Zitat von
Lugasch
Moin,
das hier soll so eine Ist-Stand-Erhebung und Anstoß zum Rumphilosophieren sein und zwar über ein Paar in der (KK)Welt verbreitete Annahmen, die ich zwar sympathisch finde, die mir aber mittlerweile so oft in Erzählungen begegnet sind und so wenig im echten Leben, dass es mir mittlerweile dünkt, es würde sich eher um Bias'e und urban legends handeln.
So auf Anhieb werfe ich mal zwei Aussagen in den Ring:
Der Kampf gegen sich selbst ist der schwerste Kampf.
und
Die Veteranen schweigen über ihre Erlebnisse, bzw. prahlen nicht damit.
Beides oft gehört.
Beides kommt mir mittlerweile als zweite Reifestufe vor, in der die Leute hängen bleiben.
Also Stufe 1: ich kämpfe, gewinne und prahle (nutze den Gewinn um meinen Status zu festigen).
Stufe 2: ich bin erfahren genug, habe einen festen Status und muss nicht mehr prahlen (oder gar kämpfen).
Was?
Das scheinen mir doch erst mal Aussagen ohne moralische Wertung.
Du scheinst mir in der Stufe festzuhängen, eine moralische Stufenleiter erklimmen zu müssen...
Zitat von
Lugasch
Bei der Stufe 2 könnte es sich allerdings um eine Einbildung handeln - man ist gar nicht so reif, sondern gibt es nur vor, um seinen Status weiter zu festigen - also sieht her, ich bin so erfahren und so bad ass, dass ich damit nicht mehr prahlen muss, ist das goil oder was?
Wenn Du von irgendwelchen Erfahrungen erzählst, dann erfahren die anderen nicht, dass Du irgendwelche Erfahrungen hast.
Was hat das dann mit "seht her" zu tun?
Wenn Du mit Erfahrungen prahlst, dann bedeutet das, dass Du die als etwas Besonderes ansiehst, was eventuell Ausdruck Deiner Unerfahrenheit ist.
Das hängt doch auch vom Umfeld ab.
Ein 13-Jähriges Mädchen, dass zum ersten Mal Geschlechtsverkehr hatte, kann damit in Ihrer Peergroup vielleicht prahlen (zumindest früher)
Aber kann das eine 30-Jährige Sexdienstleisterin?
Auf einer Meierei
Da war einmal ein braves Huhn,
Das legte, wie die Hühner thun,
An jedem Tag ein Ei
Und kakelte,
Mirakelte,
Spektakelte,
Als ob’s ein Wunder sei!
Es war ein Teich dabei,
Darin ein braver Karpfen sass
Und stillvergnügt sein Futter frass,
Der hörte das Geschrei:
Wie’s kakelte,
Mirakelte,
Spektakelte,
Als ob’s ein Wunder sei!
Da sprach der Karpfen: "Ei!
Alljährlich leg’ ich ’ne Million
Und rühm’ mich des mit keinem Ton;
Wenn ich um jedes Ei
So kakelte,
Mirakelte,
Spektakelte -
Was gäb’s für ein Geschrei!"
Zitat von
Lugasch
Klar gibt es Leute, die die echte Stufe 2 erreicht haben, aber die die mir begegnet sind, kann ich an einer Hand abzählen.
Dir sind Leute begegnet, die Erfahrungen gemacht haben, über die sie schweigen?
Woher weißt Du dann, dass die solche Erfahrungen gemacht haben?
Zitat von
Lugasch
Und wie viel ist an den Aussagen selbst sinnvoll? Wenn jemand den Krieg erlebt hat und davon mit viel schwarzem Humor erzählt oder vielleicht damit prahlt - ist er dann ein schlechter Veteran? Ein schlechter Krieger? Ein schlechter Mensch?
Nein, das ist jemand, der den Krieg erlebt hat und damit prahlt.
Prahlen ist ja was anderes, als davon sachlich oder vielleicht mit einer gewissen Selbstironie zu berichten.
Wenn einer erzählt, dass er unbewaffnet zehn Angreifer niederstreckte ohne seine Frisur zu beschädigen,
ist das was anderes, als wenn einer berichtet, dass er mit mehr Glück als Verstand aus einer brenzligen Situation rausgekommen ist und sich dabei in die Hosen geschissen hat.
Zitat von
Lugasch
Und wie sähe die Stufe 3 aus?
Das musst Du wissen, das ist doch Deine Stufeneinteilung.
Zitat von
Lugasch
Und was ist an diesem Kampf gegen sich selbst (um dem Kampf aus dem Weg zu gehen)?
Ich habe ja in dem anderen Thread schon die Vermutung geäußert, dass es ein neues Phänomen ist und aus einem "Überfluss" an Zivilisation entstand - früher hat sich die Frage schlicht nicht gestellt (Taktisches Vermeiden, weil man verlieren würde, ausgeschlossen).
Dass der schwerste Kampf, der gegen sich selbst sei, kenne ich nicht als Ausrede, einem Kampf aus dem Weg zu gehen.
In Teilen des Islam gibt es den Begriff des "größeren Dschihad".
Einzelne schiitische Theologen der klassischen Zeit unterschieden zwischen dem sogenannten größeren Dschihad im Sinne eines spirituellen Kampfes gegen innere Gelüste und dem kleineren Dschihad im Sinne einer militärischen Konfrontation gegen einen äußeren Feind. Das ist auch die Grundlage der nichtmilitärischeren Aspekte der Dschihad Pflicht gegenwärtiger muslimischer Autoren, als auch muslimischer Asketen und Mystiker.
https://christachorherr.wordpress.co...eine-dschihad/
Gibt es auch in anderen mystischen Lehren:
Wer andre kennt, ist klug.
Wer sich selber kennt, ist weise.
Wer andere besiegt, hat Kraft.
Wer sich selber besiegt, ist stark.
Wer sich durchsetzt, hat Willen.
Wer sich genügen läßt, ist reich.
Wer seinen Platz nicht verliert, hat Dauer.
Wer auch im Tode nicht untergeht, der lebt.”
laotse