Zitat von
FireFlea
So, bin wieder im Lande und wie vor einiger Zeit versprochen berichte ich mal über meine Shodan-Prüfung am vergangenen Wochenende. Die Prüfung fand vom 25.-27.September in Wadowice/Polen (die Geburtsstadt von Pabst Johannes Paul) in der Nähe von Ausschwitz statt. Als Prüfer fungierte Nidaime Akira Nakamura (5.Dan - der Sohn des Seido Gründers Kaicho Tadashi Nakamura), welcher für die Prüfungen aus dem New Yorker Honbu Dojo angereist war. Insgesamt traten 17 Prüflinge (14 Jungs und 3 Mädels) zur Prüfung zum Shodan an, außerdem noch 3 Anwärter zum Nidan und 4 zum Sandan. Darunter waren aus Deutschland neben mir noch ein weiterer Shodan Prüfling und ein Nidan Prüfling angereist. Die Prüfung stellte eine (oder auch gleich mehrere) Premieren dar. Für Nidaime Akira war es die erste Danprüfung, die er eigenverantwortlich abgenommen hat; bisher unterstützte er seinen Vater bei den Danprüfungen im Honbu Dojo. Weiterhin bin ich der erste Schüler meines Lehrers, der zu einer Danprüfung angetreten ist und wir drei waren die ersten Danprüflinge aus Deutschland, die nicht direkt bei Kaicho Nakamura geprüft wurden. In gewisser Weise war es ein glücklicher Umstand für mich in so einem Rahmen den Shodan Test zu absolvieren; Honbu Studenten „genießen“ eine Prüfungsphase von einem Monat und wenn ausländische Seido Karateka Prüfungen im Honbu absolvieren, bleiben sie in der Regel für eine intensive Woche in New York. Doch nun zur eigentlichen Prüfung…
Sehr wichtig war es für Nidaime Akira seine Schwarzgurtanwärter näher kennen zu lernen. Bereits mit der Anmeldung zum Schwarzgurt ist es obligatorisch, einen 2-3 seitigen Aufsatz einzureichen, in dem man über sich und seinen Karatehintergrund berichtet. Direkt vor Beginn der Prüfung hat uns Nidaime Akitra in einem kleinen Klassenraum der Turnsporthalle versammelt und eine Ansprache gehalten um uns die Nervosität zu nehmen. Er sagte jeder könne bereits Stolz sein soweit gekommen zu sein und wir sollten vor allem als Gruppe zusammenhalten und uns bei den Prüfungen stets gegenseitig unterstützen und zusammenwachsen, falls jemand scheitere sei dies auch ein Versagen der ganzen Gruppe. Auch sei es völlig normal, dass Fehler passieren, was nicht schlimm sei; man solle vor allem einen guten „Spirit“ bewahren. Dann sollte sich jeder den anderen kurz vorstellen und sein augenblickliches Gefühl beschreiben. Die erste eigentliche Prüfungseinheit am Freitag Abend bestand aus 2-3 Stunden Techniktraining. Neben den Schwarzgurtanwärtern absolvierten auch einige Kyugrade ihre Prüfungen. Es wurden vor allem Technikkombinationen und ein paar Partnerübungen und Kata absolviert. Zum Abschluss der Kyuprüfungen hatten die Kyugrade noch ihre Kämpfe, in denen einige Schwarzgurtanwärter (auch ich) als Sparringspartner aushalfen. Es wurde noch einmal extra betont, dass es die Kämpfe für die Kyugrade waren und die Schwarzgurtanwärter sich daher zurückhalten sollten. Dann wurden etwa 20 Kämpfe mit leichtem bis mittlerem Kontakt absolviert, woraufhin die Kyugrade ihre Prüfungen abgeschlossen hatten.
Samstags morgens ging es dann an das Blind-Training, das zu jeder Schwarzgurtprüfung mit dazu gehört. Jedem Prüfling wurden die Augen verbunden und in 5er Gruppenging es in die Stadt. Auf dem Marktplatz (wurde mir jedenfalls erzählt, aus meiner „Sicht“ hätte es überall sein können) wurden blind Technikkombinationen und Partnerübungen durchgeführt; die höheren Dangrade mussten auch Kata mit verbundenen Augen zeigen. Nachdem wir zurück in der Halle waren wurden Kata und Technikkombinationen geprüft.
Es folgte ein längerer rhetorischer Teil, wo jeder Prüfling vor der Prüfungskommission und den anderen Prüflingen sich noch einmal etwas ausführlicher Vorstellte und seine Gedanken über die Prüfung, Karate, seinen augenblicklichen Gemütszustand oder was ihm gerade einfiel äußerte. So lernte jeder die anderen besser kennen und es konnten auch Fragen gestellt werden.
Der letzte und anstrengendste Teil der Prüfung erfolgte Samstags abends und bestand aus einer 1,5 Stunden andauernden Sparringseinheit. Zum Aufwärmen wurde Yakusoku Kumite mit voller Kraft und Geschwindigkeit (was meiner Meinung nach noch anstrengender als ein Kampf ist) durchgeführt, bevor es an die richtigen Kämpfe ging. Ich weiß nicht mehr wie viele Kämpfe ich absolvierte; nach zwei Kämpfen wurde immer einmal pausiert und gegen Ende gab es dann keine Pausen mehr und die Kämpfe wurden etwas verlängert (noch 10 Sek. mehr, noch 30 Sek. mehr etc.). Im Gegensatz zu den Kyu-Kämpfen war harter Kontakt erlaubt; besonders wenn Kyoshi Bogdan Czapla aus Polen in der Nähe war hieß es immer „full contact“ oder „full power“. Im Großen und Ganzen war es auch sehr stark partnerabhängig, etwa die Hälfte meiner Kämpfe war eher Technik betont, während es in der anderen Hälfte ums Überleben ging und man sich einen harten Schlagabtausch lieferte. Irgendwann hieß es dann „letzter Kampf“. Mein letzter Partner war bereits in den 50ern und körperlich völlig am Ende, der betreuende Senpai bedeutete mir bereits mich etwas zurück zu halten, aber er entwickelte noch einmal einen unglaublichen Kampfgeist und versetzte mir einige harte mae-geri in den Magen. Genau dieser „Spirit“ ist auch der Sinn der Prüfung. Einer der anderen deutschen Prüflinge (naja eigentlich ist er ein Australier der sich gerade in Deutschland aufhält) ist in dieser Hinsicht besonders zu erwähnen. Er ist 42 und leidet an einem Gehirntumor, der ihn auch teilweise lähmt und körperlich einschränkt. Trotzdem hat er genau die gleiche Prüfung abgelegt und alles mitgemacht wie alle anderen. Wenn man als junger und körperlich fitter Mensch schon total ausgepumpt ist kann man die Leistung von ihm nur erahnen. Das ist echter Spirit! Nach dem Ende des letzten Kampfes verkündete Nidaime Akira, dass jeder seine Prüfung erfolgreich bestanden habe. Manche hätten Schwächen in der Technik, manche Schwächen sich rhetorisch auszudrücken und manche hätten Schwächen beim Kämpfen. Jeder sei in einigen Bereichen stark und in anderen schwach, die Prüfung hätte uns genau diese Bereiche aufgezeigt und so könnten wir weiter daran arbeiten unsere Schwächen zu verbessern.
Am folgenden Tag wurden die Gürtel überreicht. Da es bei mir ein Problem mit der Bestickung gab, habe ich vorrübergehend einen anderen Schwarzgurt erhalten und bekomme meinen mit Namen etc. noch aus dem Honbu zugeschickt. Am Mittag ergab sich beim Blackbelt Dinner noch die Gelegenheit, die anderen frischgebackenen Shodan und Nidaime Akira besser kennen zu lernen.