O.W. Barth-Verlag (gebunden/2025)
ISBN 978-3-426-56559-9
240 Seiten
In seinem zweiten Buch hat Shi Hengs Yi, der Mitbegründer und Sportbeauftragte - und auch das Aushängeschild - des Shaolin Tempels in Otterberg neun entscheidende Phasen der Veränderung in seinem Le-ben herausgesucht um an ihrem Beispiel die grundlegenden Prinzipien des Ch'an- bzw. Zen-Buddhismus zu veranschaulichen.
Seit dem vierten Lebensjahr in einem Zweig der Shaolin-Tradition unterrichtet, hat es ein wenig gedauert, bis auch die Ch'an- buddhistischen Grundlagen dieser Bewegungspraxis ihren Eingang in sein Training gefunden haben und ihn zum einen mit dem Wunsch erfüllten, 'das Zen im Shaolin zu finden' und zum anderen die Ergebnisse seiner persönlichen Suche mit anderen zu teilen, was einer der treibende Mo-mente hinter der Gründung seiner Schule in Otterberg gewesen zu sein scheint - und gleichzeitig ein Moment der Loslösung von dem, was seine Eltern sich für sein Leben vorgestellt hatten.
Neben diesen Momenten geht es in anderen Kapiteln mit Bezug auf die Shaolin-Tradition auch um die Betrachtung und die Praxis des Neija, des inneren Wegs, wie er etwas durch den Daoismus praktiziert wird, und später auch um die Rückbesinnung auf die harten kämpferischen Aspekte, die in vielen moder-nen Kampfkunstschulen meist nur für die Wettkämpfer/innen eine Rolle spielen, die aber jedes Training bereichern und verbessern. Auch wenn die beschriebenen Iron-Jacket und -Fist-Praktiken sicherlich nicht jedermanns/fraus Sache sein dürften.
In diesem gedanklichen Umfeld handelt auch ein Kapitel intensiver von dem Umgang mit der eigenen Lehrer- und öffentlichen Persona, sowie den Auseinandersetzungen um die Legitimität des Shaolin Temp-le Europe in Otterberg, die selbst innerhalb der Hierarchie der Shaolin-Oberen in China nicht einheitlich beurteilt wird.
Durch die autobiographischen Passagen lernt man auch ein wenig Shi Hengs Yis Lehrer kennen, wie etwa den auch ziemlich bekannten Shi Yan Lei, der bereits seit Jahren in London residiert. Aber auch andere, weniger bekannte Persönlichkeiten wirken durchaus interessant. Wie ein altes Sprichwort sagt:
Ist der Schüler bereit, findet sich der passende Lehrer.
Wobei speziell seine Lehrerrolle und seine Leitungsfunktion eine weitere Facette Shi Heng Yis Lebens ist, die hier Kapitel findet.
Die autobiographischen Passagen als Illustrationen für buddhistische Grundlagen und weiterführende Momente des Loslassens und der Transformation zu nutzen ist eine bewährte Idee. Natürlich führt das zu einer gewissen didaktischen Reduktion um ablenkende Momente zu dem, was man eigentlich lehren möchte zu vermeiden, so dass dem ein oder der anderen vielleicht etwas Hintergrund zu einige Episoden des Tempels Otterberg fehlen mag, aber das wäre tatsächlich ein anderes Buch als das, das Shi Heng Yi zu schreiben beabsichtigte.
Ich vermute, dass Kampfkünstler/innen es gerade zu Beginn des Buchs leichter finden werden, alles Dargestellte nachzuvollziehen, aber später treten auch andere Aspekte in den Vordergrund, so dass hier je-der, der sich für den Buddhismus aus philosophischen oder auch lebenshelfenden Gründen interessiert, etwas Förderndes findet. Denn Zen findet man nicht nur im Kloster oder in der Kampfkunst, sondern z.B. auch in der Kunst, ein Motorrad zu warten, wie schon ein anderer buddhistischer Lehrer einmal geschrieben hat.
K.-G. Beck-Ewerhardy (Eigenzitat aus www.buechertreff.de)



Mit Zitat antworten