Der Sachverhalt, wie es zu dem übergriffigen Verhalten der Frau kommt, wurde ja nur dünn beschrieben. Wenn es so gewesen ist, kann man sich natürlich zur Wehr setzen. In dem Paragraphen der Notwehr steht ja nichts vom Alter drin, sondern nur, daß ein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff abgewehrt werden darf. Jetzt kommt das große Aber! Im § 32 StGB ist insbesondere auch die Verhältnismäßigkeit, bzw. Verhältnismäßigkeit der Mittel gefordert. Ist dieses Tatbestandsmerkmal nicht erfüllt, bzw. steht die Abwehr zum hier geschilderten Angriff nicht im Verhältnis, hat man die Notwehr eindeutig überschritten.
In der vorliegenden Schilderung wäre es wahrscheinlich angebracht gewesen, die Frau vor die Tür zu setzen, oder die Polizei zu rufen, um das Hausrecht durchzusetzen, wenn man sich selbst nicht in der Lage sieht, das in Eigenständigkeit zu tun. Hätte man im vorliegenden Fall gleich zugelangt, würde man sich nicht auf Notwehr berufen, da man sicherlich davon ausgeht, daß man dieser Frau aufgrund des Alters und körperlichen Voraussetzungen wahrscheinlich weit überlegen wäre. Hätte man der eine geleuchtet, würde es zu einer Anzeige kommen. Man würde bei einer möglichen handgreiflichen Abwehr selbst eine Anzeige gefangen. Und wenn dann noch von der Staatsanwaltschaft öffentliches Interesse angenommen wird, dann ist das auf einmal keine Notwehrhandlung mehr, sondern eine Körperverletzung gegen die ältere Frau.
Auch wenn es einem schwerfällt und es einem tierisch gegen den Strich geht, ist es manchmal besser, sich einfach herumzudrehen und zu gehen, oder sich sonst irgendwie aus der Situation zu nehmen.
Geändert von Schnubel (22-04-2024 um 08:21 Uhr)
Juristen verstehen unter dem Begriff Verhältnismäßigkeit etwas anderes. Dazu hat "Luggasch" vor Ewigkeiten einen schönen Beitrag geschrieben, der bis heute in den gepinnten Themen zu finden ist
https://www.kampfkunst-board.info/fo...a-Recht-und-SV
Geändert von Gast (22-04-2024 um 09:58 Uhr)
ja, "verhältnismäßigkeit" wird nicht verlangt, nur das für einen persönlich geringste notwendige mittel, um einen gegenwärtigen angriff zu beenden. das ist ein feiner, aber wesentlicher unterschied. so können faustschläge von einem hulk im psychotischen wahn gegen einen gesundheitlich geschädigtes leichtgewicht derart in eine fast aussichstlose lage bzgl. der möglichkeit bringen, den gegenwärtigen angriff "verhältnismäßig" (ebenfalls auf dem gewaltlevel "faustschläge") zu beenden, dass für den angegriffenen nur noch der einsatz einer waffe übrig bleibt, um die lebensbedrohliche lage zu beenden. waffe steht nicht im ausgeglichenen verhältnis zu faust, ist aber das mittel, das notwendig ist, um den gegenwärtigen angriff zu beenden. ein "softeres" mittel steht, angesichts der aggressivität und des lebensgefährliche verletzungen in kauf nehmenden oder gar beabsichtigenden angriffs auf einen völlig unterlegenen, nicht zu verfügung. rein theoretisch ist das also vor gericht immer noch notwehr. schwierig ist natürlich immer, glaubhaft zu machen, warum das gewählte mittel das war, das wirklich notwendig zum beenden des angriffs war. im genannten beispiel wäre das zb. der nachweis der gesundheitlichen einschränkung, die besondere gefahren mit sich bringt, sollte es zu verletzungen kommen und die klare körperliche unterlegenheit, sowie der bezeugte oder vom gericht sonstwie als gegeben angesehene wille des angreifers großen schaden anzurichten.
... so in etwa...
Geändert von amasbaal (22-04-2024 um 12:15 Uhr)
"I prefer them to be awake when I severe their arms and beat them to death with it." Maul Mornie und sein Verhältnis zu k.o.s
Kannix, 24.06.2010, 14:17 Uhr: "Also ich hab noch oben ein Luftgewehr, ganz normal. Bei Katzen jedenfalls gibts keine sichtbaren Verletzungen"
Dazu gibt es ja haufenweise Urteile, die eindeutig belegen ... das dies nicht eindeutig ist
Spaß beiseite: Wichtig ist halt, dass § 32 StGB keine Verhältnismäßigkeit kennt. Es gibt also keine Abwehr A, die als angemessen für Angriff A gilt. Die Ohrfeige als Verteidigung kann bei einer 50-Kilo-Frau als Notwehr durchgehen, bei einem 120-Kilo-Brecher aber nicht. Und wenn die 50-Kilo-Frau eine eisenharte britische Bare-Knuckle-Kämpferin ist, gilt die Ohrfeige wieder nicht als angemessen. Da gilt tatsächlich, wer sich wie gegen wen verteidigt.
Umgangssprachlich bezeichnet man das als Verhältnismäßigkeit, aber der Begriff ist falsch und führt zwangsläufig zu falschen Schlüssen.
Übrigens: Die Aussage des Bahnmitarbeiters, dass man nicht eingreifen dürfe (!), ist natürlich kompletter Unsinn. Es ist sinnvoll, solche Sachen der Polizei zu überlassen. Aber Notwehr und Nothilfe sind an der Stelle sehr deutlich. Jeder darf sich selbst und andere verteidigen.
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