Zitat von
period
Na ja, da würde ich auch nur begrenzt mitgehen… wobei vieles wiederum eine Frage der Perspektive ist. Wenn Du a priori definierst, dass sich die Struktur aus der Gesamtheit dessen ableitet, was man im Training macht, dann ist das sehr lose gefasst und verändert sich auch nicht. Ich hätte es eher so definiert, dass wenn ich jemandem meine Biomechanik und taktischen Ziele zum Zeitpunkt X erklären will (ggf. auch in einem anderen Kontext/Regelwerk, das vielleicht einen ganz anderen Bodenkampf hat oder gar keinen), das meine Struktur ausmacht. Ich denke, ich sehe das so, weil ich viel zwischen verschiedenen Regelwerken hin- und hergewechselt habe (und man mir auch wiederholt nachgesagt hat, dass ich diesbezüglich Chamäleon-artige Züge habe).
Die Definitionen von «aufrecht» oder «fest zupacken» könnte man ebenfalls differenzieren – im Greco ist der Oberkörper z.B. häufig sehr aufrecht, zum Teil sogar in Rücklage, nur eben nicht bei durchgestreckten Beinen, und am härtesten zugepackt wird im Ringen am Boden, bzw. dann wenn man die Hände schliessen kann (oder wenn man heimlich die Finger in die Mangel nimmt, oder eine Speckfalte am Bauch). Daher ist die Vergleichbarkeit zum Judo nur partiell gegeben, auch aufgrund der sonstigen Unterschiede im Regelwerk – wenn man die Auswirkung vom Gi weiter losgelöst vom technischen Repertoire beurteilen will, würde sich eher Sambo anbieten. Ach ja, und was die Schultern angeht – nach hinten hochgezogen werden wie tatsächlich in der Regel nicht, nach vorne allerdings je nach Schule durchaus mal. Ähnliches gilt für die Beinarbeit, manche Schulen stehen sehr «nervös» und versuchen, mit den Füssen zu fintieren, andere stehen eher stabil und verschwenden keinen Schritt. Manche bleiben konsequent in ihrer Auslage, ausser sie greifen an, andere sind "Switchhitter" und wechseln laufend die Auslage.
Sprich, wenn Du versuchst, aus den Ringern, mit denen Du Kontakt hattest, abzuleiten, wie etwas «im Ringen» gemacht wird, dann werden die Schlussfolgerungen zwangsläufig Lücken haben und wären auch nicht viel belastbarer als wenn ich von einer Taiji-Schule auf eine andere schliessen wollte. Erinnert mich ein bisschen an die Frage, wie Ähnlichkeiten und Unterschiede in Familien gesehen werden – jemand von aussen kommendes sieht in der Regel die Ähnlichkeiten, jemand in der Familie dagegen primär die Unterschiede…
Ich würde eher sagen «Der Kontext determiniert die Struktur (unter Berücksichtigung der individuellen Bewegungs-Biographie)». Der Kontext wären dann Regelwerk, Umstände, Gegner, Situation, die eine gewisse Bandbreite von sinnvollen Verhaltensweisen bedingen, aber eben klar eine Bandbreite. Wenn die Parameter eindeutig definiert sind, dann werden sich tendenziell allgemein klarere Präferenzen herausbilden als wenn der Kontext loser definiert ist. Klar kann man versuchen, ungeachtet des Kontextes an einer antrainierten («biographischen»), aktuell aber unpassenden Struktur festzuhalten, aber optimal ist das halt nicht zwingend… Die Struktur zu modifizieren und zu optimieren ist dagegen ein anderes Thema, das kann z.T. überraschend gut klappen.