...Bisherige klinische und epidemiologische Studien zu Long COVID
zeigen mit großer Übereinstimmung, dass Long COVID auch nach einem milden oder symptomarmen Verlauf einer SARS-CoV-2-Infektion auftreten kann. Nach bisherigen Erkenntnissen steigt das Risiko für Long COVID jedoch mit dem Schweregrad und der Anzahl der Symptome während der akuten COVID-19-Erkrankung. (European Centre for Disease Prevention and Control 2022; Nittas et al. 2022; Yuan et al. 2023).
Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass auch eine Reihe von vorbestehenden Erkrankungen und Gesundheitsrisiken das Risiko für Long COVID erhöhen. Beides ist sowohl für Erwachsene (Notarte et al. 2022; Thompson et al. 2022) als auch für Kinder und Jugendliche (Behnood et al. 2022; Morello et al. 2023; Zheng et al. 2023) beschrieben. Darüber hinaus gibt es Hinweise darauf, dass sich das Risiko für Long COVID je nach Virusvariante (Fernández-de-Las-Peñas et al. 2022; Morello et al. 2023) sowie nach Impfstatus unterscheidet (Byambasuren et al. 2023; Gao et al. 2022). Analysen von Versichertendaten aus den USA zeigen, dass Reinfektionen das Risiko für akute wie postakute gesundheitliche Folgen einer SARS-CoV-2-Infektion – unabhängig vom Impfstatus der Betroffenen – erhöhen können (Bowe et al. 2022). Eine Befragung aus dem Vereinigten Königreich zeigt jedoch auch, dass das Risiko Long COVID zu entwickeln nach weiteren SARS-CoV-2-Infektionen abnehmen könnte (Office for National Statistics (ONS) 2023).
Bei Menschen, die bereits von Long COVID betroffen sind, scheint eine Reinfektion die Symptome zu verschlimmern. In einer von den britischen Wohltätigkeitsorganisationen Long COVID Kids und Long COVID Support durchgeführten Umfrage unter fast 600 Personen mit Long COVID berichteten 80 %, dass eine Reinfektion zumindest einige ihrer Symptome verschlimmerte oder neue Symptome hinzugekommen waren (Long COVID Support/Long COVID Kids 2022).
Weitere Unterschiede hinsichtlich des Risikos an Long COVID zu erkranken zeigen sich nach Alter und Geschlecht (Notarte et al. 2022; Tsampasian et al. 2023). So scheinen Erwachsene im jüngeren Lebensalter häufiger von Long COVID betroffen zu sein als Kinder und Jugendliche sowie ältere Menschen (Global Burden of Disease Long COVID Collaborators 2022).
Darüber hinaus ist übereinstimmend in vielen Studien beobachtet worden, dass Mädchen und Frauen häufiger von Long COVID betroffen sind als Jungen und Männer (Chen et al. 2022; Global Burden of Disease Long COVID Collaborators 2022; Tsampasian et al. 2023; Zheng et al. 2023). In Studien wird dieser Unterschied häufig mit den geschlechtsspezifischen Unterschieden des Immunsystems und der Autoimmunreaktionen (stärker bei Frauen als bei Männern) begründet. Jedoch gibt es auch epidemiologische Studien, die keine oder nur geringe Unterschiede zwischen den Geschlechtern zeigen (z.B. aus Israel und den USA). Darüber hinaus besteht weiterhin Forschungsbedarf zu geschlechtsspezifischen Unterschieden hinsichtlich der verschiedenen mit Long COVID assoziierten Symptome, ihrer Intensität, Dauer und zu den damit verbundenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Alltag. Dabei sind auch mögliche Wechselwirkungen zwischen Geschlecht und anderen Risikofaktoren für Long COVID zu berücksichtigen (z.B. Schwere des Krankheitsverlaufes, Impfstatus oder vorbestehende Krankheiten). Zusammenhänge des Risikos für Long COVID mit dem sozialen Status oder sozialräumlicher Deprivation wurden in mehreren Studien beobachtet. Allerdings ist die Datenlage nach wie vor eingeschränkt und die Befunde sind sehr heterogen (Thompson et al. 2022; Whitaker et al. 2022). Zusätzlich sollten zukünftige Studien soziale Determinanten wie Lebens-, Wohn- und Arbeitswelt als mögliche Risikofaktoren von Long COVID berücksichtigen (wie z.B. sozioökonomischer Deprivation), um Hochrisikogruppen zu identifizieren (Subramanian et al. 2022)...