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Thema: Bushido Heute - Wert-Voll ? - oder veraltet ?

  1. #76
    Registrierungsdatum
    10.11.2004
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    Standard

    Zitat Zitat von Uwe Hasenbein Beitrag anzeigen

    Ein Angriff ist ein Geschenk

    Nehme es an und benutze es
    @Uwe

    Schön beschrieben!

    Ich drücke es für mich folgendermaßen aus

    "Absichtsloses Handeln aus bedingungsloser Annahme/Liebe"

    Grüße

    Kanken

  2. #77
    pilger Gast

    Standard

    Zitat Zitat von LoneWolf Beitrag anzeigen
    Ich glaube die Mischung macht es bei mir! Ich mache fasst jeden morgen auf einem Holzbrett 30 intensive Liegestütze auf den Fäusten und zwar ganz langsam und bewusst. Dabei stelle ich mir vor, dass ich mit meinen Fäusten durch die Decke will… *lol* Hört sich jetzt bescheuert an und das ist hoffentlich so auch nicht möglich *g* aber durch diese Visualisierung bekomme ich den Effekt den höchstmöglichsten Muskelwiderstand zu erzielen und dabei fließt dann das Ki so richtig schön und man härtet etwas die Fäuste ab.

    Ich habe danach manchmal das Gefühl als wäre meine Faust riesig!
    Hallo LoneWolf,

    das Abhärtungstraining habe ich auch seit Jahren ins Training einbezogen, sowohl Liegestütz auf den Fäusten als aber auch Schlagtraining gegen einen brettharten Boxsack mit den nackten Fäusten.
    Hat auch jahrelang gut geklappt.
    Bis neulich...
    Fingen an, die Hände anzuschwellen, dachte ich mir, ok, hatte ich schon immer mal. Dann ging´s aber dummerweise weiter, die Finger und Handrücken wurde spröde und rissen, heilten kaum noch. Nach viel Salbe schmieren gingen die Risse weg alles schien ok, dann legte ich mit dem Abhärtungstraining wieder los, Mist gleiches Spiel aber jetzt sind die Hände immer noch leicht geschwollen und sehr gerötet, ist einfach blöd, sieht komisch aus. MAche seit ner Woche nichts mehr diesbezüglich. Scheint jetzt erst anzufangen, bersser zu werden, bin mal gespannt. Tja übertreiben ist Mist. Aber es ist wohl meine Art zu lernen, nämlich aus körperlichen "Schäden".

    Hallo Uwe,

    jetzt werd ich mal ganz genüsslich in Deine Gedanken eintauchen, mal gespannt...


    LG
    Pilger

  3. #78
    pilger Gast

    Standard

    Hallo Uwe,

    Deine Gedanken zum Thema Kampfsport/Kampfkunst sind sehr schöne. Und es ist ein Thema, welches geeignet ist, sehr zu polarisieren.

    Normalerweise schlag ich mich im Leben ja nur noch selten auf eine bestimmte Seite, in dem Fall würd ich´s aber tun. Es lebe die Kunst

    Was Wettkämpfe anbelangt, denke ich, dass es für den Jugendlichen, sehr Yang-lastigen Menschen etwas tolles sein kann, diese zu bestreiten und auch zu gewinnen.
    Ich persönlich habe zumindest diese Erfahrung gemacht. Aber alles kommt UND geht halt wieder zu seiner jeweiligen Zeit.

    So ist es glaube ich der natürliche Lauf der Dinge, wenn man sich ernsthaft anfängt mit KampfKUNST im von Dir angeführten Sinne zu beschäftigen, dass der Wettkampfgedanke einfach immer weiter weggeht, bis man ihn nicht mehr sieht.

    Übrigens bestreiten auch die Trainierenden meines Lehrers keine Wettkämpfe, mich natürlich eingeschlossen. Denn auch bei mir hat sich der Gedanke seit langem verabschiedet.
    Allerdings gibt es andere Linien im Lee-Stil, z.B. die um Tony Swanson herum und dessen deutschen Ableger, die regelmäßig an Pushhands- und Sanda-Turnieren teilnehmen. Schon komisch, kommen ursprünglich vom gleichen Lehrer, Chee Soo, der auch seine Schüler NICHT auf Wettkämpfe schickte, aber einer der beiden Nachfolger hat ne komplett andere Philosophie als der andere.
    Das war für mich übrigens mit ein Grund, zu Howard Gibbon zu gehen und nicht bei Tony Swanson anzufangen. Ich habe auch einen Kurs bei Tony gemacht, war fachlich auch hervorragend, aber der Rest war eben nicht so mein Ding.

    Tja, da sind wir wieder beim anderen Thema - Lehrer/Schüler...

    So, jetzt aber noch mal etwas üben, hab heut sehr viel Zeit vorm PC verbracht,

    bis denne
    Pilger
    Geändert von pilger (08-03-2009 um 19:19 Uhr)

  4. #79
    Uwe Hasenbein Gast

    Standard

    Zitat Zitat von pilger Beitrag anzeigen
    Hallo Uwe,

    Was Wettkämpfe anbelangt, denke ich, dass es für den Jugendlichen, sehr Yang-lastigen Menschen etwas tolles sein kann, diese zu bestreiten und auch zu gewinnen.
    Ich persönlich habe zumindest diese Erfahrung gemacht. Aber alles kommt UND geht halt wieder zu seiner jeweiligen Zeit.

    So ist es glaube ich der natürliche Lauf der Dinge, wenn man sich ernsthaft anfängt mit KampfKUNST im von Dir angeführten Sinne zu beschäftigen, dass der Wettkampfgedanke einfach immer weiter weggeht, bis man ihn nicht mehr sieht.
    Wir haben uns auch schon mal daran versucht ein Turnier einmal anders zu bestreiten:

    Jeder Teilnehmer musste sich 5 Min. mit dem anderen messen.
    Es gab "Kampfrichter", die aber nur darauf achteten dass es nicht zu hoch herging.
    Nach jedem Zweikampf musste jeder einen Bewertungsbogen ausfüllen mit folgenden Fragen:

    1. Würde ich mit dem Partner gerne nochmal kämpfen?
    2. Konnte ich von dem Partner lernen?
    3. Fühlte ich mich gerecht behandelt?
    4. Wie stark wurde ich gefordert?
    5. Würde ich mit dem Partner auch gerne außerhalb des Turnieres üben ?

    Man konnte pro Frage Punkte von 1 bis 6 vergeben.
    Der Teilnehmer der nach dem Turnier am meisten Punkte gesammelt hatte wurde als "Bester des Turnieres gekürt.

    Lieben Gruss und einen ruhigen abend
    Uwe

  5. #80
    Uwe Hasenbein Gast

    Standard

    Gedanken zum Kampf

    Das Wort Kampf kommt vom lateinischen „campus“, das Feld, wird aber bei der Übernahme in das Germanische schon auf das Schlachtfeld eingeschränkt. Die aggressive, Gewalt einschließende Auseinandersetzung liegt übrigens auch dem englischen Wort „fight“ und dem französischen „combat“ inne. Der Kampf bezeichnet von seiner etymologischen Wurzel her also eine aggressive Auseinandersetzung zwischen zwei oder mehr Parteien.

    Das wird auch im Wettkampf, also dem sportlichen Wettstreit (der schließlich auch das Wort Streit enthält und ebenfalls auf Aggressionen zwischen Menschen verweist) nur graduell eingeschränkt, denn für den Zeitraum auch des sportlichen Wettkampfes werden typische andere zwischenmenschliche Verhaltensweisen ausgesetzt. Das geht auch nicht anders, denn wenn ein Hundertmeterläufer den Konkurrenten freundlich den Vortritt lässt, ist seine Teilnahme am Lauf sinnlos. Und im bewaffneten Kampf verwirkt der sich nicht verteidigende Verteidiger sein Leben. Kampf als Auseinandersetzung verschiedener Parteien kann notwendig sein, Kampf als Wettkampf kann auch Spaß machen, aber Kampf ist weit mehr als das.

    Verdeutlichen lässt sich das auf einer ersten Stufe, wenn man wieder eine andere Sprache bemüht. Kampf heißt im Arabischen „Djihad“, aber das ist nicht die einzige Bedeutung der Vokabel, denn sie bedeutet – nebenweiteren religiösen Konnotationen – vor allem auch Anstrengung. Eine Anstrengung unternimmt aber der Einzelne. Man kann sich zwar auch mit oder gegen andere anstrengen, aber die Anstrengung selbst ist immer eine persönliche Sache. Als Anstrengung kann man dabei im weitesten Sinne alle Tätigkeiten verstehen, die man durchführt um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, wird aber sinnigerweise Anstrengung besser auf wirklich zielgerichtete Aktionen einschränken, deren Durchführung Kraft und Willen erfordert.

    Einen Film anzusehen ist schwerlich eine Anstrengung, auch wenn man ihn zielgerichtet, etwa mit dem Wunsch nach Unterhaltung ansieht. Aber einen Film zu drehen ist eine Anstrengung, die man zu Recht auch als einen Kampf bezeichnen kann.

    Die persönliche Weiterentwicklung, sich das Ziel setzen ein guter Mensch zu sein und ein erfolgreiches Leben zu führen und dieses Ziel dann zu verfolgen ist mit Sicherheit auch eine Anstrengung. Und es ist eine Auseinandersetzung. Eine Auseinandersetzung als Kampf mit sich selbst und gegen selbst hervorgebrachte Widerstände wie die eigene Faulheit. Ein Kampf gegen den Wunsch sich gehen zu lassen. Eine Auseinandersetzung mit sich selbst als Kampf gegen den Wunsch, sich einfach in die Bewegung der Masse einzuklinken und sich von ihr durch das Leben tragen zulassen. Nicht nur beim Turnier auf der Matte zu bestehen ist ein Kampf, auch wenn man zuerst an ein solches Bild denken mag. Eine Berufsausbildung durchzuhalten ist auch ein Kampf. Keiner der mit Fäusten gegen andere geführt wird (hoffentlich), sondern einer der mit Willenskraft gegen sich selbst geführt wird. Die Beziehung zum Partner kann in schweren Zeiten zu einem Kampf werden. Und damit sind nicht die Auseinandersetzungen und die Streitereien gemeint, die man mit dem Partner ausficht, sondern die Auseinandersetzungen, der Kampf mit sich selbst, die Anstrengung nicht einfach wegzulaufen und sich jemand anderen zu suchen. Der Kampf, sich zu der Erkenntnis durchzuringen, das Zusammenleben immer auch Zusammenraufen ist, sobald die Flitterwochen vorbei sind.

    Die Pflege eines Verwandten ist Kampf, denn es ist eine enorme Anstrengung geduldig zu sein, sich zu überwinden, dauernd da sein zu müssen. Und das Ertragen eigener Krankheit ist Kampf. Oder sich nach einem Unfall durch manchmal jahrelange Rehabilitationen zu quälen, ohne aufzugeben.

    Es gibt viele Kämpfe und kein Leben kann gelebt werden, ohne den Kampf und die Anstrengung zu erleben. Die Frage ist, wie man sich dazu verhält. Die Kampfkünste umfassen diese Einstellungsfrage mit der gleichen Selbstverständlichkeit, wie sie die technischen Fragen des Ausführens von „Die Pferdemähne teilen“ oder des richtigen Uchi ude uke umfassen. Die Einstellungsfrage aber ist die wichtigere, denn ihre Beantwortung führt zu der Geistes- und Körperhaltung, die die Pferdemähne oder den Block dann gelingen oder scheitern lässt. Und die Geistes- und Körperhaltung, die die Kampfkünste vermitteln können, lassen sich auf alle Aspekte außerhalb des Dojo genauso anwenden wie auf das Geschehen auf der Matte.

    Leben bedeutet „Kampf“!

    Aber nur zu einem kleineren Teil den Kampf mit anderen, sondern zuallererst den Kampf mit sich selbst, denn Kampf ist eine Anstrengung für ein Ziel und somit sehr viel mehr als die Auseinandersetzung mehrerer Individuen miteinander. Kampf als Anstrengung findet zuerst in uns selbst statt. Wir streben in unserem Leben nach Glück und Zufriedenheit, suchen die Ausgeglichenheit und sind sehr bemüht, diese zu bewahren.

    Dies erfordert Anstrengungen. Wenn wir an friedlichen Gedanken arbeiten, brauchen wir Stabilität, damit wir uns von äußeren, negativen Einflüssen nicht stören lassen. Das heißt, wir müssen uns mit dem Negativen auseinandersetzen. Die Stabilität finden wir dann durch Ruhe und Gelassenheit nach der Auseinandersetzung mit den Störfaktoren, die dem inneren Frieden entgegenstehen. Die Übungen der Kampfkunst stellen die täglichen Hilfsmittel dar, dieses Ziel zu erreichen. Der Kampf richtet sich also auf uns selbst, es ist eine Anstrengung, die nicht nach außen, auf irgendwelche Feinde oder Wettbewerber gerichtet ist, sondern nur uns selbst betrifft. Meistern wir diese Anstrengung, halten wir die Stärke in Händen, die Laotse meint.

    Sind das banale Weisheiten ähnlich derer, die man auf Kalenderblättchen und in Glückskeksen findet? Nun, auch Banalitäten können so wichtig sein, dass man sie (immer wieder) ins Gedächtnis rufen muss. Aber so banal kann das Gesagte gar nicht sein, wenn, wie man sehen kann, kaum jemand danach handelt.

    Woran man das sehen kann?
    An der unausgeglichenen und hektischen Umwelt, die uns umgibt; an den verfehlten Zielsetzungen die so viele Menschen umtreiben, dass ihnen die Nichtausgeglichenheit, das Nichtgelassensein und die Probleme, die sie mit dem Leben haben, förmlich aus den Poren dringen; an dem Primat materieller Ziele, das das Handeln so vieler Personen bestimmt und weit über die wirklich nötige Sicherheit der materiellen Grundbedürfnisse hinausgeht. Aber man kann es auch ganz konkret in den Kampfsportarten sehen: an Trainingseinheiten, in denen die Schüler nicht darauf hingewiesen werden, dass beim Kime die Entspannung wichtiger ist als die Zehntelsekunde der Anspannung; an Trainings, die allein die bloße Körperlichkeit in Form schnellerer Kicks und härterer Punchs in den Vordergrund stellen; an Formentrainings, die zuvörderst darauf bestehen, dass die Stellungen den Millimeterangaben auf einem Lineal zu folgen haben, anstatt die Individualität des Schülers zu berücksichtigen und ihm Abweichungen zu erlauben, die für ihn besser sind.

    Natürlich sind Disziplin, gemeinsame Grundlagen und körperliche Fitness erstrebenswerte Ziele innerhalb der Kampfsportarten, die Kampfkünste aber gehen weiter, berücksichtigen individuelle Bedürfnisse stärker und betonen die Geistes- vor der Körperhaltung. So machen die Kampfkünste den „Lebenskampf“ als wertvolle Anstrengung erfahrbar. Und so wird das Dojo ein Übungsraum für das Leben.

    Lieben Gruss
    Uwe

  6. #81
    LoneWolf Gast

    Standard

    @ Uwe

    Es fällt mir verdammt schwer den PC jetzt auszuschalten aber Deine Texte sind mir zu wertvoll als, dass ich sie im Schnelldurchgang abservieren möchte. Morgen früh klingelt bei mir um 3:20 Uhr der Wecker und daher werde ich nach der Arbeit gerne auf die Texte eingehen.

    Bis dann und gute Nacht!

  7. #82
    Uwe Hasenbein Gast

    Standard

    Zitat Zitat von LoneWolf Beitrag anzeigen
    @ Uwe

    Es fällt mir verdammt schwer den PC jetzt auszuschalten aber Deine Texte sind mir zu wertvoll als, dass ich sie im Schnelldurchgang abservieren möchte. Morgen früh klingelt bei mir um 3:20 Uhr der Wecker und daher werde ich nach der Arbeit gerne auf die Texte eingehen.
    Schlaf gut Lone Wolf
    auch ich gehe jetzt in die Heia
    habe eine anstrengende Veranstaltungswoche vor mir quer durch Deutschland. Werde also weniger online sein. Ich kann übers Handy allerdings Beträge lesen.

    Apropo - ich gebe nächstes Wochenende einen offenen Beginner Lehrgang in Hamburg - falls du magst bist du herzlich eingeladen.

    Herzlichen Gruß
    Uwe

  8. #83
    Uwe Hasenbein Gast

    Standard

    @ alle

    da es ja wie schon erwähnt beruflich bedingt eine KKB enthaltsame Woche seien wird habe ich hier noch etwas aus dem Skript für euch.
    ( Wenn ich euch damit verschonen soll sagt es bloss bitte )


    Natürlich wurde für jede Kampfkunst ein Übungsrepertoire zusammengestellt, das in den Trainings vorgestellt und vermittelt wird. Doch wichtiger als diese konkreten Übungen, die sich ohne jegliche Vorkenntnis der Kampfkünste schlecht einsetzen lassen, sind die Prinzipien, die hinter den Übungen, die Prinzipien des Übens.
    Kampfkunsttreibende verfügen über eine reichhaltige Auswahl verschiedenster Vorbereitungs-, Entspannungs-, Atem- und Kräftigungsübungen zuzüglich des gesamten Technikarsenals ihrer Bewegungskunst. Aber auch Sportler aus anderen Bereichen verfügen über ein breites Repertoire an körperlichen und eventuell auch geistigen Übungen, die sich gemäß der jetzt vorgestellten Prinzipien des Übens einsetzen oder abändern lassen.

    Dabei gibt es kein richtig oder falsch in Form eines Urteils über die Korrektheit der Körperhaltung bei einem Block oder Fußtritt oder auch einem Felgaufschwung, sondern nur das Gefühl, ob man weiterkommt, es einem gut tut oder nicht.

    Viele von uns, ich auch, haben früher gelernt, dass man eine Übung solange durchführen soll, bis sie schmerzt – und dann noch ein bisschen weitergehen. Das ist physiologisch gesehen Unsinn, und es härtet auch den Geist nicht ab.

    Doch keine Angst, die Prinzipien des Übens sind keine Kaffeefahrt und auch nicht Bestandteil des Programmes „Gewaltfreies Töpfern in der Toskana“. Wir reden immer noch von einer Kampfkunst, und wie ausgeführt wurde ist Kampf mit Anstrengung gleichzusetzen.

    Wer sich auf die Prinzipien des Übens einlässt und sie anwendet wird schnell herausfinden, dass es einer großen Anstrengung und Disziplin bedarf, um dabei zu bleiben, denn man kann durchaus bis ans Äußerste gehen, auch ohne sich die Knöchel bei einarmigen Liegestützen auf dem Asphalt blutig zu drücken.
    Worauf man sich einlässt beim Üben, das sind durchaus Anstrengungen. Es kostet Disziplin sie wirklich durchzuhalten – nicht beim ersten Mal, aber später, nach den vielen Malen, die nötig sind, um echte Veränderungen von Körper und Geist zu bewirken. Wer aber mit offenen Sinnen in sich hineinlauscht, wird auch schnell die Anfänge positiver Veränderungen bemerken. Veränderungen, zu deren eintreten man sich auch nicht auf Glaubensfragen und bestimmte spirituelle Modelle einlassen muss.

    Die Prinzipien des Übens wirken vollkommen unabhängig von der Weltanschauung der Übenden, einfach weil sie auf den Menschen und seine geistigen und körperlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind, ein Zuschnitt, der in Fernost in Jahrtausenden auf Grund von Erfahrungen entwickelt wurde. Und ein Zuschnitt, der in verschiedensten Formen auftreten kann – Taichichuan, Qigong, Baguazhang, Yoga, den äußere Kampfkünste, den Waffenkampfkünsten – und dessen Prinzipien sich doch einheitlich zusammenfassen lassen.


    Die Prinzipien des Übens



    Trotz der großen Vielfalt von Methoden und Formen der Kampfkunst, die alle ihre eigenen Charakteristika, Erfordernisse und Ziele haben, basieren sämtliche Kampfkunstübungen auf gleichen Prinzipien. Die wichtigsten Aspekte dieser gemeinsamen Grundlagen lassen sich in 6 Punkten zusammenfassen:

    1. Entspannung, Ruhe, Natürlichkeit
    2. Vorstellungskraft und Qui
    3. Bewegung und Ruhe
    4. Oben „leicht“ - unten „fest“
    5. Das richtige Maß
    6. Die Entwicklung



    1.Entspannung, Ruhe, Natürlichkeit


    Oberflächlich betrachtet erscheint es leicht, diese drei Forderungen zu verstehen und während des Übens zu beherzigen. In der Praxis stellt es sich jedoch schnell heraus, daß es gar nicht so leicht ist, das richtige Verständnis für Entspannung, Ruhe und Natürlichkeit zu entwickeln und diesen Anforderungen während des Übens nachzukommen.


    Entspannung

    Mit Entspannung ist sowohl die Entspannung des Körpers als auch die Entspannung des Geistes gemeint. Nur wer sich geistig entspannen kann, kann auch seine Gliedmaßen entspannen. Körperliche Entspannung bedeutet nicht Schlaffheit oder Kraftlosigkeit, sondern eine Lockerung mit dem Gefühl innerer Festigkeit. Diese innere Festigkeit darf aber nicht zur Steifheit und Starre werden. Entspannung bedeutet hier nicht absolute Entspannung, sondern relative Entspannung mit einem gewissen Maß an Spannung. Das Denken in absoluten Kategorien würde bei der Diskussion aller wichtigen Prinzipien der Kampfkunst unweigerlich zu Mißverständnissen führen, und es ist äußerst wichtig, Kampfkunst mit dem richtigen Verständnis für seine Prinzipien und Ziele zu üben.

    Übertreibt man die Entspannung, so kann es zu einem Gefühl der Kraftlosigkeit während und nach dem Üben kommen. Übt man entspannt mit innerer Festigkeit, so fühlt man sich durch die Übung gestärkt und erfrischt. Gelingt die Entspannung nur ungenügend, so führt dies auf Dauer zur Starrheit und Steifheit der Gliedmaßen. Die Muskeln verhärten sich, man wird nervös und fühlt sich nicht wohl. Das richtige Maß für Entspannung und Anspannung ist nicht statisch, sondern ein ständiger Prozeß während des Übens. Die Feineinstellung muß jeder Übende nach individuellen Bedingungen und Empfinden vornehmen. Sie ist entscheidend für den Effekt der Übung. Diese Feinabstimmung ereignet sich innen, als innere Bewegung. Sie ist von außen nicht sichtbar, aber innerlich fühlbar.


    Ruhe

    Mit Ruhe ist die geistige Ruhe während des Übens der Kampfkunst gemeint. Die Ruhe des Geistes ist nicht absolut, sondern in der Relation zur Bewegung zu betrachten. Dem Wesen nach ist unser Leben ein sich ständig bewegender Prozeß, und so ist Ruhe in unserem Leben eben nur relativ vorhanden. Wir verändern und wandeln uns in jeder Sekunde unseres Lebens, und schließlich verwandeln wir uns in andere Dinge, der Fluß des Lebens kann nicht aufgehalten werden. Ruhe des Geistes bedeutet nicht, das alle Gedanken ausgelöscht sind, sondern daß die vielen umherstreunenden Gedanken gebündelt werden zu einigen wenigen. Unsere geistigen Aktivitäten sind ganz auf die Übung und deren Anforderungen gerichtet. Wir sind nicht nur mit den Gedanken, sondern auch mit dem Herzen bei der Übung und geben keinerlei Ablenkung Raum. Unsere alltägliche Gedankenwelt gleicht oft einem ungezügeltem Pferd, einer Horde wilder Affen. Wenn wir diese Horde wilder Affen entlassen, kommen wir zu einer geistigen Ruhe, zu einem klaren Bewußtsein. Geistige Ruhe heißt auch Reinigung des Geistes. Die geistige Ruhe beim Üben ist keine absolute Ruhe, sondern „Bewegung in der Ruhe“, Bewegung im Zustand geistiger Klarheit. Entspannung und Ruhe fördern und unterstützen sich gegenseitig. Die Entspannung hilft einem in die Ruhe zu kommen, in der Ruhe kann man sich weiter Entspannen. Entspannung und Ruhe sind zwei gleichzeitig nebeneinander ablaufende Prozesse.


    Natürlichkeit


    Die Forderung nach Natürlichkeit betrifft alle Aspekte der Kampfkunst-Übungen. Körperhaltung und Körperbewegung, Atmung und das Bewahren und Lenken von Vorstellungskraft sollen auf natürliche Weise erfolgen. Zwanghaftigkeit ist fehl am Platz. Nur wer sich seiner Natur gemäß verhält und übt, kann in den Genuß der angenehmen Wirkungen der Kampfkunst kommen. In China gibt es das Sprichwort „Natürlichkeit ist teuer“. Es hört sich leicht an, natürlich zu sein, aber in der Übungspraxis erweist es sich als gar nicht so leicht. Natürlichkeit bedeutet, daß jeder Übende die Übung im fortgeschrittenem Stadium ein wenig verschieden ausführt, entsprechend seinen eigenen Bedingungen. Viele Übende scheuen sich, die notwendigen kleinen Korrekturen zu machen, weil sie glauben, daß sie immer die Körperhaltung des Lehrers genau kopieren müßten. Selbstverständlich darf man die vorgeschriebene Körperhaltung nicht willkürlich ändern, aber wenn man nur alles nachahmt, wie sollte man da Natürlichkeit erlangen?

    Es gibt zwei Arten der natürlichen Regulation und Korrektur der Körperhaltung:
    Bei der ersten Art vollzieht sich keine Änderung der äußeren Gestalt, aber der Übende spürt z.B. ein Entspannen der Schulter und empfindet dabei, daß die Schulter nach unten sinkt. Eine solche Empfindung kann in verschiedenen Körperteilen auftreten. Oder der Übende spürt auf einmal nicht mehr, daß er den Bauch leicht einzieht und die Brust etwas zurücknimmt, obwohl er rein äußerlich weiterhin diesen Anforderungen der Standhaltung nachkommt. Oder der Übende spürt einen Drang, der ihn zum Begradigen der Wirbelsäule zwingt, aber dies verursacht keine äußerlich wahrnehmbare Veränderung. Wenn der Übende gerade bemerkt, daß sich günstige Veränderungen in ihm anbahnen und er diese Veränderungen zu unterdrücken versucht und dadurch die inneren Bewegungen in gewisser Weise einschränkt, widerspricht dies deutlich der Forderung nach „Natürlichkeit“. Wir müssen lernen, die Tendenz zu einer Entwicklung zu erkennen, den günstigen Zeitpunkt nicht verstreichen zu lassen und dem Drang zu einer Entwicklung auf natürliche Weise nachzugeben. Wenn sich in der Körperhaltung, der Atmung oder unsere Vorstellungskraft eine Wandlung anbahnt oder schon stattgefunden hat, soll man diesen Veränderungen nichts in den Weg stellen.

    Die zweite Art der Regulation und Korrektur läßt sich auch äußerlich am Körper wahrnehmen: Es ist zu bedenken, daß körperliches Gleichgewicht und Ausgeglichenheit in der Haltung nicht Absolutes sind, sondern ein dynamischer Prozeß. Wenn man zum Beispiel eine gewisse Körperhaltung eingenommen hat ( z.B. Rücken gerade, Kopf aufrecht, Blick in die Ferne, Oberkörper wie ein Lot.....) und in dieser Haltung eine Zeitlang übt (3 - 5 Minuten oder länger), spürt man den Drang zu einer Veränderung nach links, rechts, vorne oder hinten. Dies ist das Anzeichen für eine notwendige Ausgleichsbewegung. Oft bedarf es nur einer sehr kleinen Korrektur. Nach einer weiteren Weile des Übens wird aufgrund der korrigierten Körperhaltung eine neue Veränderung auftauchen usw. Es tritt also im Laufe der Übung eine Sequenz von Veränderungen und Bewegungen auf, die sich mit Zeiten der Ruhe abwechselt. Es können innere oder äußere Veränderungen oder auch innere und äußere Bewegungen sein. Aufgrund dieser Korrekturen kristallisieren sich die eigenen Übungsregeln heraus.




    Wie kann man erreichen, nach dem Kriterium der Natürlichkeit zu Üben?

    Ich meine, daß man Entspannung und geistige Ruhe praktizieren muß, denn nur in geistiger Ruhe, d.h. mit einem klaren Bewußtsein kann man die inneren Bewegungstendenzen wahrnehmen und ihnen folgen, so wie es der Natur entspricht. In einem Kurs üben alle Teilnehmer nach den gleichen Anweisungen und Regeln. Dies ist auch notwendig, denn ohne das Prinzip einer Übung verstanden zu haben, kann man keine individuelle Anpassung entwickeln. Wenn später jeder für sich alleine übt, ergeben sich kleine Unterschiede zur gelehrten Form, und diese Unterschiede sind wertvoll und erlaubt. Denn wenn man alle Übenden in eine Form zwingen wollte, so würde man so handeln als wenn man den Fuß stutzt damit er in den Schuh paßt. Wenn man die kleinen Variationen nicht zuläßt, wird man sich auf Dauer unbehaglich fühlen und Widerwillen gegen die Übung entwickeln, weil man gegen seine Natur übt. Um die notwendigen kleinen Korrekturen zu erkennen, muß man sehr aufmerksam üben und die kleinen Veränderungen im Empfinden beachten. Bei den Korrekturen werden wir erfahren, daß kleine Änderungen in der Haltung eine Große Änderung im Gefühl hervorrufen, während große Veränderungen der Körperhaltung nur kleine Veränderungen im Empfinden bewirken. Die Gesetze der Natur wahrzunehmen und ihnen zu folgen ist das wichtigste Prinzip der Übungen der Kampfkunst.



    2.Vorstellungskraft und Qui


    Ein weiterer Schlüssel zu Verständnis der Kampfkunstpraxis ist die Erkenntnis, daß Vorstellungskraft und Qui eng zusammenspielen und während des Übens einander folgen. Die führende Rolle übernimmt dabei die Vorstellungskraft. Mit Vorstellungskraft (yi) sind geistige, gedankliche Aktivitäten gemeint. Mit Qui sind hier im weitesten Sinne die physiologischen Aktivitäten unseres Organismus gemeint. Diese inneren Bewegungen und Veränderungen können wir nach längerer Übungspraxis auch empfinden, etwa in Form von Wärme, dem Gefühl des Durchströmtwerdens oder feiner innerer Bewegung. Wir sprechen dann von Qui - Gefühl bzw. Qui - Fluß.

    Alle unsere Gedanken und Vorstellungen haben Einfluß auf die physiologischen Vorgänge in unserem Körper. Ein alltägliches Beispiel zeigt dies deutlich. Wenn wir an eine köstliche Speise denken, läuft uns das Wasser im Mund zusammen, auch wenn weit und breit nichts zu Essen da ist. Die Vorstellungsübungen, die wir in der Kampfkunst benutzen, wirken regulierend und stärkend auf die Funktionen unseres Organismus, sie harmonisieren und kultivieren das Qui.
    „Vorstellungskraft und Qui folgen einander“ besagt also, daß der Übende durch eigene geistige Tätigkeit physiologische Prozesse beeinflußt. Das enge Zusammenspiel von Qui und Qui wird stufenweise geübt. Die „Vorstellungskraft führt das Qui“ und „Qui folgt der Vorstellungskraft“ ist die erste Stufe. Nach längerer Übungspraxis sind Vorstellungskraft und Qui in völligem Einklang: „Vorstellungskraft und Qui folgen einander“.

    In vielfältigen Übungsmethoden wird das Zusammenspiel von Vorstellungskraft und Qui praktiziert. Wenn wir z.B. in der 2. Ausdrucksform des Taiji-Quigong „den Mond auf den Händen tragen“, so wird diese Vorstellung das Qui vermehrt zu unseren Handflächen leiten, was wir etwa in Form von Wärme empfinden können. Wenn wir über unsere Akupunkturstelle Yongquan („Sprudelnde Quelle“) fest mit der Erde verwurzelt vorstellen, so folgt das Qui unserer Vorstellung und wir beeinflussen so eine wichtige Stelle des Fuß-Shaoyin (Nieren-Meredian). Diese Beispiele könnten wir beliebig fortsetzen.

    Die Vorstellungskraft ist eine sehr starke Kraft und deshalb müssen wir sorgsam mit ihr umgehen. Die durch sie bewirkten physiologischen Veränderungen werden häufig unterschätzt. Niemals sollten wir die Vorstellungskraft zu stark einsetzen, weil wir etwa auf schnelle Erfolge schielen oder sensationelle Veränderungen in unserem Organismus erleben möchten. Wir können die Vorstellungsübungen getrost in Entspannung, Ruhe und Gelassenheit üben, denn ob wir Qui-Empfindungen dadurch auslösen oder nicht, spielt nicht die entscheidende Rolle. Natürlich zeigt uns ein angenehmes Gefühl im Bauch an, daß wir gut geübt haben, aber die Bedingungen der Menschen sind sehr verschieden. Manche üben lange Zeit, ohne ein Qui-Gefühl zu erleben, und trotzdem sind die Auswirkungen der Übung auf ihren Gesundheitszustand sehr gut. Andere bekommen sehr schnell Qui-Empfindungen und verlieren vor lauter Freude darüber die für die guten Wirkungen so wichtige Ruhe und Gelassenheit. Ein Maß für den richtigen Umgang mit der Vorstellungskraft ist das Wohlbefinden während und nach der Übung.

    Neben der Intensität der eingesetzten Vorstellungskraft ist auch die Wahl der Vorstellungsbilder von Entscheidender Bedeutung für die Wirkung der Übung. Grundsätzlich werden Vorstellungen benützt, die angenehme Empfindungen auslösen und dem Erlangen der geistigen Ruhe und Entspannung dienlich sind. Dazu gehört es, daß man sich die vorgestellten Dinge nicht zu exakt vorstellt, sondern nur vage. Da die gesamte Übung, also auch Körperhaltung, Bewegung und Übungsablauf von unserer geistigen Aktivität angeführt wird, ist es wichtig, alle Übungsanforderungen mit der richtigen Einstellung zu praktizieren. Wir dürfen die Übungsanforderungen nicht „vergessen“, aber auch nicht zu stark daran denken.



    3.Bewegung und Ruhe


    Zum einen unterteilt man Kampfkunstübungen in die beiden Kategorien „Übungen in Ruhe“ und „Übungen in Bewegung“, zu anderen verknüpft man in jeder Übung Ruhe und Bewegung miteinander. Bewegung bezieht sich sowohl auf die äußere Bewegung des Körpers als auch auf die innere Bewegung des Qui. Auch die Ruhe hat zwei Aspekte: den äußeren Ruhezustand des Körpers als auch die geistige Ruhe. Bewegung und Ruhe sind relativ. Alle Dinge im Universum befinden sich in ständiger Bewegung, Entwicklung und Veränderung. Insofern gibt es keine absolute Ruhe.

    Das Ziel der Übungen ist es, die physiologischen Funktionen als „Bewegung“ im Körper zu fördern. Kampfkunst hat eine regulierende, regenerierende und aufbauende Wirkung auf den Organismus. Vom Beginn einer Krankheit bis zur Heilung, von der Schwächung des Körpers bis zum Widererstarken läuft ein kontinuierlicher Prozeß ab, der sich nur in Bewegung realisieren kann. Ohne Bewegung gibt es keine Veränderung. Die chinesische Medizin ist der Ansicht, daß Krankheit dann entsteht, wenn Bewegung von Qui und Xue („Blut“) im Körper stagniert. Damit beides frei fließen kann, muß man es in Bewegung setzen. Aus diesem Grund ist die Bewegung so Elementar. Allerdings kann sich die Wirkung von Bewegung nur unter der Bedingung einer inneren Ruhe entfalten. Deshalb gilt die innere Ruhe als Voraussetzung einer jeden Übung. Hinsichtlich der Methode einer Übung kann entweder die Bewegung oder die Ruhe den Hauptaspekt bilden; die beste Wirkung erzielt man durch eine organische Verbindung der beiden Aspekte. Bei Übungen in Ruhe werden äußere Ruhe und innere Bewegung trainiert; in der Ruhe sucht man Bewegung. Bei Übungen in Bewegung werden äußere Bewegung und innere Ruhe gefördert; in der Bewegung sucht man Ruhe. Auf diese Weise gelangt man zum Ineinandergreifen und Einklang von Bewegung und Ruhe.

    Man kann die beiden Übungskaterogien in verschiedener Weise miteinander kombinieren: an Übungen in Ruhe kann man Übungen in Bewegung anschließen, es darf auf keinen Fall eine Einseitigkeit entstehen sonst erreicht man keinen Fortschritt.


    4.Oben „leicht“ - unten „fest“


    Als Grenzlinie zwischen „oben und „unten“ wird die Nabelhöhe angenommen. Während des Übens soll der Körper oberhalb des Nabels als leicht („leer“) empfunden werden, unterhalb dagegen als fest und solide („voll“). Man spricht auch von „leichtem Brustkorb“ und „festem, solidem Bauch“. Was heißt „leer“ bzw. „leicht“?
    Wenn eine Tasse Wasser enthält, so läßt es sich leicht umrühren, enthält die Tasse dagegen Lehm so rührt es sich schwer. In einer Türangel muß immer Platz (Leere) sein, dann läßt sich die Tür leicht bewegen. In diesem Sinne soll im oberen Teil des Körpers (Brustkorb und Kopf) das Gefühl der Leere, Leichtigkeit und inneren Beweglichkeit herrschen. Im unteren Teil des Körpers (Bauch und untere Extremitäten soll dagegen das Gefühl von Festigkeit und Kraft vorherrschen.

    Die obere Leichtigkeit beruht auf der unteren Stabilität. Deshalb wird in den Übungen der Entwicklung der unteren Stabilität, dem festen Fundament, große Aufmerksamkeit gewidmet. Es gibt zahlreiche Übungselemente, die diesem Ziel dienen: das Bewahren der Vorstellungskraft im mittleren Dantian, die Vorstellung einer festen Verwurzelung mit der Erde, die Übung des „Inneren Schließens des Beckens“, die Körperhaltung mit lockerem gesenktem Becken mit nach unten gerichteter Gesäßkraft und die allgemein gültige Verteilung der Vorstellungskräfte (unten 70%, oben 30%). Dieses besagt, daß alle nach unten gerichteten Kräfte eine größere Bedeutung haben als die nach oben gerichteten.
    Man braucht während der Übung nicht an die obere Leichtigkeit zu denken, sie ergibt sich von selbst, sobald die untere Stabilität verwirklicht wird. Sowohl bei Übungen in Bewegung als auch bei Übungen in Ruhe gilt es, das Prinzip der unteren Festigkeit zu praktizieren.

    Die große Bedeutung von oberer Leichtigkeit und unterer Festigkeit wird sehr klar, wenn wir die Auswirkung des gegenteiligen Zustandes, nämlich der „Oberen Fülle“ und „Unteren Leere“ betrachten: Symptome und Mißempfindungen bei „Oberer Fülle“ sind: Schwerer Kopf, schlechtes Gedächtnis, schlechtes Einschlafen, Erwachen mit bleierner Müdigkeit und Abgeschlagenheit, Kopfdruck, Schwindel, Gefühl von verstopften und zugeschwollenen Ohren, innere Unruhe, Nervosität, schweres Atemgefühl, leichte Erregbarkeit, Neigung zu Ärger und Zornausbrüchen, Migräne sowie Druckgefühl um den Kopf.

    Die mit der „Oberen Fülle“ einhergehende „Untere Leere“ ist gekennzeichnet durch unsicheren Gang, instabilen Stand, Beschwerden und Schmerzen sowie Schwächegefühl im Kreuz-Lenden Bereich, Und Beschwerden in den Knien und Beinen.
    Übt man ausdauernd nach dem Prinzip oben „leicht“ und unten „fest“, so beugt man den vielfältigen genannten Beschwerden, die besonders im höheren Lebensalter vorkommen, vor, und kommt in den Genuß vieler angenehmer Empfindungen: beim Aufstehen fühlt man sich erfrischt wie nach einem erholsamen Urlaub, das Reaktionsvermögen ist gut, der Kopf ist klar, Ohren und Augen funktionieren gut , die Atmung ist frei, man fühlt sich voller Lebensenergie und hat ein festes Fundament.

    Ohne eine vernünftige Basis ist keine Handlung möglich, der sichere Stand ist bei allen Handlungen die Grundlage, mit der alles steht – oder fällt. Auch wenn die Analogien vom verwurzelten Bambus, den kein Wind ausreißen kann, oder von ähnlichen Gewächsen oder Tieren abgenutzt erscheinen mögen, ändert das nichts daran, dass das Prinzip zutrifft, und zwar im körperlichen wie im geistigen Sinn. Denn sowohl in Fragen des Gefühls als auch in Fragen der Überlegung und des Wissens und natürlich in allen sportlichen, körperlichen Unterfangen geht jeder Erfolg von einer haftenden Basis aus und wird mittels beweglicher, darüber liegender Organe erreicht.

    Mann kann Liebe zu anderen nur entwickeln, wenn man sich selbst liebt, also unten, im Ego, eine feste Basis hat. Anderen gegenüber aber muss man beweglich – also oben leicht – gegenübertreten, nur so kann man die Kombination aus Missverständlichkeit, Andersartigkeiten, Rücksichtnahme und Bewahrung der eigenen Interessen, die das zwischenmenschliche Miteinander kennzeichnen, ertragen und den anderen lieben lernen. Oder wenigstens lernen, ihn nicht zu hassen.

    Der Intellekt und seine rationalen Kapazitäten müssen aus der festen Basis eines möglichst tiefen und breiten Wissen schöpfen, um zu angemessenen Schlussfolgerungen und Entscheidungen zu kommen. Will der Intellekt aber nicht in Dogmatismus und Unbelehrbarkeit verfallen, braucht er ein großes Maß an Flexibilität, um neue Einflüsse aufnehmen und abwägen zu können.

    5.Das richtige Maß

    So wie in der Küche die Flamme nicht zu klein und nicht zu groß sein darf, so müssen wir auch während unserer Übung das richtige Maß für diese finden. Wir müssen die Grenze nach oben unten kennen. Wenn wir auf zu niedrigem Niveau üben, erzielen wir keine Wirkung. Wenn wir zu hart praktizieren, erreichen wir ebenfalls keine optimale Wirkung und müssen sogar mit schädlichen Wirkungen rechnen. Zu stark zu praktizieren ist schlimmer als zu lasch zu üben, da wir im ersten Falle unserem Organismus Schaden zufügen, im zweiten Falle lediglich keine Wirkung erreichen. Es gilt das rechte Maß in bezug auf alle Aspekte der Übung zu finden, also in bezug auf Körperhaltung, Bewegung, Atmung, Vorstellungskraft und Übungsdauer.

    Das Gras wächst nicht schneller, wenn man dran zieht.

    Das richtige Maß kann aber jeder nur selbst finden. Dies ist wiederum eine Frage der Erfahrung, denn schon der Alltag zeigt, dass die Unerfahreneren (meistn Leute) sich in der Regel schneller in Schwierigkeiten bringen als die Erfahreneren.
    Trotzdem kann jeder sofort damit beginnen, auf das rechte Maß zu achten. Man muss ehrlich in sich hineinhören, um zu erspüren: Wo bin ich überlastet? Aber auch: Was hätte ich mir durchaus noch zutrauen können?

    Denn die Suche nach Herausforderungen darf man auch nie sein lassen, sonst kommt es zum Stillstand. Da es aber im Leben sonst nie zum Stillstand kommt, sondern alles Veränderungen unterliegt, verliert, wer stillsteht, die Möglichkeit, die Bewegungsrichtung der Veränderungen zu beeinflussen und wird einfach mit fortgeschwemmt.

    Körperhaltung

    Die Körperhaltung muß stets bequem und der eigenen Kraft angemessen sein. Die Basisstellungen wie z.B. die „Pferdereiterstellung“ können in verschieden hoher Position mit unterschiedlicher Armstellung geübt werden, womit eine Anpassung der Übungsstärke möglich wird. Durch Änderung von Schrittgröße und Gewichtsverteilung erhält man ein sehr breites Spektrum für das Maß der Anstrengung, das mit der Standhaltung verbunden ist.
    Dabei sollte man sich nicht an Darstellungen von Meistern messen wollen deren Pferdschritt sehr breit und tief ist und dementsprechend viel Stützkraft des Körpers fordert.
    Die Kraftanstrengungen beim üben sollten so sein, daß wir mit ca. 75% unserer zur Verfügung stehender Energie und Kraft die Übung bewältigen können und zwar unter korrekter Ausführung. Fortgeschrittene können das Maß auf 80-85% steigern. Die Grenze nach oben ist dann erreicht wenn man aus Kraftmangel oder Konzentrationsschwäche nicht mehr in der Lage ist die Übung korrekt auszuführen. Eine Fortführung der Übung unter einem solchen Mangelzustand wirft uns mehr zurück, als das man Fortschritte erzielt.


    Vorstellungskraft, Gedanken

    Die Gedanken spielen die führende Rolle in den Übungen, die Vorstellungskraft ist der Dirigent aller Übungsaspekte. Um den richtigen Gebrauch von Gedanken und Vorstellungskraft zu beherzigen, muß man auf folgendes achten: „Man beachtet die Vorstellungskraft aber man betont sie nicht. Es ist wie etwas Denken und doch nicht Denken. Ähnlich einem Tagtraum, dem wir nicht ganz den Raum geben den er gerne hätte, und trotzdem beeinflußt er unsere Gemütsstimmung. Das heißt das man die Vorstellungskraft nie Zwanghaft einsetzen darf. Wenn wir etwas zu stark denken und uns etwas zu stark vorstellen, dann wird das Qui stagnieren. Wir bekommen das Gefühl das etwas in unserem Körper steckenbleibt. Messen wir ihr jedoch nicht genug Bedeutung bei, dann können wir keine innere Bewegung bewirken. Es ist sehr wichtig, daß richtige Maß für die Vorstellungskraft zu finden, sonst kann es insbesondere bei Übungen in Ruhe zu Mißempfindungen und schädlichen Wirkungen kommen.


    Atmung

    Es gibt zwar vielfältige Atemmethoden, die in der Kampfkunst Anwendung finden, aber alle diese Atemtechniken basieren auf der natürlichen Atmung. Zu Beginn der Übungspraxis ist es am besten, den Atem zu vergessen, d.h. der Atmung keine besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Praktiziert man Körperhaltung und Bewegung unter der Berücksichtigung aller bis jetzt genannten Übungsprinziepien, so entwickelt sich ganz von selbst eine natürliche tiefe Bauchatmung. Es kommt auf natürliche Weise zu einem harmonischem Zusammenspiel zwischen Haltung, Bewegung, Atmung und geistiger Tätigkeit. Jedes zwanghafte Führen der Atmung muß unterbleiben, da sie dabei leicht ins Stocken gerät. Erst wenn sich auf natürliche Weise eine langsame, tiefe, feine und gleichmäßige Atmung entwickelt hat, kann man spezielle Atemmethoden in Einklang mit Haltung, Bewegung und Vorstellungskraft üben.


    Übungsdauer

    Man übt nur solange, daß man noch über Kraft verfügt und das Interesse an den Übungen noch wach ist. Man sollte nie bis zum Überdruß praktizieren.
    Nicht die teuerste Medizin ist die Beste, sondern die welche heilt. Ebenso ist nicht die härteste oder spektakulärste Übung die beste, sondern die, die den individuellen Bedingungen gemäß ist.




    Schritt für Schritt üben


    Um die gewünschten Ziele und Wirkungen zu erreichen, muß man ernsthaft und ausdauernd üben. Jede Übungsmethode hat ihre eigenen Anforderungen und Schwierigkeiten, die jeder Anfänger gut kennenlernen muß.

    Zu Beginn der Übungspraxis ist es besonders wichtig, die Basisübungen ausgiebig zu praktizieren, um sich so ein sicheres und solides Fundament zu schaffen, um dann Schritt für Schritt zu den schwierigen Stufen überzugehen. Wer ungeduldig übt, und wer sich nicht ernsthaft mit einer Übung befaßt oder wer nach schnellen Effekten strebt, der wird keinen Fortschritt erzielen oder sogar schädliche Wirkungen auslösen. Auf Dauer ist das langsame Schreiten schneller als das ungeduldige und hastige Gehen.
    Hin und wieder ist es auch sehr nützlich zu alten Übungen zurückzukehren, um durch das inzwischen erworbene neue Wissen Neues in ihnen zu entdecken.

    6. Entwicklung

    Entwicklung findet sowieso statt, denn Leben ist Veränderung. Aber in welche Richtung findet Entwicklung statt. Das kann man beeinflussen, wenn man sich seiner selbst illusionslos bewusst ist. Eine große Gefahr bei der Selbstentwicklung besteht darin, dass man nur seine Stärken ausbaut und den Schwächen aus dem Weg geht. Das ist natürlich leichter, aber was bringt mehr? – den Yoko geri noch eine oder zweihundertstel Sekunden schneller rausschnappen lassen zu können oder endlich mal richtig an die Blocktechniken zu gehen, die alle immer ein bisschen unsauber kommen? Der Tritt macht vielleicht mehr Spaß, aber gute Blöcke verhindern, dass dich Tritte treffen.

    Was ist gut daran, dass du etwas nicht kannst?

    Das du es noch erlernen darfst!

    Wenn du nur gewinnst, lernst du nichts.

    Übertragen bedeutet das, zu wissen:
    Was sind meine echten Kompetenzen, Talente und Fähigkeiten. Zuerst lernt man zu stehen – das Prinzip „oben leicht, unten fest“ – dann aber muss man gehen, lernt laufen und – vielleicht – zu fliegen. Wie wird man seiner echten Kompetenzen gerecht? Es macht durchaus Sinn mal eine Konferenz der eigenen Kompetenzen einzuberufen, um zu sehen welche eurer Kompetenzen sich wie behandelt fühlt.

    Eine illusionslose Selbstanalyse ist vonnöten.

    Und auch wenn das, was dabei rauskommt, einem nicht unbedingt gefällt !!

    Man einiges doch anders eingeschätzt hätte heißt es, die Analyse nicht zu verneinen und ihre Ergebnisse überall einzusetzen.
    Immer muss man sich fragen: Wie kann ich meine Kompetenz für diesen Zweck einsetzen?
    Und dazu muss ich mich vom Ziel her nähern – Stellt euch vor Ihr währt schon da, am Ziel.
    Was wäre nötig gewesen - rückwärts gedacht um dahin zu kommen ?

    Die Prinzipien der Entspannung und der Vorstellungskraft beweisen ihren Nutzen. Und alles Handeln wird an die Kompetenzen geknüpft.

    Viel Spaß beim "darüberhirnen"
    Schön das es euch gibt
    Uwe
    Geändert von Uwe Hasenbein (09-03-2009 um 00:51 Uhr)

  9. #84
    LoneWolf Gast

    Standard

    Hallo uwe,

    ich habe mir mal absichtlich ein wenig Zeit gelassen und Deine Texte gelesen und ich kann nur mitteilen, dass ich Deine Ansichten teile.

  10. #85
    Jotaro Gast

    Standard

    Ich finde es auch ganz spannend. hab auch scho ein paar gute Bücher Gelesen von denen ich viel lernen konnte obwohl ich erst vor kurzem begonnen hab mich damit zu befassen
    Das eine Buch hiess glaub ich Shaolin Von Bernhard Möstlund das andere Ki im täglichen Leben von Koichi Tohei
    dieser Text erinnert mit zum teil an das Yin Yang prinzip.

    Gruss jotaro

  11. #86
    Uwe Hasenbein Gast

    Standard

    Hallo Jotaro,

    das Prinzip der Ausgeglichenheit wirst du häufig finden. Auch in der TCM findest du diese Idee wieder. Hier wird Krankheit nicht als Defekt sondern als Übergewicht der einen oder anderen Sache gesehen. Auch hier versucht man dann auf dem Wege der Heilung wieder ein Gleichgewicht zu schaffen.

    Liebe Grüße
    Uwe

  12. #87
    Jotaro Gast

    Standard

    Das ist ja das interessante, dass man dieses Prinzip überall wiederfinden kann, auf so verschiedene Weise.
    Hast du schon Erfahrung mit TCM?
    Sollte es vielleicht auch mal damit versuchen Hab nähmlich ein schulteproblem und war scho bei X verschiedenen Therrapeuten....
    Jotaro

  13. #88
    Uwe Hasenbein Gast

    Standard

    Hallo Liebe Leute,
    es ist soweit - unsere Homepage ist online

    http://www.gohshinkan.de

    Liebe Grüße
    Uwe

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