin nicht immer lediglich Beispiele, die dem Schüler ein Gefühl von Möglichkeiten vermitteln sollen, um schließlich komplett frei von ihnen spontan wirksam agieren zu können?

    Bin gespannt auf eure Ansichten (inklusive derjenigen obigen Anbieters ).

    Gruß

    Freier Geist
    hallo geist
    ich denke du meinst meine site? oder?
    wenn ja, müsstest du auch meine persönliche antwort dazu, in dem weiterführenden text gefunden haben?

    gruß
    hongmen

  11. #11
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    Standard

    Hallo,
    erst einmal denke für deine Frage!
    Aus der Fragestellung erschließen sich mir schon eigene Gedankengänge, die mir dazu einfallen.
    Viel interessanter wäre in welchen Kontext der "Texter" oder Ideengeber seine Behauptung stellt.
    Ich sehe schon Unterschiede, wie ein Kind heute reagieren sollte, wenn es am Pausenhof angemacht wird (heute und vor 30/50 Jahren). Du kannst es dir gar nicht mehr leisten das die dich auf den Boden bringen und dann dir die Kopf bestiefeln. Ich sehe schon einen Unterschied wenn eine kleine Gruppe Kidz von einer größeren Gang angemacht wird. Da schreibe ich aus meiner Erfahrung mit meinen Kindern. Die wurden angemacht von Kindern aus dem Ostblock, die ihre älteren Brüder, Cousins, ... dabei hatten. Die Nicklichkeiten nahmen da kein Ende. Unsere Kids waren zahlenmäßig, vom Alter her und auch von der Reaktion her unterlegen. Meine Söhne hatten da bereits 10 Jahre Judo Leistungssport gemacht. Die wollten sich nur wehren und haben mit den aggressiven Angriffen der Ghetto-Kidz gar nicht gerechnet. Die kamen sofort mit den Beinen voraus gesprungen. Das war in ihrem "naiven" Spektrum gar nicht existent. Gut war das die Gang vor Gericht eine richtig verbraten bekam, da auch hier wie schon oft geschrieben einer gestiefelt wurde.
    Gleichzeitig kenne ich Erzählungen von meinem Onkel, das sie auf dem Schulweg häufig von den Dorfkindern (sie wohnten etwas außerhalb) angemacht wurden. Auch hier viel mehr Kidz gegen ein Hand voll. Mein Onkel erzählt das sich vor allem mein Vater dabei als wesentlich jüngerer Respekt verschafft hat. Da hat er zu einem Stein, Stock, ... gegriffen. Und irgendwann war Ruhe, weil sie wussten mit denen ist nicht zu spaßen. Wenn du das heute machst, hast du sofort die Gerichtsbarkeit am Hals. Die Wahl der Mittel ist heute schon eine sehr elementare Frage.
    Und natürlich haben wir Menschen uns nicht wirklich verändert und doch würde ich schon noch Zeit haben zu überlegen, was könnte hinter der Frage stecken.
    Liebe Grüße Dao

  12. #12
    Freier Geist Gast

    Standard

    Zitat Zitat von Hongmen Beitrag anzeigen
    hallo geist
    ich denke du meinst meine site? oder?
    wenn ja, müsstest du auch meine persönliche antwort dazu, in dem weiterführenden text gefunden haben?

    gruß
    hongmen
    Hallo, Hongmen!

    Genau. Und ich hab's mir jetzt auch nochmal durchgelesen. Aber ich häng da irgendwo ...

    "Darüber hinaus wandeln wir die Ideen, die den einzelnen Sequenzen zugrunde liegen, in zeitgemäße Anwendungen um. Zwar gibt es durchaus Taiji Lehrer, die den Kampfkunstaspekt beachten und trainieren, aber die alten überlieferten Techniken sind nicht mehr „up to date“ -wurden sie doch vor Jahrhunderten gegen Shaolin-Techniken u.a. entwickelt. Auch die Kunst der effektiven Selbstverteidigung hat sich im Lauf der Zeit verändert"

    Auf diesen Absatz finde ich irgendwie keine für mich stimmige Antwort, sorry. Und auch nichts, was andere ohnehin auch sagen (Prinzipien und so).

    Mich interessiert deine mich zum Nachdenken gebracht habende Aussage inzwischen aber auch ganz allgemein, denn ich bin über solche Aussagen, wie erwähnt, auch schon bei einigen SV-Systemen gestoßen, die "zeitgemäße", adäquate Antworten nicht nur in Prizipien sehen.

    Allen bisherigen Antwortgebern, die am Thema geblieben sind, danke ich jedenfalls schon mal für ihre Überlegungen. Insbesondere Dao hat meines Erachtens einen hochinteressanten Aspekt aufgeworfen, den ich noch auf mich wirken lassen möchte, um dann später noch auf ihn einzugehen.

    Gruß

    Freier Geist

  13. #13
    bluemonkey Gast

    Standard

    Zitat Zitat von Dao Beitrag anzeigen
    Hallo,
    Ich sehe schon Unterschiede, wie ein Kind heute reagieren sollte, wenn es am Pausenhof angemacht wird (heute und vor 30/50 Jahren). Du kannst es dir gar nicht mehr leisten das die dich auf den Boden bringen und dann dir die Kopf bestiefeln. Ich sehe schon einen Unterschied wenn eine kleine Gruppe Kidz von einer größeren Gang angemacht wird...
    Ich fass mal zusammen:
    Ganz früher ging es brutal her und man konnte sich mit Brutalität Respekt verschaffen. Vor 30 bis 50 Jahren gab's nur Schwitzkasten, heute geht's wieder brutal zu, aber die Proleten holen die Polizei, wenn man gewinnt.
    Ergibt sich dadurch die Notwendigkeit für neue, zeitgemäße Kampftechniken?
    Die Gründer von Taijiquan mussten sich Ihrer Haut tatsächlich wehren, vornehmlich unter Zuhilfenahme von Waffen.
    Es ging schon damals darum, stehenzubleiben und - wenn man doch mal zu Boden ging - so schnell wie möglich wieder aufzustehen. Langes Rollen auf dem Boden wurde eher nicht trainiert. Tritte auf am Boden liegende Personen sind vorgesehen.
    Man sollte damit (sofern man das System beherrscht) also auch auf zeitgenössischen Schulhöfen klarkommen, solange die Angreifer keine Waffen benutzen, aber dann hat man auch mit moderenen Systemen schlechte Karten. Die bekannten modernen Systeme sind auch eher brutal und kompromisslos, ähnlich wie Taijiquan, d.h. mit den Gesetzeshütern kommt eventuell auch mit diesen in Konflikt.
    Darüberhinaus führt Taijiquan, über längere Zeit trainiert, tendenziell dazu, dass man weniger körperliche Auseinandersetzungen hat, während manche moderne Systeme eher die Kriegerträume des domestizierten Bürgers von heute befriedigen.
    Gute Praktiker kommen auch mit KFS klar. Ansonsten sehe ich nicht, wo man sich technisch heute anders schlägt, stößt, tritt, wirft, hebelt, hält oder würgt, als vor 200 Jahren?
    Vielleicht kann ja mal einer ein Beispiel bringen
    Geändert von bluemonkey (16-10-2008 um 11:00 Uhr)

  14. #14
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    Standard

    Zitat Zitat von bluemonkey Beitrag anzeigen
    Ich fass mal zusammen:
    Darüberhinaus führt Taijiquan, über längere Zeit trainiert, eher dazu, dass man weniger körperliche Auseinandersetzungen hat, während manche moderne Systeme eher die Kriegerträume des domestizierten Bürgers von heute befriedigen.
    Hallelujah! Danke Blue Monkey, das kann nicht oft genug gesagt worden - weil es nämlich immer wieder nicht verstanden, vergessen, ignoriert wird. Vor allem anscheinend von denjenigen, die tatsächlich Kriegerträume mit echter "Selbstverteidigung" verwechseln (wollen).
    Man spricht doch auch z.B. von einem "entwaffnenden Auftritt" oder einem "entwaffnenden Lächeln", was ja überhaupt nichts mit Schwäche zu tun hat. Man kann ganz locker, freundlich, wach und nicht anbiedernd auftreten, und zugleich - wenn es keine andere Möglichkeit gibt - sofort aufdrehen können. Es ist sogar die gleiche Körperspannung und -struktur in Taijiquan, die die Basis für ein nicht aggressives und nicht "flüchtendes" Auftreten und zugleich für effiziente Kampfreaktion bildet.

    Schöne Grüsse,

    Giles
    Tai Chi Chuan und Qigong in Neukölln und Treptow, Berlin: cloudhand-taichi.berlin

  15. #15
    Freier Geist Gast

    Standard

    Kurzer Einschub: Das sagt sich natürlich ganz locker, wenn man schon längst nicht mehr zur gefährdeten Zielgruppe à la Dao's Kinder gehört. Und je länger man davon selbst weg ist (Stichwort "domestizierter Bürger"), verfestigt sich der Glaube, das alles sei primär nur eine Frage der Haltung. Ich erinnere mich noch mit Schaudern an die Zeit Anfang der 80er-Jahre als ich in England mit Freunden über längere Zeit von einer ortsansässigen Gang regelrecht gejagt wurde, nur weil wir nicht zum Dorf gehört haben. Die Ängste wünsche ich keinem. Von wegen Haltung und entwaffnendem Lächeln - derjenige, der in solchen Situationen am ehesten seine Ruhe hatte, war ganz im Gegenteil der Nicht-Lächler, derjenige vor dem man aufgrund Statur und "Sage" einen Heiden-Respekt hatte. Schmächtige Lächler und Minderheiten sind für diese Gruppen geradezu ein Fressen!

    Gruß

    Freier Geist

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