Hallo,
richtig, die Nakano-Schule für Militär gehörte zu den Militärschulen, an denen Mitglieder des Shōtōkan Karate-Unterricht gaben. S. Egami (1912–1981) und T. Okuyama (1918–2006) waren dort nacheinander als Lehrkräfte beschäftigt. Ein, zwei Karateka aus dem Shōtōkan, die in jener Zeit ihren Militärdienst leisteten, wurden auch an diese Schule versetzt, um dort in der Verwaltung u. ä. zu arbeiten. In
Band I, S. 162 f. und S. 171 f., schreibe ich ein wenig über den dortigen Karate-Unterricht und den Einfluss, den dieser Unterricht damals auf die technische Entwicklung des Shōtōkan-Ryū hatte (Ausführlicheres soll meinerseits „irgendwann“ folgen). G. Funakoshi selbst wurde wohl von seinen Schülern abgeraten, diese Lehrstelle anzunehmen.
Die Frage nach einer Vereinnahmung von Karate durch das Militär ist schwierig, weil es kein einheitliches Karate, dafür aber verschiede militärische Einrichtungen gab. Für eine Arbeit von mir, die ich „irgendwann“ mal veröffentlichen möchte, vergleiche ich die technischen Inhalte einer waffenlosen Kampfform, die an einer der Militärschulen gelehrt wurde, mit G. Funakoshis Karate und zeige, dass es sich um eine Art vereinfachte Nachahmung handelt, die nicht mehr als „Karate“ bezeichnet wird. An der Nakano-Schule war Karate rein von der Unterrichtszeit her sehr begrenzt und wurde nur echten Karate-Lehrern geleitet, so dass es nicht „vereinnahmt“ werden konnte.
Beim Militär selbst starben viele Karateka im Einsatz, worüber G. Funakoshi, aber auch einige Schüler von ihm klagten. D. h. sie fanden es nicht berauschend oder heldenhaft … Ein Karateka und Schüler von G. Funakoshi, der an der Nakano-Schule für Militär arbeitete, erhielt nach dem Krieg einen Orden einer ausländischen Regierung, weil er eine Truppe ausgebildet hatte, die dafür sorgte, dass die Kolonialherrschaft in ihrem Land beendet wurde. Andere, die dort als Karate-Lehrkräfte arbeiteten, waren in ihrem Training nicht zimperlich … Mit anderen Worten sind Pauschalaussagen zu dieser Frage nicht möglich.
Grüße,
Henning Wittwer