Hallo,
die Information über die IOGKF-Prüfungsordnung war für mich neu; und sie überraschte mich, weil ich dergleichen bei anderen Organisationen bislang noch nicht erlebt oder gelesen habe.
Grüße,
Henning Wittwer
Hallo,
nun vielleicht noch kurz meine Antwort: Karate ist keine bloße Ansammlung von ein paar Techniken, sondern es umfasst u. a. auch viel – scheinbar eher – theoretisches Wissen. Dazu gehört im Fall des Karate-Dō Shōtōkan-Ryū auch ein gewisser Anteil Morallehre, über die sich G. Funakoshi (1868–1957) ausführlich in seinen japanischen Texten äußerte. Auf diesen japanischen Texten beruhend, lasse ich vor allem „Karate ni Sente nashi“ als grundsätzlich bedeutsam ein bis zwei Mal im Jahr für ein paar Minuten in die Karate-Übung einfließen. Dabei wird der Lehrsatz japanisch an eine Tafel geschrieben, vorgelesen (Aussprache), wörtlich übersetzt und verständlich gemacht. (Seine taktische Seite ist für Fortgeschrittene ebenfalls Thema, aber hier geht es vor allem um die moralische Seite.)
Dazu kommen hin und wieder Übersetzungen japanischer Texte über moralische Aspekte des Karate von G. Funakoshi oder seinen Schülern im Bulletin unserer Minigruppe sowie noch seltener Vorträge, in denen dieser Aspekt des Karate beleuchtet wird.
Um Karate – soweit das heute noch möglich ist – einigermaßen vollständig auszuüben, halte ich also auch seine Morallehre für nicht unerheblich …
Grüße,
Henning Wittwer
Frage:
Gemäß dieser dojoregeln gilt auch:
https://kara-te.de/verhalten-im-dojo/
„Das Wort des Sensei ist Gesetz.“
Ist/war das auch eine regel im klassischen/vollständigen karate?
Als ich knapp 10 Jahre bei Andreas Albrecht in Wiesloch trainiert habe (https://www.karate-wiesloch.de), wurde dort nach jedem Training im Kreis abgekniet und gemeinsam die Dojo-kun rezitiert. Andreas hat auch ein Buch darüber veröffentlicht (https://www.amazon.de/Dôjôkun-Ethik-.../dp/3937745157).
Anschließend bei Carlos Molina waren zwar nicht direkt die Dojo-kun, aber vergleichbare Werte ständiges Thema im und nach dem Training.
Ich meine gelesen zu haben, dass Funakoshi seine moralischen Ausführungen vor allem wegen der jugendlichen Übenden entworfen hat? Dass das einfach Haudraufs waren wie viele 20jährige, und er das in Bahnen lenken wollte.
Jedenfalls mutet es schon etwas seltsam an, wenn Erwachsene in der Beziehung explizit belehrt werden.
Hallo,
das wäre dann eher eine geschichtliche Frage …
Zunächst ist z. B. „Karate ni Sente nashi“ kein Lehrsatz, den G. Funakoshi schuf; er lernte ihn von seinem Hauptlehrer, A. Asato (1828–1906), der wiederum aussagte, dass dieser Lehrsatz seit alter Zeit zum Unterrichten genutzt worden sei. Ganz ähnlich gab es in mehr oder weniger vielen alten japanischen Kampfkünsten Morallehre.
Zweitens gab es in Ryūkyū wohl Charakterprüfungen, bevor ein potentieller Interessent als „Karate“-Schüler angenommen wurde. D. h. der großflächige Wegfall solcher Prüfungen hinterließ quasi nur noch das „Moralisieren“ als letzte Maßnahme, um keine ungewollten Ereignisse hervorzurufen.
Das Verständnis, dass z. B. „Sente“ im Alltag keine gute Idee ist, kann (!) drittens bereits als Maßnahme des Selbstschutzes begriffen werden. D. h. es bleibt nicht beim bloßen moralischen Aspekt, sondern enthält gleichzeitig eine taktische Komponente. Dieser Punkt war in einer konfuzianisch geprägten Gesellschaft wie in Ryūkyū ebenso wichtig, da der Adept gesund und unversehrt bleiben musste, um seine Pflichten erfüllen zu können.
Es mutet tatsächlich etwas seltsam an, zu moralisieren, ja. Ich persönlich bewege mich da „nur“ auf dem Feld „möglichst vollständiges Karate“, und lasse meine eigenen Gedanken meist meine eigenen Gedanken bleiben. Aber gleichzeitig haben die Mitleser hier wohl so viel Lebenserfahrung, dass sie wissen, dass auch erwachsene Menschen ohne Not brutal handeln und so Anderen schaden können – ein Blick etwa in die hiesigen Gefängnisse oder die Schlange an der Fleischtheke dürfte reichen, um das zu erkennen. Daher war es möglicherweise nicht völlig verkehrt, auch ein wenig Morallehre in das Lehrgebäude des Karate einzubauen ...
Grüße,
Henning Wittwer
Danke! Wie ist denn (in deinem Shotokan) Karate das Mindset im Konfliktfall (hatten wir das Thema schon)?
Hallo,
was die Geisteshaltung und dergleichen in Ernstfällen betrifft, so werden in meiner Karate-Linie bereits Neulinge Schritt für Schritt an sie herangeführt (trainiert); aber dazu möchte ich mich nicht in einem Internetforum äußern, tut mir leid.
Grüße,
Henning Wittwer
Schade, verstehe nicht ganz, was dich da abhält.
Ich meine, dass in KM-Kursen vom ersten Tag das gezielte Weichteilezerkloppen unterrichtet wird. Für die private SV sinnvoll und desillusionierend bzgl. aller Schnörkeltechniken traditioneller KK.
Das soll traditionelle KK nicht abwerten, nur verdeutlichen, dass das vermitteln nachhaltiger Verletzungen bereits bekannt ist, schlimmer kann es ja nicht werden...
Bei aller Aufregung, sollten wir aber nicht vergessen,dass Al Bundy 1966 4 Touchdowns in einem Spiel gemacht hat und den Polk High School Panthers damit zur Stadtmeisterschaft verholfen hat!
@ Henning
ist i.O., danke. Nebenbei finde ich es interessant, dass es auch auf Ryukyu Charakterprüfungen gegeben hat, das ist ja auch im alten japanischen Budo in Form von Probezeit und Blutschwur häufig der Fall. Ebenso Morallehre und Ethik. Nur mit "ni sente nashi" werden die im Schnitt nichts anfangen können.
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