Hallo Leute,
wenn wir herausfinden wollen, was man in den ostasiatischen Kampfkünsten unter dem Begriff „Meister“ ursprünglich verstanden hat, nutzt es wenig, abendländische Denkweisen und Definitionen zu bemühen. Wir können uns unsere europäische Meinung ja immer noch bilden, wenn wir den ostasiatischen Meister-Begriff geklärt haben. Aber das ist dann unsere persönliche Auffassung und hat mit dem ursprünglichen Meisterbegriff nicht unbedingt viel zu tun.
Also: Ich kann den Ursprung des Meister-Begriffs nur für die chinesischen Kampfkünste erläutern, bei den japanischen, koreanischen, vietnamesischen, thailändischen usw. muß dann ein anderer ran. Ich meine allerdings, daß man dort Parallelen finden wird, denn China hat ganz Ostasien kulturell gravierend beeinflußt.
In den chinesischen Kampfkünsten verwendet man für den „Lehrer“ bzw. „Meister“ das Zeichen Shifu, eine Kombination aus Shi mit der Bedeutung „Lehrer“ und Fu mit der Bedeutung „Vater“. Das Zeichen Shi bedeutet allerdings nicht nur „Lehrer“, sondern auch „Vorbild“ und auch „Armee“. Das Zeichen Fu (Vater) ist die symbolische Darstellung von zwei Schlagstöcken, die die Einhaltung von Regeln erzwingen/ durchsetzen.
Schriftzeichen
Shifu, so wie es in
den chin. KK verwendet wird
Es gibt allerdings noch ein anderes Zeichen Shifu, das ebenfalls „Lehrer“/ „Meister“ bedeutet, aber niemals in den Kampfkünsten verwendet wird. Dieses Zeichen benutzt ebenfalls Shi im beschriebenen Sinne, dann aber ein Zeichen Fu, das auch „Lehrer“ bedeutet. Diesen „Meister“ verwendet man im Bereich des Handwerks.
Schriftzeichen
Shifu, so wie es im
chin. Handwerk verwendet wird
Der „Meister-Begriff, wie er in den Kampfkünsten verwendet wird, ist auch in einem zweiten Bereich auffällig. Mein Langenscheid schreibt dazu: „Shifu – höfliche Anredeform für buddhistische und taoistische Mönche und Nonnen“.
Tatsächlich wird Shifu von buddhistischen Schülern verwendet um ihren Mönchslehrer ehrenvoll anzusprechen. Mönche, die zwar höher gestellt aber nicht eigene Lehrer sind, werden mit Fashi angesprochen und Großmeister mit Dashi.
Zusammengefaßt: Der ursprüngliche Meister-Begriff in den chinesischen Kampfkünsten ist nicht identisch mit dem chinesischen Meister-Begriff des Handwerks, sondern geht darüber in dem Sinne hinaus, daß er erstens eine Vaterfigur darstellt, damit verbunden zweitens die Erziehung des Schülers verantwortet und somit drittens nicht lediglich eine Technik lehrt, sondern etwas Fundamentaleres (z.B. eine religiöse oder philosophische Lehre).
Das sind die Ursprünge. Wir können sie heute als veraltet betrachten und neue Definitionen schaffen. In jedem Falle sind „Meister“ und „Lehrer“ nicht mit „Trainern“ zu verwechseln. Ein Trainer kann Hervorragendes leisten, ohne die Sportart, in der er als Trainer tätig ist, selbst perfekt zu beherrschen oder jemals perfekt beherrscht zu haben. Ein Meister hingegen muß zumindest für eine gewisse Phase seines Lebens ein Spitzenkönner gewesen sein. Er muß die Kunst, die er lehrt selbst irgendwann gemeistert haben.