Hallo miteinander,

ursprünglisch aus dem Ringen sowie Escrima kommend, möchte ich hier ein eventuelles früheres Kampfwerkzeug vorstellen. Da ich ein sehr einfacher jedoch praktikabler Mensch bin und nun schon weit über 40 Jahre die Künste studiere, zieht es mich immer mehr in Richtung eigener Quellen und Kultur, weshalb ich mich auch in Zukunft hier unter den europäischen Kampfkünste ansiedeln werde. Auch im Escrima war mein Bestreben, einen einfachen soliden Stil zu praktizieren, weshalb ich dessen auch auf den Phillipinen nach europäische Ursprüngen innerhalb der FMA suchte. Mit dem Threat „Cinco Teros, eine der Quellen innerhalb der FMA?? wurde niedergeschrieben, dass einfache spanische rationale Einflüsse eben gerade das Cinco Teros unterwanderten. Ebenso beteiligte ich mich an dem Thread „Kostheimer Messerstecher“, zumal ich ja aus Kostheim bin, wo es explizit um die Flöser und ihr Arbeitswerkzeug das Flöser-Messer ging. Jedoch zurück zum eigentlichen Thema. Da mein Heimatort im Rheingau liegt und ebenso das größte deutsche Weinbaugebiet Rheinhessen um die Ecke liegt, habe ich mal versucht etwas über das Rebmesser, Hippe, wie auch Gertel zu eruieren. Des weiteren wurde ich gefragt, ob meine Person eine Ausbildung an jenem Arbeitsgerät erhalten hat?

Als erstes möchte ich hier mal das Werkzeug hinterleuchten:
Das klassische Rebmesser, auch Hippe, Säsle oder Gertel genannt, besteht aus einem Holzgriff, in dem eine mehr oder weniger gekrümmte, nach vorn zugespitzte und an der Innenseite geschärfte Klinge steckt. Dieses uralte, vielseitige Werkzeug wird in manchen Gegenden bis heute - je nach Größe und Ausführung - als Sichelmesser, oder einfach als scharfer Gegenstand zum Schneiden, Hacken, Durchtrennen oder zum Anspitzen benutzt. Vorläufer hippenförmiger Rebmesser lassen sich bis in die Römerzeit zurückverfolgen. So gibt es Funde römischer Hakenmesser, die bei Nattenheim in der Eifel gefunden worden sind. Auch in der römischen Mythologie hatte das gebogene Rebmesser als Requisit des Feld- und Waldgotts Silvanus eine Bedeutung. Silvanus wird in zahlreichen Abbildungen halbnackt mit dem Rebmesser in der rechten Hand abgebildet und zeigt sich zudem geschmückt mit Feldfrüchten. Rebmesser tauchen bei Grabungen nördlich der Alpen regelmäßig auf, was von Archäologen vielfach so gedeutet wird, dass die Römer an solchen Fundorten Weinbau betrieben haben. Wie die haumesserartigen Hippen brachten die Römer mit der Verbreitung des Weinanbaus im 2. und 3. Jahrhundert in Gallien und Germanien ihre typisch gekrümmten Rebmesser mit. Im Unterschied zu den haumesserartigen größeren Laubhippen haben die kleineren Rebmesser eine Klinge mit einer Länge von 5 bis 15*cm und werden überwiegend zum ziehenden Schnitt eingesetzt, das heißt, der Benutzer zieht das Messer beim Schnitt zu sich hin. Seltener wird mit dem Rebmesser auch durch Drücken geschnitten. Ansonsten ähneln die Rebmesser in der Form den verbreiteten großen haumesserartigen Hippen bzw. Gerteln, die Klinge ist also zugespitzt und endet mit einem mehr oder weniger konkav gekrümmten Bogen. Das Rebmesser besteht wie alle Hippen aus einer sichelförmig gebogenen Klinge (mit der Schneide auf der Innenseite) aus geschmiedetem Stahl und einem Griff aus Holz, der natürlich gut in der Hand liegen muss. Wertvollere Rebmesser hatten einen Griff aus besonderem Material, etwa aus Horn oder aus edlem Holz. Griff wie Klinge waren gelegentlich verziert und die Winzer trugen das Messer mit Stolz. In manchen Weingegenden wurde ein regelrechter Kult mit den Winzermessern getrieben. Winzer benutzten das Rebmesser zum Beschneiden der Weinstöcke und zum Ausschneiden der Weinbeeren sowie bei der Lese. Die größte Verbreitung hatte es etwa zwischen 1700 und 1950. Zumindest im Weinbau wird es seit der Einführung der Rebscheren (um 1950 je nach Region) praktisch nicht mehr so viel verwendet. Eine andere Art von Messer sind solche, mit denen Veredlungsschnitte von Hand durchgeführt werden. Diese Messer sind allerdings eher kurz mit gerader Klinge und besonders scharf. Sie ähneln einem Küchenmesser (Kneipchen) und werden bisweilen auch als Rebmesser bezeichnet.
Das Rebmesser/Hippe in Bibel und Dichtung
Luther hat in seiner Bibelübersetzung das griechische δρέπανον/drépanon/Sichel mit Hippe übersetzt, soweit die Funktion des Rebmessers angesprochen war. Offenb. 14,14-19 lautet:
„14Vnd ich sahe / vnd sihe / eine weisse wolcke /vnd auff der wolcken sitzen einen / der gleich war eines menschen Son / der hatte eine güldene Krone auff seinem Heubt / vnd in seiner Hand eine scharffe Sichel 15Vnd ein ander Engel gieng aus dem Tempel / vnd schrey mit grosser stimme zu dem / der auff der Wolcken sass / Schlag an mit deiner Sicheln vnd erndte / Denn die zeit zu erndten ist komen / denn die Erndte der erden ist dürre worden. 16Vnd der auff der Wolcken sass / schlug an mit seiner Sicheln an die Erde vnd die erde ward geerndtet.“
„17Vnd ein ander Engel gieng aus dem Tempel im Himel / der hatte eine scharffe Hippen. 18Vnd ein ander Engel gieng aus dem Altar / der hatte macht vber das fewr / Vnd rieff mit grossem geschrey zu dem / der die scharffe Hippen hatte / vnd sprach /Schlag an mit deiner scharffen Hippen / vnd schneite die Drauben auff erden / denn jre Beer sind reiff. 19Vnd der Engel schlug an mit seiner Hippen an die erden / vnd schneit die Reben der erden / vnd warff sie in die grosse Kelter des zorns Gottes. 20Vnd die Kelter ward ausser der Stad gekeltert / vnd das Blut gieng von der Kelter bis an die zeume der Pferde /durch tausent sechshundert feldwegs.“
In der ersten kirchenamtlichen Revision der Lutherbibel 1892 blieb die Bezeichnung Hippe erhalten, in der Fassung von 1912 (2. Revision) ebenso, wurde jedoch mit einem Vermerk versehen und mit „Rebmesser“ erklärt. In der Textfassung von 1984 (3. Revision) wurde die Hippe durch die Bezeichnung Winzermesser ersetzt. In einem der populären Verse des Alten Testaments (Jesaja 2,4) verwendet Luther die Bezeichnung Hippe für das Rebmesser,
„4 Vnd er wird richten vnter den Heiden / vnd straffen viel Völcker / Da werden sie jre Schwerter zu Plugscharen / vnd jre Spiesse zu Sicheln oder Hippen machen. Denn es wird kein Volck wider das ander ein Schwert auffheben / vnd werden fort nicht mehr kriegen lernen.“
Die Luther-Ausgabe von 1912 verwendete noch den Begriff Hippe, während in der Übersetzung 1984 nur noch von der Sichel die Rede ist.
Aus regionalen Geschichten ist bekannt, dass dieses Werkzeug im Weinbau sehr beliebt, jedoch nicht viel über Ursprung bekannt war. Und wahrscheinlich auch niemand sich weitere Gedanken darüber gemacht hat. Man betrachtete es eben als etwas Alltägliches und selbstverständliches, eben ein unentbehrliches Werkzeug im Weinbau. Das besondere daran war, dass es auch im Alltag verwendet wurde. Es fand Verwendung bis in die handwerklichen Berufe, so zum Beispiel im Beruf des Gerbers, zum schneiden von dickem Leder oder Sohle, des gleichen im Beruf des Schusters, wie auch im Garten- und Baumschulbereich. Dieses Werkzeug gibt es in vielen Ausführungen und mit vielen Benennungen, je nach Region und Kultur. Die Verbreitung ist groß und man trifft die eine oder andere Form auf dem ganzen Europäischen Kontinent von England bis Russland und Schweden bis Kleinasien. Das in der Schweiz beheimate Tessiner Gertel zum Beispiel. Während in Deutschland eine vorn gebogene Hippe unter dem Namen Schweizer Gertel bekannt ist und mittels Ledergriff eine Länge um 43*cm bei einem Gewicht zwischen 600 und 750*Gramm aufweist. Das Gertel kann in seiner Verwendung „zwischen Axt/Beil und Machete eingeordnet werden, wobei er seiner Form nach in seiner Funktion zu den Hieb- und Hackwerkzeugen gehört. Es wird heutzutage gerne in der Forstwirtschaft verwendet. Des weiteren wurde und wird der Gertel zum Entfernen von Dornengestrüpp und Buschwerk verwendet.
Die Ausführungen wie beschrieben reichen also von kleinem Handwerkzeug bis zur schweren Ausführung, die unter anderen ebenso bei früheren Bauernaufständen im Laufe der Geschichte als Waffe, zwecks Verteidigung diente. Jedoch ist heutzutage bei uns nichts mehr über obiges Werkzeug zur Verteidigung bekannt. Geschweige denn, welche Techniken hierbei angewandt wurden. In Piemont (Norditalien) nähe der französischen Grenze hat der Einfluss dieser Waffe jedoch überlebt. Wein- und Trüffelbauern, die einen Einfluss aus Frankreich angesiedelter Sinti aufweisen, benutzten das Arbeitsgerät auch zum Zwecke der Selbstverteidigung. Hierbei handelt es sich um eine Schnitt- und Reißmethode. Es gilt zu bedenken, dass die Bauern tief in der Hocke arbeiteten, aufgrund der Lage in den Hängen der Weinbergen. Dadurch ergab sich eine Art des Kampfes, welchen tiefen Positionen nicht abgeneigt ist. Sie neigen also dazu, den Kampf in der Nahdistanz zu suchen. Komplexe Schrittarbeit ist aufgrund des Gebietes nicht vorgesehen.
Und da sind wir beim zweiten Punkt. Meines Erachtens gab es früher in diversen Weinbaugebieten Bauern, die eine Kampfmethode hatten. Jedoch ist darüber nichts bekannt – auch nicht in schriftlicher Form. Zumindest beim Flöser Messer wurde ich vor vielen Jahren von einem alten Ringer in dieser Methode unterwiesen. Leider war er der letzte in Kostheim, der darüber bescheid wusste. Daher denke ich, dass die Weinbauern eine ähnliche Methode hatten. Mittlerweile habe ich da eine eigene Methode konzipiert, wobei das Cinco Teros mit seinen fünf einfachen Angriffen da ebenso geholfen hat.

Beste Grüße
borni