Zitat von
itto_ryu
Ich stimme zu, das Buch von Cummins ist definitiv schlecht. Das bisher beste dazu, bleibt das von Hurstwic. Wie auch Roland Warzecha habe ich zumindest das Vertrauen, dass hier gewissenhaft mit den vorhandenen Möglichkeiten und verfügbaren Quellen gearbeitet wird.
Hm, Shorts (Hurstwic) Ansatz hat zwei große und ein kleineres Problem:
Erstens verkennt er (vielleicht absichtlich), dass es sich bei den Kampfszenen um erzählende Literatur handelt, nicht um Stellen aus Fechtbüchern. Die Szenen können vielfache Bedeutungen haben, die mit der möglichst realistischen Darstellung eines Kampfes gar nichts zu tun haben müssen - z.B. werden sie genutzt, um Charaktere näher zu definieren, oder über die Wiederholung von Mustern einen Text mit einem anderen zu verknüpfen. Insofern muss man erst jede einzelne Szene nach ihrem erzählerischem Gehalt befragen, bevor man irgendwelche Bewegungen aus ihr ableiten kann. Das macht Short aber nicht/fast nie.
Zweitens beträgt, wie von ThomasL bereits erwähnt, der zeitliche Abstand zwischen Niederschrift der Sagas und Wikingerzeit mehrere Jahrhunderte, dazu kommen mögliche weitere Veränderungen in den Abschriften. Es ist also ein bisschen so, als wolle man die Reit- und Bogenschießtechnik nordamerikanischer Indianer aus John-Wayne-Western der 60er Jahre rekonstruieren...
Drittens bin ich mir nicht sicher, wie gut Shorts Altisländisch ist. Wenn man mit den Texten arbeiten will, muss man sie im Original lesen können. Die gängigen Übersetzungen sind gerade in den Kampfszenen oft nicht sehr präzise. (Cummins schießt ja auch hier den Vogel ab, indem er gar nicht erst auf die Idee kommt, dass man in die Originale schauen könnte...)
Was sich aus den Sagas zeigen lässt, ist, dass die mittelalterlichen Isländer ein Verständnis dafür hatten, wie sich Menschen im Kampf bewegen, und dass sie die Fechtkunst für eine Fähigkeit hielten, die man lernen und trainieren konnte. Aber die Ableitung einzelner Techniken ist mit größter Vorsicht zu genießen, und der Übertrag auf die Wikingerzeit ist einfach nicht haltbar. Ich respektiere Shorts Engagement und die riesige Arbeit, die er in sein Projekt steckt. Aber irgendwie wäre es besser, wenn deutlich weniger "so war es damals" bei ihm mitschwingen würde.
Anders gesagt: Wer sich sein Schwert-und-Schild-System aus der italienischen Fechtkunst, den FMA oder CMA ableitet, ist damit genau so authentisch (oder eben nicht) wie z.B. Hurstwic.
Technisch gefällt mir das Video von dem Kung-Fu-Mann besser als das von der Academy. Ich versuche auch eher, den Schild als "Türöffner" zu benutzen, weniger zur reinen Deckung. Das man im Freikampf letzteres auch oft braucht, ist klar.
Si vis pacem, para pacem.