...Forschende am Londoner King's College gehen davon aus, dass nach Covid-19-Erkrankungen häufig kognitive Defizite auftreten könnten. Zuvor hatten sie die Ergebnisse von 84.285 Intelligenztests ausgewertet. Dabei schnitten Teilnehmende, die an Covid-19 erkrankt waren, signifikant schlechter ab – auch nach leichten Verläufen. Die Ergebnisse liegen derzeit als vorveröffentlichte Studie vor und werden noch von unabhängigen Forschenden überprüft (medRxiv: Hampshire et al., 2020, Preprint). Wie aber lassen sich die vorläufigen Ergebnisse erklären?...
orschende fanden heraus, dass das Coronavirus Gefäßinnenwände angreifen kann und die Bildung von kleinen Blutverklumpungen begünstigt. Rauschen diese entlang der Gefäße ins Gehirn, können sie kleinere Äste verstopfen und einen Schlaganfall auslösen (Journal of Thrombosis and Thrombolysis: Fan et al., 2020).
Komplizierter gestaltet sich die Frage, was bei einer Infektion im Gehirn selbst passiert. Schon länger ist bekannt, dass bestimmte Erreger, darunter auch Coronaviren, ins zentrale Nervensystem einwandern können (Advances in experimental biology and medicine: Desforges et al., 2014). Es wäre also denkbar, dass auch das jetzige Coronavirus ins Gehirn gelangt und dort Nervenzellen schädigt. Um das zu überprüfen, haben Pathologinnen und Pathologen am Hamburger Universitätsklinikum (UKE) 43 Gehirne von Verstorbenen, die Covid-19 hatten, genau untersucht. Tatsächlich fanden sie das Virus in etwa jedem zweiten Gehirn (Lancet: Matschke et al., 2020). "Man geht aktuell davon aus, dass die Viren entlang von Nervenfasern, entweder über den Riechnerv oder ausgehend von der Lunge, ins Gehirn einwandern können", erklärt Christian Gerloff, einer der Autoren der Studie und Direktor der Neurologie am UKE. ...Vielfältige neurologische Symptome, wie sie zum Beispiel in New York beobachtet wurden, ließen sich damit alleine nicht erklären. ...Etwas anderes fällt bei den Patienten und Patientinnen, die in Hamburg untersucht wurden, auf: In vier von fünf Gehirnen finden sich in Gewebeproben unter dem Mikroskop fast überall aktivierte Immun- und Entzündungszellen – auch dort, wo eigentlich gar kein Virus vor Ort ist.
Das spricht für eine anderen Mechanismus, der schon häufiger im Zusammenhang mit Covid-19 beschrieben wurde: Ein Überreaktion des körpereigenen Immunsystems. Übereifrige Immunzellen und Botenstoffe könnten Nervenzelle im Gehirn beschädigen. Dort wirken die Entzündungsprozesse auf umliegendes Gewebe zudem wie ein dauerhaftes Störsignal. ...Wie häufig die Denk- oder Konzentrationsstörungen nach durchgemachter Covid-19-Erkrankung insgesamt vorkommen und ob es gewisse Risikofaktoren gibt, lässt sich derzeit nicht beantworten. I
Eine Analyse von Forschenden aus den USA zeigt, dass die Fälle aus Jena und Hübner keineswegs alleine stehen. Sie untersuchten, ob in den ersten drei Monaten nach überstandener Coronavirus-Infektion psychische Erkrankungen auftraten, und werteten dazu die Daten von mehr als 60.000 Infizierten aus – mit einem beunruhigenden Ergebnis. Gut 18 Prozent wurden im Beobachtungszeitraum psychiatrisch auffällig, 5,8 Prozent betraf es in ihrem Leben zum ersten Mal. Am häufigsten entwickelten Betroffene Angststörungen, Schlafstörungen oder depressive Verstimmungen (The Lancet: Taquet et al., 2020).
Aber ist wirklich der Virus selbst daran schuld? Ganz genau lässt sich das nicht sagen. Wahrscheinlich sei ein Zusammenspiel aus Umweltfaktoren und der Biologie, erklärt Stefan Borgwardt, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) in Lübeck. "....