Tag 2
6:55 Uhr der Wecker klingelt, meine Nase fühlt sich eiskalt an -ich stell den Wecker auf Snooze und pack mich nochmal in den Schlafsack. 3 Minuten Später muss ich dann aber doch nachgeben. Ich schau aus dem Fenster -die Straße is mit Reif überzogen, son Glück können auch nur wir haben -Frost in Spanien ^_^ Aber wir haben dazu gelernt, diesmal gehts direkt mit Dogi und Jacke drüber zum Frühstück, so spart man Zeit bis zum Aufwärm-Programm. Das Aufwärmprogramm übernimmt diesmal ein Schüler Muguruzas aus Frankreich, allerdings spult er fast das gleiche Programm wie am Vortag ab. Ich habe noch üble Nackenschmerzen vom Tag vorher und der kalten Nacht, deswegen setze ich mich kurz im Seiza an den Rand, als mir die Rollen zuviel werden, da ich fast jedes mal mit dem Kopf aufkomme. Es dauert keine 2 Sekunden, da steht der Hilfstrainer neben mir: "Hast du Schmerzen?" - "Ja" - "Brauchst du Hilfe, oder gehts irgendwie" - "Ich glaub es geht irgendwie" - "Dann hopp, stell dich in Kamae und hol die Rollen nach die du verpasst hast" X-P Ich rappel mich also hoch und quäl mich weiter. Wir haben aber Glück im Unglück, da einige von Gestern noch so kaputt sind, dass sie kaum noch das Programm vom letzten Morgen schaffen bleibt keine Zeit mehr das Aufwärmprogramm aufzustocken und wir kommen mit der gleichen Quälerei wie gestern davon. Nach dem Aufwärmen werden wieder alle Fenster aufgerissen und ich habe das Gefühl der Schweiß gefriert in meinem Nacken. Bis Muguruza kommt sitzen wir brav im Seiza und meine Zehen sind inzwischen komplett taub.
Als hätte er das geahnt fangen wir sofort mit Suwari-waza an: Heute ist Ikkajo an der Reihe. Und da wir schon wieder kalt sind wird auch sofort mit Geschwindikeits-Training auf Zählen angefangen. Der übliche Spaß, kaum hat man Uke irgendwie in der Endkontrolle schreit Muguruza schon "Kamae - Men! - Ichi - Ni..." also spring ich wieder auf, mach die Technik noch schneller und unsauberer nur um wieder auf zu holen. Das entgeht dem Hilfstrainer natürlich nicht und schon hab ich zwei Hände am Gürtel, die mich durch die ganze Technik in eine tiefe Stellung zwingen. Für uns drei aus Deutschland sind einige japanische Befehle neu und so hängen wir zusätzlich hinterher, falls wir zB den Partnerwechsel nicht mitbekommen. Wir kämpfen uns bis zur Pause des Morgentrainings durch endloses Training auf Zählen. In der Pause ist es dann so weit, einer meiner beiden Begleiter gibt auf. Das Aufwärmtraining war ein ganzes Stück zu brutal und mit dem aktuellen Trainings-Stil macht er sich nur kaputt. Die Ständige Kritik und das ständige "up, quicker, quicker!!!" haben ihm den Spass am Training komplett genommen - und es macht keinen Sinn sich durch den Kurs zu quälen nur weil man bezahlt hat.
Er geht in der Pause direkt zu Muguruza und legt ihm das ganze so dar. Muguruza fragt ihn, ob er denn nicht gewusst habe, dass ihn hier ein Intensiv-Kurs erwartet. Und wir drei erfahren zum ersten mal, dass Intensiv-Kurs halt nicht nur für eine Woche lang Training von morgens bis abends steht. Nein, seine Schüler sind alle bestens darüber informiert, dass der Intensivkurs nur etwas für Hartgesottene ist, die ihr eigenes Limit finden sollen. Die Einschreibung zu diesem Kurs ist quasi wie eine Aufforderung an die Trainer einen solang zu fordern und weiter zu drücken, bis man nicht mehr kann. Allerdings zeigt Muguruza viel Verständnis und meint es sei nicht unsere Schuld, dass wir nicht gewusst haben wofür der SIF-Kurs steht. Daher bietet er unserem Begleiter an das Training weiter zu beobachten und wieder mit zu machen wenn er sich besser fühlt. Aber er akzeptiert auch, dass unser Kollege sich einfach nicht kaputt machen will und erlässt ihm direkt die restliche Lehrgangsgebühr (inkl. Verpflegung) - wir hatten die Hälfte der gesamten Gebühren vorher als Anzahlung überwiesen. Da wir WLAN haben ist es kein Problem einen Rückflug für den nächsten Morgen zu buchen und ein Teilnehmer der jeden Abend nach Hause fährt, da er in Girona wohnt bietet an ihn direkt zum Flughafen zu bringen.
Ich weiß nicht ob es daran liegt, dass einer den Kurs abgebrochen hat, oder ob Muguruza auch so vor hatte den restlichen Tag eher Technik-bezogenes Training zu machen. Aber die restlichen 3 Trainingseinheiten des Tages gefallen mir super. Wir trainieren erst Ikkajo auf eine ganze Reihe von Angriffen und widmen uns dann gezieltem Training um Yokomen-Uchi richtig zu schlagen und auch richtig zu blocken. Muguruza weist darauf hin, dass Shite Uke das Gefühl geben muss er könnte weiter schlagen, obwohl sein Schlag aufgehalten hat. Zuerst verstehe ich nicht wie er das meint, doch Muguruza verblüfft mich mal wieder, als er mir den Block demonstriert. Ich kann so hart schlagen wie ich will, er blockt den Schlag ohne einen spürbaren Aufprall und da sein Unteram entspannt ist, habe ich tatsächlich das Gefühl ich würde mit dem Arm weiter schneiden, obwohl er ihn anhält. Zu Mittag gibt es diesmal wie üblich ein zwei Gänge Menü und unser Küchenchef/Kellner namens Pepe hat inzwischen auch erfahren, dass ich Vegetarier bin und so bekomm ich statt der riesigen Würstchenplatte die die anderen vorgesetzt bekommen etwas vegetarisches. Allerdings ist die Menge wie immer total überdimensioniert und ich frage mich inzwischen wirklich ob das gesund seien kann, dass ich doppelt soviel esse wie sonst...
Das Nachmittagstraining gefällt mir sogar noch um Welten besser, wenn das ganze Seminar so wäre könnte ich es jedem nur 100% empfehlen. Wir trainieren eine ganze Reihe von interessanten Würfen, viele Kokyunage-Varianten auf Katate- und Kata-mochi, einige Würfe dabei habe ich noch nie gesehen (auch nicht in andere Variationen oder so) also mache ich mir nach dem Training wieder fleißig Notizen, um die Techniken später im Heimat-Dojo wieder hin zu bekommen. Nach der Woche hier habe ich bestimmt genug Techniken notiert um ein Jahr lang daran zu trainieren ^^ Nach dem Training gibts nurnoch Abendessen und die Müdigkeit zwingt mich quasi wieder sofort ins Bett. Unser Begleiter verabschiedet sich vorher noch von uns und verspricht uns die Daumen für uns zu Drücken, damit wir durchhalten. Mein Zimmer ist etwas leerer, jetzt wo ich allein darin bin - aber ich mache mir mit meinem verbliebenen Begleiter aus, dass wir das ganze Überstehen, wenn wir das nächste Morgentraining überstehen - denn dann haben wir die Hälfte geschafft. Aber nach der Information wofür der Intensivkurs steht sehen wir die anderen Teilnehmer jetzt doch mit anderen Augen und mir wird auch klar, warum sie so zerstreut aus aller Welt kommen. Hier sind anscheinend die paar Masochisten versammelt, die tatsächlich trainieren wollen bis die Knie bluten und das zum wiederholten male...
soweit so gut - Gute nacht!




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