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Thema: Morallehre im Karate der Gegenwart

  1. #1
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    Standard Morallehre im Karate der Gegenwart

    Hallo,

    gibt es heutzutage Karate-Vereine, -Schulen, -Gruppen, in denen die Morallehre einer Karate-Strömung als Bestandteil erachtet und aktiv innerhalb oder am Rande des Trainings unterrichtet bzw. besprochen wird? Falls ja, in welcher Form geschieht das genau?

    Diese Frage bezieht sich auf schriftlich oder mündlich überlieferte Morallehre, d. h. beispielsweise den moralischen Aspekt des Lehrsatzes „Karate ni Sente nashi“, verschiedene „Dōjō-Kun“ usw.

    Grüße,

    Henning Wittwer

  2. #2
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    Standard

    Im Goju-Ryu (IOGKF) wird die Dojo-Kun auf japanisch und deutsch rezitiert, immer am Ende des Trainings. Und dann auch während der Trainings an passender Stelle auf einzelne Aspekte verwiesen.
    Bei Prüfungen sind die Inhalte dazu Prüfungsrelevant. Also man muss sie kennen und die Bedeutung wiedergeben können.

    Geändert von Kensei (05-10-2025 um 18:12 Uhr)

  3. #3
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  4. #4
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    Ich war in einigen asiatischen Länder und dortigen KK-Schulen.
    Das hat da niemand interessiert.
    Und auch niemand praktiziert. (Wenn dann nur sowas in Richtung National"stolz", aber das ist ein anderes Thema.)

    Ich kannte das nur aus der - später so bezeichneten - deutschen Budo-Romantik.

    Und dann Sprüche (wie der Mann in weiß oben) in japanisch zu zitieren.
    Finde ich befremdlich...

    Wird wohl auch heute als "kulturelle Aneignung" gesehen.
    Und bald verdammt.

  5. #5
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    Ich war in einer solchen Gruppe, wo man am Anfang und am Ende Respekt, Höflichkeit und Reinlichkeit als Hauptdojokun aufsagen...und das auf japanisch. Das erschien geradezu lächerlich...wenn die Leute sich auf was japanisch daher gesammelt haben.
    Die Regeln stammen zwar von einem okinawanischen Meister...Doch er selbst lässt die Regeln nicht aufsagen. So etwas bringt nur ein Deutscher fertig...der sich selbst nicht an diese Regeln hält.
    Grundsätzlich habe ich nichts gegen eine Dojokun....wenn man danach auch wirklich lebt und sich an die Regeln hält. Aber das nur runterzubeten...ist für mich eine Lüge und nicht vertretbar. Das ist dann eine fruchtlose Blase von Budoromantik. In der westlichen Welt machen das viele und glauben so was besonderes für die Leute zu machen. In einigen Dojos auf Okinawa gibt es den Laberkram nicht.

  6. #6
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    Hallo,

    es ist nicht meine Aufgabe, Erwachsene Leute in Ihrer (und meiner) Freizeit zu erziehen. Meine Ego ist auch bei Weitem nicht groß genug dafür.

    Und "Karate ni sente nashi", so wie es heute meist aufgefasst wird (nämlich: Warte bis die gegnerisch Faust auf dich zufliegt.) lehren wir schon gar nicht.

    Grüße
    Sven

  7. #7
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    Zitat Zitat von CeKaVau Beitrag anzeigen
    Und "Karate ni sente nashi", so wie es heute meist aufgefasst wird (nämlich: Warte bis die gegnerisch Faust auf dich zufliegt.) lehren wir schon gar nicht.
    Das ist auch eine sehr unterkomplexe Auslegung dieser Phrase, um es höflich auszudrücken.

  8. #8
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    Standard

    Hallo,

    danke schon mal für die ersten Rückmeldungen! Besonders überraschend bzw. neu war für mich die Information, dass dieser Aspekt in der IOGKF sogar Teil der Prüfungsordnung ist.

    Grüße,

    Henning Wittwer

  9. #9
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  10. #10
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    Ich weiß nicht, ob es zu weit weg führt - und zu einem anderen aktuellen Thread würde es eher passen - aber ich habe gerade für einen wissenschaftlichen Artikel einen Artikel erneut gelesen, der sich mit Morallehre im Judo und der Trainerausbildung befasst:

    De Crée, Carl (2015): The ‘Jūdō Sukebei’ Phenomenon: When Crossing the Line merits more than Shidō [minor infringement] – Sexual Harassment and Inappropriate Behavior in Jūdō Coaches and Instructors.
    In: Problems of Psychology in the 21st Century, Volume 9, Issue, 2, pp. 85-128.


    Gen Anfang seines Artikels berichtet De Crée (2015: 89ff.) über >Incidence and jurisprudence of cases of sexual abuse in jūdō< – wozu bspw. zu Beginn der 2000er Jahre in Bayern der jahrzehntelange Präsident des 1. Judovereins Passau in Bayern, German sex offender und als riskant-pädophil eingestuften Wolfgang Doffek mit mehrfachem sex. Kindesmissbrauch im Feld des Judo gehörte – und stellt davor bzw. danach >The nature and organizational framework of jūdō< vor sowie Erwägungen zu >Does jūdō attract sexual perverts and pedophiles?< – wobei „[s]exual desires produce a very powerful drive in living beings” und „People with aberrant sexual desires towards children and underage people seek out their company in both leisure and professional activities” und ferner eine korrekte Einordnung (pädophil/statutory rape) relevant ist –, zu >Jūdō’s authoritarian and hierarchical structure as a basis for ‘grooming’ by bullies and sex offenders< und zu >Gender construction in jūdō interactions< an (vgl. weiterführend: De Crée, 2015: 87ff., 102ff.).

    Ferner gibt es Hentai-Manga sowie X-rated Filme aus Japan mit Judo-Bezug und auch im Westen findet eine >Eroticization of jūdō in Western mainstream and erotic media< statt sowie sind generell(er) >Cultural divide and perceptions of age disparity in sexual relationships< auszumachen (vgl. weiterführend: De Crée, 2015: 100ff., 106ff.). Dabei gilt: „While in Western magazines such as Playboy a nude model’s body is typically displayed in its entirety and accompanied by a narrative about the model’s background and future aspirations in order to build in the reader a desire for a sexual-affectionate fantasy-relationship […], Japanese hentai and manga depict a whole other atmosphere, namely that of a ‘part-object relation’“ (De Crée, 2015: 112).

    Gegen Sexual Harassment & Inappropriate Behavior von Trainern bzw. gegen den sog. jūdō sukebei 柔道助平 [‘jūdō lecher’ or ‘jūdō pervert’] im Judo – wobei organisierter (Judo) Sport „has its own very hierarchical power and governing structures”, es gibt >inappropriate coaching methods< und „[p]hysical and sexual abuses in jūdō are a function of power relations and are therefore not dissociated from the reinforcement of gender hierarchy“ – bringt De Crée (2015: 85ff., 103ff.) einen Rekurs auf KANŌ Jigorō (1860-1938) & Jūdō’s moral philosophy vor:
    De Crée (2015: 112ff.) führt KANŌs Ji-ta kyō-ei 自他共栄 als ,Mutual prosperity and harmony for everyone’, Moralerziehung/moralischen Fragen & Kants Kategorischen Imperativ ein und wendet sich der Trainerausbildung vor folgendem Hintergrund zu:
    „Those who are in jūdō and commit sexual offences, and those who seek out jūdō as an environment to indulge in sexual offences with children or nonconsenting adults, did not act in a ‘thoughtful’ way; they did not know when to stop, and did they cross the (moral) line. They either did not fully realize the difference between good and evil, or they were mentally too weak to intellectually reject evil or to emotionally dislike evil […]. Another reason why jūdō has attracted jūdō sukebei […] and has been a safe haven for them is that jūdō instructors today are no longer trained and have not been trained in the moral aspects of jūdō“.
    Bis in die 1970er Jahre hinein gab es für viele Judolehrende soweit keine formale Ausbildung; in den 1980er Jahren tauchten in Ländern wie bspw. Belgien oder den USA Kurse unterschiedlicher Länge, Dauer und institutioneller Verankerung auf, die sich alle weitestgehend auf Judo-Techniken beschränkten, denn was die erzieherisch-moralische Komponente betrifft, war es so, dass „curricular and steering committees and the teaching staff generally possess this knowledge“ (vgl. De Crée, 2015: 116f.). Blickt man ins ferne wie vergangene Japan, so gab es 1911 Kurse für angehende Kodokan-Instruktoren und die „emphasis of the Kōdōkan jūdō teachers’ training was not just on technical skills, but equally on intellectual knowledge and moral character“; allerdings wurde die Schule finanzbedingt sehr schnell nach dem Durchgang des ersten Kurses 1914 geschlossen und es hielt eine „absence of extensive and continued training in ethics and moral development in the formation of jūdō instructors“ Einzug, die bis heute fortfauert, wo(bei) es stark um ‚fighting and winning‘ geht (vgl. De Crée, 2015: 117).

    ----------------------------

    Natürlich ist der Artikel jetzt auf ein sehr spezielles Thema und auf Judo gemünzt und ich weiß nicht, ob die Erzählung dessen, wer (k)ein moralisches Wissen/Kompetenz besaß/besitzt, wie sie vom Autor vorgenommen wurde, so aufrecht erhalten werden kann - aber vielleicht gab es ähnliche moralvermittelnde Strukturen oder Ideen/Grundsätze dazu ja auch in Karate-Richtungen o.ä. und so wäre der Artikel eine Art möglicher an-abgrenzender Bezugsfolie und vielleicht ein bisschen hilfreich/nützlich?

    Schöne Grüße
    Alex
    "Empty your mind... be formless, shapeless, like water..." (Bruce Lee)

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  11. #11
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    Hallo Alex,

    mich persönlich interessiert grundsätzlich erst mal viel, was mit japanischer Kampfkunst allgemein zu tun hat, weswegen ich damals auch den verlinkten Artikel aufmerksam las, zumal es zu dem Thema wenig anderen Stoff gibt.

    Er passt insofern zu dem Thema hier: Auch G. Funakoshi schrieb eindeutig über „Moralerziehung“ und zwar in einem Format, das indirekt auf J. H. Pestalozzi (1746–1827) zurückgeht. In meinem Band III, S. 41 f. und S. 49 ff., stelle ich G. Funakoshis Text vor und ordne ihn ein.

    Da nun G. Funakoshi sein Karate eben u. a. auch mit gewissen Morallehren verknüpft überlieferte, wollte ich hier fragen, ob und wie das in der heutigen Karate-Praxis gehandhabt wird …

    Grüße,

    Henning Wittwer

  12. #12
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    Hallo Henning,
    Danke sehr für deine Ausführungen und Einordnungen.

    Mit indirektem Rekurs auf Pestalozzi - mein Lieblingspädagoge noch vor dem Studium in Erziehungswissenschaft & Philosophie und dank eines väterlichen Freundes/Lehrerbildners aus der Schweiz, der über Pestalozzi auch promoviert hat, bin ich da nicht ganz unwissend - ist ja witzig:

    Bzgl. Kano & Judo hat William Bodiford einst auch einen solchen Pestalozzi-Bezug hergestellt, allerdings ohne dies weiter auszuführen und konkreter zu belegen. Ich hab mal mit Andreas Niehaus - der lustigerweise der Projekt/PhD-Supervisor von Carl De Crée ist - darüber gesprochen, ob er aus Kanos Schriften, Tagebüchern etc. vlt. direkte Pestalozzi-Referenzen kennt, zumal indirekt einiges an spannenden Bezügen herstellbar ist; ihm war aber leider nichts bekannt.

    Sieht das bei Funakoshi anders aus? Ich muss mir echt mal deine drei Shotokan-Bände holen, wenn das liebe Geld nicht wär, und mich vertieft einlesen - denn bisher hab ich nur den Hoplologie-Band im Regal. ^^'''

    Schöne Grüße
    Alex
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  13. #13
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    Hallo Alex,

    bislang habe ich den Namen Pestalozzis selbst noch nicht in irgendeinem der Texte von G. Funakoshi gelesen. So etwas wie Quellenangaben waren damals in Japan auch eher unüblich, d. h. hin und wieder gibt G. Funakoshi einen Hinweis, auf wen oder was er sich bezieht, oftmals aber auch nicht.

    Wie geschrieben, in dem Fall nutzt er ein Format, das erkennbar auf J. H. Pestalozzi zurückgeht und damals in Japan bekannt war. Innerhalb dieses Formats geht er dann auf Aspekte des Karate ein, wobei halt G. Funakoshis Morallehre sehr spezifisch aus einer kriegerischen/kampfkünstlerischen Kultur stammt …

    Grüße,

    Henning Wittwer

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