O.W.Barth (gebunden/2023)
Übersetzer: Bernhard Kleinschmidt
Originaltitel: Artist of Life
ISBN 978-3-426-29335-5
381 Seiten

Dieses Buch ist nicht eine stringente Darstellung von Gedanken, sondern eine Sammlung von Vorentwürfen von Aufsätzen oder Artikeln, die Bruce Lee eventuell mal veröffentlichen woll-te - und waren (auch laut einem der Vorworte) wahrscheinlich nicht zur Veröffentlichung bestimmt.

Als Bruce Lee im Alter von 32 Jahren ziemlich überraschend starb, hatte er zwei Dinge ge-schafft, die bis heute nachwirken:

1. Einem Amerika, das bis dahin nur japanische Kampfkünste (Judo und Karate) kannte, Kungfu vorzustellen.
2. Dem gleichen Amerika zeigen, dass auch Filme mit nicht weißen Hauptdarstel-ler*innen erfolgreich sein können.

Daneben hat er, der in Hongkong neben dem Straßenkampf bei Yip Man Wing Chun gelernt hatte, nach der Gründung einer Wing Chun-Akademie in den USA auch eine eigene, von Daoistischen Ideen beeinflusste Kampfkunst namens Jeet Kune Do geschaffen, wobei das 'Do' am Ende eigentlich japanisch ist, wovon er das Kungfu zu Beginn in medienwirksamen Begegnungen speziell mit Karatekas abgrenzen wollte.

In dem vorliegenden Buch werden acht große Themen behandelt:

1. Kungfu (mit Schwerpunkt auf dem Daoistischen Kungfu. Ch'an-Kungfu (wobei er Ch'an mit dem japanischen Zen gleichsetzt), wie etwa das Shaolin oder auch andere Richtungen werden dabei nicht genannt.
2. Philosophie (wobei man bedenken muss, dass er sein Philosophiestudium nie abge-schlossen hat und hier nur ein sehr kleines Spektrum der westlich beeinflussten Philo-sophie der Daoistischen entgegenstellt).
3. Psychologie (mit einem Schwerpunkt aufdie damals neu aufkommende Gestalttherapie - und etwas Herrmann Hesse).
4. Jeet Kune Do als Nicht-Form zur Selbstkultivierung in Daoistischer Art.
5. Schauspielerei als eine andere Form der Selbstverwirklichung
6. Selbsterkenntnis
7. Gedichte
8. Briefe (die gleichfalls Gedichte beinhalten)

Bis auf die letzten beiden Blöcke sind die Vorentwürfe oft Wiederholungen von Auszügen vorhergehender Entwürfe, manchmal mit veränderten Reihenfolgen der Absätze, Verschmel-zungen von zwei älteren Texten oder auch nur leicht umformulierte Wiederholungen. Was dich nicht notwendigerweise sehr unterhaltsam liest. Wenn man zum achten oder neunten Mal den gleichen Absatz liest, kann das schon ein wenig öde werden.
Daneben sind Einschübe darüber, was andere Kampfkünstler über seine Kampfkunst ge-schrieben haben (nicht aus den Notizen, wie es aussieht) nicht so erhellend, wie man vielleicht denken mag, denn die damals im Westen oft sehr starr strukturiert unterrichteten japanischen Kampfkünste mit einem großen Gewicht auf Wettkampftraining (hierbei meist Shotokan) konnten dem oft fluideren und anwendungsorientierteren Kungfu nicht unbedingt auf Augenhöhe begegnen. Und alle zitierten Kampfkünstler sind mit einer Ausnahme Wett-kampfkarateka. Und die Ausnahme ist Judoka. Tatsächlich bezeichnet Lee Karate und Judo in einem der Briefe als chinesische Kampfkünste, was viele Japaner*innen, aber auch andere Karate- oder Judoka irritieren dürfte.

Die philosophischen und psychologischen Betrachtungen lehnen sich sehr stark am klassischen Daoismus nach Lao Tse und seinen Schülern an und greift ein oder zweimal auf Ch'an-Elemente zurück - insbesondere, wenn es um Meditation geht.

Alles in allem wird dieses Buch für traditionelle Kungfu-Praktizierende, Daoisten und Ch'an-Buddhisten wenig Neues bringen - außer zur Person Bruce Lee an sich und die Darreichungs-form macht es wahrscheinlich auch für Bruce-Lee-Fans nur eingeschränkt empfehlenswert - abgesehen von den vielen Photos.

K.-G. Beck-Ewerhardy (Eigenzitat aus amazon.de)