Wie sah Itosus Training aus, bzw. was hat er verändert? Tja, gute Frage. Ich denke er hat auf keinen Fall nur "Gymnastik" schaffen wollen, im Gegenteil, er wollte eine starke Jugend für ein starkes Japan.

Ich habe den relativen "Luxus" aus einer Linie zu kommen in der ich auf der einen Seite Kontakt über Toyama Kanken zum Karate von Itosu habe und auf der anderen Seite einen weiteren Kontakt zum "Shorin-ryu" über Kise Fusei. Interessant ist, dass Toyama in seinen Büchern Abbildungen zu den "Standardkata" hat, die sehr ähnlich dem Shotokan sind. Auf der anderen Seite werden diese Kata jedoch bei uns deutlich anders (sprich körperlich komplexer) gelehrt, was auch zu einer anderen Ausführung an einigen Stellen führt. Diese "komplexere" Seite der Bewegungen und die damit verbundenen Prinzipien findet man auch ähnlich im Shorin-ryu von Kise (z. B. Art der Annahme und die Bewegungsgenerierung). In den chinesischen Kampfkünsten findet man diese Art der Bewegung (und vor allem die Prinzipien) auch. Die Arbeit mit Visualisationen ist dort auch gang und gäbe (Hequan, Xingyiquan, Bagua...).

MICH PERSÖNLICH (Achtung eigene Meinung!) bringt das zu folgendem Schluss:

Wenn man annimmt, dass Itosu das "Te" aus der Region um Shuri gelernt hat, dann sollte es ja eigentlich Gemeinsamkeiten zu den anderen Richtungen dieser Region geben. Diese Gemeinsamkeiten habe ich persönlich in dem Karate von Toyama und dem von Kise gefunden. Toyama hat aber sehr wohl unterschieden zwischen dem "Standardeinheitskarate" und dem, was er persönlich teilweise unterrichtet hat, wie man ja auch in den Büchern sieht. Wen man ANNIMMT das das komplexere Karate das "usprüngliche Itosukarate" ist (Toyama unterscheidet deutlich zwischen Shuri-te und Naha-te!) und das "Standardkarate" (was große Ähnlichkeit zum JKA-Karate hat) das ist, was Itosu den Grundschülern gezeigt hat, dann macht es für mich sehr viel Sinn.
Grundschüler können diese teils sehr komplexen Bewegungsmuster einfach noch nicht und vor allem, was der viel entscheidendere Grund ist, man kann diese komplexen Bewegungn nicht im Massenunterricht zeigen! Gerade dieser ist jedoch in den Schulen nötig. Ich glaube noch nicht einmal, dass Itosu das vorsätzlich gemacht hat (siehe Hennings Kommentar, er WOLLTE ja die Wehrhaftigkeit). Diese "Vereinfachung" war einfach der didaktischen Methode geschuldet und dem Alter der Schüler. Durch die Änderung blieb aber einfach noch genug "Körperertüchtigung" und "Wehrhaftigkeit" über um nützlich für das japanische Volk zu sein. Hier spielt dann wieder der "Budogedanke" und der Nationalismus/Imperialismus mit rein.
Ich finde es persönlich sehr viel spannender wer alles "eng" genug an Itosu dran war um auch die komplexeren Methoden zu lernen. Toyama war mit Sicherheit nicht der Einzige, der mit diesen Methoden in Kontakt kam. Ich kenne Bilder von Funakoshi wo man sie sieht und auch von Motobu, Mabuni und Chibana. Es gibt allerdings auch Berichte von okinawanischen Lehrern, die nicht wollten, dass diese Methoden öffentlich gezeigt wurden.
Die "Nähe" zum Lehrer, sprich "wie oft und wie viel trainiere ich über welchen Zeitraum in einer Kleingruppe" ist letztendlich das Entscheidende. Man muss 2-3 Stunden am Tag, an 4-5 Tagen die Woche, über mind. 4-6 Jahre, in einer Gruppe mit maximal 8-10 (besser 2-6) Leuten, unter direkter Aufsicht eines Lehrers lernen, um die Shu-Stufe zu vollenden. Dann hat der Körper die Bewegungen und Prinzipien tief genug verinnerlicht. So sind jedenfalls die Erfahrungen in unserer "Linie". Weniger geht natürlich auch, dann kann man aber einfach bestimmte Dinge nicht.

Wenn ich mir all das angucke und mit dem vergleiche, was ich in den CMA bisher gesehen habe, dann "passt" das dazu, jedenfalls für mich.

Was ich in letzter Zeit aus der Richtung der JKA gehört habe passt auch dazu und ist auch ein weitere Baustein, der mich in dieser Theorie bestärkt. Spannnend wäre es für mich einmal sich mit Henning und Harada Sensei zu treffen um zu sehen wie deren Karate sich "anfühlt". Die sprachliche Vermittlung kann da durchaus differieren und dennoch das Gleiche meinen, das muss man halt "fühlen". Na ja, irgendwann habe ich auch mal mehr Zeit...

Grüße

Kanken