Endlich mal wieder etwas Zeit fürs Forum:
Ein Thema, das in letzter Zeit immer wieder aufkommt ist die Differenzierung zwischen Gesundheitstaiji, oft auch als "Hausfrauentaiji" bezeichnet, und Taiji als Kampfkunst.
Ich muss zugeben, ganz unschuldig an dieser Trennung bin ich nicht, habe ich mich früher ja auch oft über unzulängliches "Gesundheitsturnen" aufgeregt.
Und tatsächlich gibt es auch heute noch mehr als genug Kurse, in denen "sich alle lieb haben" und auf sanfte Weise gemütlich durch die Gegend wackeln, weil es ja so gesund ist.
Haltungsfehler oder so Mühsames wie Lösen, Sinken, Gelenke öffnen oder richtig gewichten sind dabei eher nebensächlich.
Aber das sind natürlich nicht alle.
In den Jahren, die ich inzwischen unterrichte, habe ich immer deutlicher festgestellt, wie wichtig für gutes und richtig ausgeführtes Taiji eine solide Basis ist.
Also von Anfang an Fangsong, Sturktur und Zusammenschlüsse zu entwickeln, den Körper korrekt auszurichten, richtig zu gewichten, aufzupassen, daß keine unnötigen Anspannungen den natürlichen Fluß oder die spontane Reaktionsfähigkeit beeinträchtigen, die Im-Körper-Wahrnehmung zu entwickeln etc.
In dieser Zeit war meine Erfahrung, daß die Basis für tatsächlich gesundes Taiji, das seine volle gesundheitliche Wirkung entfalten kann und die Basis für Taiji als Kampfkunst gleich sind:
Wer sich einfach nur irgendwie bewegt, um vom Sofa wegzukommen, kann nur einen Bruchteil des Gesundheitspotential von Taiji für sich nutzen und entfalten und riskiert im schlimmsten Fall sogar unnötige Belastungen oder Verschleiß, mentale Unausgeglichenheit u.a.
Ein "angehender Kampfkünstler", der nicht genug Geduld für langsame Basisarbeit, Fangsong und die innerkörperliche Warhnehmung aufbringt, wird irgendwann später an seine Grenzen stoßen, wenn es wichtig wird, daß innen und aussen sich ergänzen, Jinkraft sich entfalten kann und gegnerische Kraft nicht nur gefühlt, sondern durch weiche Spiraligkeit abgeleitet wird usw...
Letztendlich ist mein Fazit, daß richtiges Taiji nunmal richtiges Taiji ist und als solches sowohl gesundheitlich, als auch- mit einigem Ergänzugstraining und etwas mehr physischer Anstrengung- als Kampfkunst praktikabel ist. Während man im rein gesundheitsorientiertem Taiji Schrittbreite, Tiefe Intensität der Übungen etc. einfach etwas sanfter, aber in sonstiger Ausfürhung auch nicht anders anleitet.
(mal abgesehen davon, daß man spezielle Fajin- und Athletikübungen o.ä. weglässt.)
Die Trennung Hausfrauen- oder Gesundheitsaiji ist also nicht ganz richtig, es sei denn, man bezeichnet damit schlampige Ausführung unter Vermeidung jeglichem "Sich-Mühe-Gebens".
Ich habe hier bewusst etwas polarisiert, um auf das Thema aufmerksam zu machen und würde mich für Eure Erfahrungen und Meinungen dazu interessieren.
(Vielleicht sollte ich noch hinzufügen, daß ich mich auf das grundsätzliche Training beziehe; weiter fortgeschrittene "Kampfkünstler" werden natürlich intensiver und anders trainieren, als rein Gesundheitsorientierte, ebenso, wie man bei Kampfkunst-Orientierten von Anfang an das Grundlagen- und Formentraining entsprechend ergänzen kann)