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Das tibetische Rechtssystem
Das tibetische Rechtssystem beruhte bis ins 20. Jahrhundert hinein im wesentlichen auf einem Kodex des Fünften Dalai Lama aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Der Rechtsapparat war seit jeher durchzogen von Willkür und Korruption, über entsprechende Bestechungsgelder war alles, ohne gar nichts zu erreichen. Bei Mord bzw. Totschlag konnte man sich über Zahlung eines bestimmten Betrages an die Angehörigen des Opfers von Strafverfolgung freikaufen – eine Praxis, die noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts gepflogen wurde. Der Preis für das Leben eines hochrangigen Mönchs (zu zahlen an das jeweilige Kloster) lag in den 1950er Jahren bei 8.000 bis 10.000 US-Dollar; für die Ermordung einer niedrigkastigen Frau mußten hingegen nur ein paar Unzen Silber entrichtet werden. Heinrich Harrer beschreibt die Willkür der tibetischen Rechtsprechung mit durchaus wohlwollendem Unterton: es gälten „Bestechungssummen ganz offen als gute Einnahmequelle des Feudalsystems, und es kommt vor, daß Streitfälle wie Pfründen vergeben werden. Fühlt sich jemand zu Unrecht verurteilt, so hat er eine große Chance: Er kann bei einer der Prozessionen dem Dalai Lama persönlich einen Brief in die Sänfte reichen. Er wird zwar für diesen Verstoß gegen das Zeremoniell auf jeden Fall bestraft, aber wenn der Dalai Lama findet, daß er im Recht ist, wird er sofort wieder begnadigt. Falls sich sein Unrecht herausstellt, muß er freilich doppelt für seine Frechheit büßen.“
Das tibetische Strafrecht leitete sich aus einem Gesetzeswerk Dschingis Chans des frühen 13. Jahrhundert ab und zeichnete sich durch extreme Grausamkeit aus. Zu den bis weit in das 20. Jahrhundert hinein üblichen Strafmaßnahmen zählten öffentliche Auspeitschung, das Abschneiden von Gliedmaßen, Herausreißen der Zungen, Ausstechen der Augen, das Abziehen der Haut bei lebendigem Leibe und dergleichen. Obgleich der Dreizehnte Dalai Lama 1913 das Abhacken von Gliedern unter Verbot gestellt hatte, wurden derlei Strafen noch bis in die 1950er Jahre hinein vorgenommen. Wie Dokumente der amerikanischen Illustrierten Life belegen, fanden noch bis zum Einmarsch der Chinesen körperliche Verstümmelungen statt: einer Gruppe an Gefangenen sollten öffentlich Nasen und Ohren abgeschnitten werden; auf den Protest der amerikanischen Journalisten hin wurde die Strafe in je 250 Peitschenhiebe umgewandelt....