Zitat von
WT-Herb
Hallo ThomasL,
die Verträglichkeit ist kein Widerspruch in dem von Dir dargestellten Aussagen. Die Anpassung findet allerdings ganz anders statt, als es der User Armin darzustellen versucht. Armin geht davon aus, dass ein System eine Technik verwendet und in Anpassung an die Situation die Technik dieser Situation gegenüber anpasst. Das mag in den meisten Systemen üblich sein. Im WT funktioniert das anders.
Es gibt im WT im Moment des Antwortens auf gegnerische Angriffsbewegung keine Technik. Es gibt ein konditioniertes !Verhalten!. Auf Grund dieses Verhaltens „entsteht“ durch das Bewegen des Gegners und des eigenen Bewegen „die“ Technik, die genau dem Augenblick beider Personen Bewegens entspricht.
Die Grundlage dafür sind die Prinzipien des Systems, welche das Bewegen gegenüber einem Angreifer regeln. Diese Prinzipien sagen nicht: Verwende Technik XY wenn Gegner mit Bewegung YZ angreift, sondern geben grundsätzliche Verhaltensweisen vor.
Die Bewegungen der Formen sind daher nicht als Techniken zu verstehen, sondern als Bewegungsübungen zur Konditionierung eines Bewegungsverhaltens. Man kann das am Beispiel eines simplen Angriffs verdeutlichen, der keiner üblichen Form entspricht, also als unbekannte Angriffsform ankommt. Es gibt aus dem Sortiment von Formenbewegungen, so man sie als fertige Techniken verstehen wollen würde, keine Antwort auf einen solch fremdartigen Angriff. Man müsst eine Entscheidung treffen (wofür in der Praxis gar keine Zeit verfügbar ist) welche Technik am ehesten passen könnte und müsste die Technik dann der unbekannten Form gegenüber anpassen.
Ein Problem dabei ist, dass die meisten Systeme genau das nie trainieren, sondern aus dem Segment eigener (vorgegebener) Angriffsformen sich bedienen, gegenüber die passenden Techniken vorhanden sind. Im traditionellem WT-Training ist das auch der Fall, wenn der TanSao, als Technik verstanden, gegenüber einem eng geführten zentralen Fauststoß eingesetzt wird. Weicht die traditionelle Angriffsform aber ab, indem vielleicht der Ellenbogen beim Fauststoß während des Angriffs raus wandert, funktioniert das Anwenden der fertigen Technikbewegung als TanSao nicht mehr. Auch ein Anpassen hat kaum Aussicht auf Erfolg.
Wird hingegen sich prinzipiell bewegt, ohne schon eine fertige Technik anwenden zu wollen, dann bewegt man sich gegenüber dem Bewegen des Gegners, ohne eine bestimmte Bewegung vorauszusetzen oder zu erwarten. Man bewegt sich „MIT“ dem Gegner, nicht „gegen“-über. In diesem Verständnis findet das Bewegen anders statt. Durch unmittelbar sich konkret anpassendes Bewegen entsteht ein gemeinsames Bewegen wie in einer Art Gestänge statt, welches keine Phasen von Entscheidungen beinhaltet, auf etwas „re“-agieren zu müssen. Das gemeinsame Bewegen ergibt in direkter Weise die Antwort auf das, was der Gegner in seinem Teil des Bewegens tut. Sein Bewegen ergibt die Bewegung der Antwort. Die Technik des Augenblicks ist Ergebnis dessen, was der Gegner durch sein Bewegen erzeugt.
Diese Fähigkeit ist Ziel des Systems WT und keineswegs schon gleich zu Beginn erreichbar. Daher findet das Training über verschiedene Phasen des Lernen statt. Zu Beginn wird tatsächlich noch „technisch“ gedacht und gearbeitet, damit der Schüler zunächst lernt, wie seine Bewegungen technische Lösungen liefert. Erst mit der Zeit verflüchtigt sich der Technikengedanke im Bewegen. Im zunehmenden Entdecken des an Prinzipien orientierten Bewegens können auch ganz neue Bewegungen entstehen, wenn eine gegnerische Bewegung entsprechend stattfindet.
Gruß, WT-Herb