Um mal Zusammenfassend ein bisschen zu erklären, da die Frage immer wieder auftaucht. Dies ist eine arg kurze Zusammenfassung, um zuallererst nur die Begrifflichkeiten zu erklären. Nichts davon ist auf meinen Mist gewachsen, nur die Fehler gehen auf meine Kappe! Die Inhalte kommen kummuliert aus diesem und zwei weiteren Foren. s.u.
Zu den Begriffen, Unterschieden und der Geschichte des
Jūjutsu / Jiu-Jitsu / Ju-Jitsu / Ju-Jutsu und Brazilian Jiu-Jitsu
Die japanischen Schriftzeichen sind für alle Begriffe gleich 柔術 und sprechen sich ganz grob Dsch(i)u-Dsch(i)uts((u)) [dʑɯː.dʑɯ.tsɯ] aus.
(hier zu hören: Jūjutsu)
Die korrekte moderne Übertragung in unsere Schrift im Hepburn-System wäre Jūjutsu. Frühere Umschriften schrieben sich allerdings auch
Jiu-Jitsu, Ju-Jitsu (beides auch nach wie vor im Gebrauch, insbesonders international) und Dschiu-Dschitsu. Als letztes gibt es noch die Schreibweise Ju-Jutsu, welches nicht mit Jūjutsu identisch ist.
In Deutschland haben die Schreibweisen teilweise eine best. Bedeutung, International sieht es wieder etwas anders aus (siehe unten). Interessant wird, inwieweit es eine Angleichung an internationalen Usus hier mal geben könnte, aber nicht Thema hier. Zunächst die Kurzform, weiter unten die Langform.
Jūjutsu (Japan, vor 1868):in Europa und Deutschland so gut wie gar nicht vorhanden; Teilbereich von Schulen klassischer japanischer Kampfkünste (Koryu). Jūjutsu in dieser Schreibweise ist immer das Jūjutsu einer bestimmten Schule (Ryu), bsp. Tenshin-Shinyo Ryu wäre die Schule, Tenshin-Shinyo Ryu Jūjutsu wäre der Teil, der sich nicht mit den Kriegswaffen beschäftigt; also waffenlos sowie Messer, Dolche, Kurzwaffen etc. behandelt. Enthält u.a. Waffen-, Wurf-, Hebel-, Schlag-, Tritt-, und Würgetechniken. Bezeichnungen der Techniken auf japanisch.
Judo (Japan, ca. 1882): aus Schulen des Jūjutsu von Jigoro Kano entwickelter Stil, der sich vornehmlich aus Wurf-, Würge-, Hebel- und Haltetechniken zusammensetzt. In Europa größtenteils Wettkampfjudo (keine Schlagtechniken); in Deutschland führt der Deutsche Judo Bund ein Selbstverteidigungsprogramm mit Schlag- und SV-Techniken aus anderen Kamp- und Selbstverteidigungssystemen ein. Das traditionelle Judo von Kano hingegen enthält seit je her Schlag-, Stoß-, und Tritttechniken, dieses in Deutschland extrem selten zu finden. Bezeichnungen der Techniken i.d.R. auf japanisch.
Jiu-Jitsu (Deutschland, 1906): auf Erich Rahn zurückgehendes System, das u.a. auf dem traditionellen Judo (früher, außerhalb Japans auch als Kano Jiu-Jitsu bezeichnet) basiert. Andere Methoden (Ringen, eigene Techniken von Rahn usw. u.a. dazugekommen) Beinhaltet v.a. Wurf-, Hebel-, Schlag-, Tritt-, und Würge- sowie Entwaffnungstechniken. Bezeichnungen der Techniken i.d.R. auf japanisch.
Brazilian Jiu-Jitsu (Brasilien, 1921): hauptsächlich auf die Gracie Familie zurückgehendes System, dass sich besonders auf den Kampf am Boden spezialisiert hat. Die Gracies haben von Maeda Judo/Kano Jiu-Jitsu gelernt und dieses stark weitergeführt. Weltweite Bekanntheit durch erstaunliche Erfolge bei den ersten Ultimate Fighting Championships. Besteht v.a. aus Positionstechniken, Hebel-, Würge-, und Wurftechniken. Gracie Jiu-Jitsu ist bestrebt, ein System zur Selbstverteidigung zu betreiben. Bezeichnungen der Techniken i.d.R. auf englisch (international) und portugiesisch.
Ju-Jutsu (Deutschland, 1967): Zu der Zeit von unterschiedlichen Budoka aus den Bereichen Judo, Karate, Aikido und Jiu-Jitsu zusammengestelltes System zur Selbstverteidigung. Beinhaltet v.a. Wurf-, Hebel-, Schlag-, Tritt-, und Würge- sowie Entwaffnungstechniken. Im Jahr 2000 Änderung der Prüfungsordnung: Hinzunahme von Techniken unter anderem aus den Filipino Martial Arts, den Wing Tsun und dem Thaiboxen. Ju-Jutsu war SV-System der Polizei (die inzwischen ohne bestimmtes System Eingriffs- und Sicherungstechniken lernt). Wettkampfsystem als Show-Vorführung oder als Leichtkontakt System mit starken Judo-Elementen oder in Form von Allkampf im Vollkontakt. Bezeichnungen der Techniken i.d.R. auf deutsch.
Jiu, Jitsu, Ju-Jitsu (INTERNATIONAL!): Sammelbegriff, der insbesondere im englischsprachigen Raum zunehmend, aber nicht ausschließlich! synonym mit Brazilian Jiu-Jitsu gebraucht wird (Beispiele: 10th Planet Jiu-Jitsu, Guerrilla Jiu-Jitsu) und von klassisch angehauchtem Jiu-Jitsu ähnlich dem Rahns (American Jiu-Jitsu) über moderne Stile des Gi- und NoGi Grapplings (ähnlich Brazilian Jiu-Jitsus) bis zu Vollkontakt-MMA ähnlichem Training (Kamp Ju Jutsu, Schweden) reicht, weiteres Beispiel auch: (Dennis) Survival Jiu-Jitsu (Israel). Bezeichnungen der Techniken auf japanisch, englisch oder anderen Sprachen.
Langform und Geschichte
-Jūjutsu (Japan, vor 1868):
Begriff für für den waffenlosen und Nicht-Kriegswaffen (also Kurzwaffen, Messer, Dolche usw.) behandelnden Teil der Schulen historischer japanischer Kampfkünste (Koryu,). In der Edo-Periode (1603-1867) gab es über 700 dokumentierte Ryu (Schulen/Stile). Abnahme der Bedeutung in der Meiji-Periode, als Japan sich modernisierte, dem Westen öffnete und eine längere Zeit der Abwesenheit großer Kriege herrschte (ab 1868).
Jūjutsu in diesem Sinne ist in Europa so gut wie gar nicht zu finden und nicht zu verwechseln mit dem hier angebotenen Jiu-Jitsu. So gibt es z.B. im Jūjutsu nicht das farbige Gürtelsystem, was aus anderen asiatischen KKs uns hier so vertraut ist - das wurde zuerst eingeführt im Kodokan Judo.
-Judo (Japan, ca. 1882):
Jigoro Kano war Schüler mehrerer Koryu (Schulen alter japanischer Kampfkünste, deren waffenloser und bewaffneter (außer Kriegswaffen) Teil Jūjutsu heißt) ab 1870, insbesonders Tenshin-Shinyo Ryu und Kito Ryu. In beiden erlangte er die Lehrbefähigung. 1882, nach vier Jahren Training in den Koryu öffnete Kano eine eigene Schule, das Kodokan. Kano legte Wert auf Techniken, die sich mit vollem Widerstand und hartem Kontakt trainieren ließen, um realistisches Kämpfen lehren zu können und benutzte in besonderem Maße, aber nicht nur (!) Wurf- Würge und Hebeltechniken. Kano nannte sein System Judo, es wurde in der Anfangszeit von Unkundigen im Ausland aber auch als Kano Jiu-Jitsu bezeichnet (siehe BJJ)
In späteren Jahren fand übrigens (Quelle: Gracie, Renzo und Danaher, John: Mastering Jiu-Jitsu) eine weitere Koryu ihren Weg ins Judo: Fusen Ryu, welches starken Wert auf Bodenkampf legte und in sportlichen Kämpfen mit dem Kodokan einige Erfolge errang; über Mataemon Tanabe, der daraufhin auch im Kodokan unterrichtete.
In Europa herrscht heutzutage hauptsächlich (aber nicht nur) das Wettkampfjudo vor, das z.B. keine Schlagtechniken beinhaltet. In Deutschland führt der Deutsche Judo Bund im Rahmen eines Selbstverteidigungsprogramms Schlag- und SV-Techniken aus anderen Kamp- und Selbstverteidigungssystemen ein.
Das traditionelle Judo von Kano hingegen enthält seit jeher Schlag-, Stoß-, und Tritttechniken (sowie auch Waffentechniken), es wird in Deutschland von einem vergleichsweise sehr kleinen Kreis betrieben. Bekannte Vertreter dieser Richtung sind z.B. Tokio Hirano, Frank Thiele und Tom Herold.
-Jiu-Jitsu (Deutschland, 1906): Der deutsche Kaufmannssohn Erich Rahn lernte mutmaßlich von dem nach Deutschland gekommenen Japaner Katsukuma Higashi (ein Judoka des Kodokan Judo!) und eröffnete noch im selben Jahr (1906) im Alter von 21 Jahren in einem Hinterzimmer einer Kneipe in Berlin-Mitte die erste deutsche Jiu Jitsu-Schule, dabei fanden auch Ringergriffe, Boxschläge und Kraftanwendung Eingang in das Rahn-Jiu Jitsu.
Damit beruht das Jiu-Jitsu von Erich Rahn eigentlich (genau wie übrigens auch das Brazilian Jiu-Jitsu) nicht auf Jūjutsu, sondern auf dem Kodokan Judo (welches selber wiederum sehr wohl als Fortführung des Jūjutsu gesehen werden kann). Wie erwähnt, wurde Kanos Judo von Dritten im Ausland eben auch als Jiu-Jitsu bezeichnet. (u.a. z.B. Volksbrockhaus von 1938). In welchem Ausmaß Rahn tatsächlich von Higashi gelernt hat, ist nicht belegt und bekannt, ihm wird u.a. vorgeworfen, er hätte die Techniken nicht von Higashi persönlich, sondern aus einem Buch von diesem erlernt.
Durch Vorführungen und Kämpfe wurde die Polizei auf Rahn aufmerksam und am 30. Juni 1910 führte Rahn im Königlichen Polizeipräsidium das Jiu Jitsu vor. Daraufhin wurde ihm die Durchführung der neu angeordneten Jiu Jitsu-Ausbildung der Berliner Kriminalpolizei und später auch der Schutzpolizei übertragen. Obwohl 1930 in Deutschland bereits 110 Jiu Jitsu-Vereine registriert waren, ging die Tendenz nun vom Jiu Jitsu zum von Kano entwickelten Judo hin. 1933 gründete Alfred Rhode die Europäische Judo-Union (EJU), wodurch Jiu Jitsu und Judo erstmals organisatorisch voneinander getrennt wurden.
-Brazilian Jiu-Jitsu (Brasilien, um 1921):
Mitsuyo Maeda (1878-1941) war Schüler einer Koryu (Tenshin Shinyo Ryu), der um 1896 zum Kodokan Judo gewechselt ist. Maeda war in Japan und später auch darüber hinaus ein sehr erfolgreicher und anerkannter Kämpfer. Er reiste durch Amerika und Europa, um dort das Judo zu verbreiten; bestritt zahlreiche Kämpfe in Japan, USA und Europa gegen Judoka, Ringer und Boxer. Kurz vor dem ersten Weltkrieg kam Maeda nach Brasilien und war dort für ein Ansiedlungsprogramm der japanischen Regierung für Japaner in Brasilien tätig. Bei dieser Tätigkeit hatte er auch mit Gastao Gracie zu tun, der dort in der Lokalpolitik eine bedeutende Figur war. Als Ausgleich für Hilfe bei seiner Arbeit von Gracie bat Maeda an, Gracies Sohn Carlos im Kämpfen zu unterrichten. Maeda unterrichtete also weitesgehend Kodokan Judo, bezeichnete aber zuweilen selber (so wie z.B. [fälschlicherweise] auch andere wie etwa brasilianische oder englische Zeitungen) die Kampfkunst, die er unterrichtete: Jiu-Jitsu.(1917). Wie erwähnt, wurde zu der Zeit auch in Deutschland z.B. vom Volks-Brockhaus 1938 Judo als Jiu-Jitsu bezeichnet. Daher heißt BJJ Br. Jiu-Jitsu, obwohl Brazilian Judo tatsächlich eigentlich treffender gewesen wäre.
Carlos Gracie unterrichtete seine Brüder, von denen der jüngste, Helio Gracie war, welcher in der Entwicklung des Brazilian Jiu-Jitsu eine entscheidende Rolle spielen sollte. Helio war klein und schmächtig und den meisten körperlich unterlegen. Nicht er alleine, aber zu einem wichtigen Teil, passte er die erlernten und erarbeiteten Techniken seinen Bedürfnissen und Überzeugungen an. Die Gracie Familie machte ihre Form von Jujutsu in Brasilien bekannt und in den 1990ern in großen Teilen des Restes der Welt: indem Rorion Gracie die ersten Ultimate Fighting Championchips (UFC) kreierte, in denen Kämpfer unterschiedlichster Kampfkünste mit anfangs fast keinen Regeln und ohne Gewichtsklassen gegeneinander antraten. Sieger der ersten UFCs war Rorions kleinerer Bruder, Royce Gracie, in der Regel gegen körperlich überlegene Gegner.
-Ju-Jutsu (Deutschland, 1967):
Franz-Josef Gresch, Werner Heim, Otto Brief, Richard Unterberger, Klaus Münstermann und weitere wurden zu dieser Zeit damit beauftragt, Techniken aus Jiu Jitsu, Judo, Karate, und Aikidō zu einem neuen Selbstverteidigungssystem zusammenzustellen. Informationen über genaue Graduierungen der Beteiligten ließen sich vom Autor leider nicht ermitteln.
Beinhaltet v.a. Wurf-, Hebel-, Schlag-, Tritt-, und Würge- sowie Entwaffnungstechniken. Im Jahr 2000 sind weitere Techniken und Konzepte bei Änderung der Prüfungsordnung hinzugekommen, unter anderem aus den Filipino Martial Arts, den Wing Tsun und dem Thaiboxen.
Ju-Jutsu war das Selbstverteidigungssystem bei der dt. Polizeiausbildung und als solches konzipiert; inzwischen hat sich das teilweise gewandelt. Die Polizeiausbildung in Deutschland ist Ländersache und unterschiedlich geregelt, teilweise werden Eingreif und Sicherungstechniken, ohne sich dabei auf ein bestimmtes System zu berufen, unterrichtet, teilweise gibt es auch noch Ju-Jutsu.
Es besteht ein Wettkampfsystem als Show-Vorführung oder als Leichtkontakt System mit eingeschränkten Atemi-Möglichkeiten und relativ starken Judo-Elementen. Außerdem gibt es den Ableger Allkampf, der außerhalb des Deutschen Ju-Jutsu Verbandes ein MMA-Ähnliches Wettkampfsystem mit unterschiedlichen Vollkontakt-Modi betreibt.
So viel als kleinen Überblick; trotz Bemühen kann es hier kein Anspruch auf Richtigkeit geben; denn diese Informationen hier habe ich lediglich zusammengefasst, nicht recherchiert. Somit kommt das meiste auch aus tertiär und quartär Quellen. Danke an die User dieses Forums, an Tom Herold und die User dessen Forums. (Welche zurecht einwenden, dass ein so kurzer Text dem Thema nicht gerecht werden kann und es zum Verfassen eines solchen intensiven Quellenstudiums bedarf.
Dem ist nichts hinzuzufügen, außer: im Web geistert so viel Unfug zu dem Thema herum, dass jeder Beitrag in die richtige Richtung einen kleinen Schritt hilft.